McLarsen

Berlin Gesundbrunnen … Spurensuche auf historischen Landkarten

In diesem Abschnitt soll es um einen Teil vom Gesundbrunnen gehen… der Teil in dem ich wohne, arbeite und lebe. Der Teilbereich des ehemaligen Bezirks Wedding wird begrenzt von Badstraße, Osloer Straße und der Bahntrasse zwischen den  Bahnhöfen Bornholmer Straße und Gesundbrunnen. Die Badstraße wird später einen eigenen Platz bekommen, mir soll es hauptsächlich um deren Nebenstraßen östlich gehen : Bellermannstraße, Eulerstraße, Grüntaler, Stettiner, Jülicher Straße,  Behmstraße etc. Der Blog wird ständig ergänzt und bearbeitet (Stand : April 2021)

1757

Beginnen wollen wir aber mit einer Karte die bei uns im Offside hängt… jemand hat sie uns gespendet, vorher hing sie wohl im ehem. Rathaus Wedding. Zur Orientierung sollte man beachten das der Plan keine Nord/Südausrichtung hat, dafür gibt es aber einen Pfeil im linken unteren Bereich.

28.12.1757 - Plan der Gegend zwischen Kgl. Vorwerk Wedding und der Gräfl. Preuß. Papier Mühle zu Anlegung des neuen Gesund Brunnen

v.l.n.r: Das Vorwerk Wedding (im Bereich der heutigen Reinickendorfer/Weddingstraße) Weg von Oranienburg nach Berlin (in etwa der Verlauf der heutigen Gerichtstraße/Gartenstraße)… dann kommt die Panke, damals noch mit zwei Armen….nördlich von der Panke (etwa entlang der heutigen Koloniestraße) entstand kurze Zeit darauf eine Maulbeerplantage welche von Einwanderern aus Böhmen betrieben wurde. Linksseitig der Panke ist noch etwas Wald erhalten, der Rest der vormals üppigen Berliner Stadtheide, hauptsächlich Kiefern und Eichen wuchsen dort… ihr Holz steckt noch heute in den Häusern Berlins (soweit sie noch stehen). Wir erfahren die Besitzer diverser Grundstücke : wüstes Sand-Land gehört dem Magistrat; Wiese zum Amt Schönhausen gehörig (etwa Brunnenplatz vorm Amtsgericht); Vorwerks Acker; das erste Feld, das Mittel Feld; St.Georgen Hospital Acker. Gesund Brunnen… Dazu gibt es demnächst ein Extrakapitel. 

Der Friedrichs Gesundbrunnen um 1760

 

Holländische Mühle… bereits in der ersten urkundlichen Erwähnung Weddings um 1251 wurde eine Pankemühle genannt, 1541 wurde erwähnt, das die Mühle nicht mehr in Betrieb ist… 1708 wird der Bau einer Wassermühle beschlossen, 1731 wird die Mühle an der Panke zur Papiermühle umgebaut und war Arbeitsplatz für 60 Arbeiter (Auf dem Wedding lebten 1748 ganze 72 Einwohner). Auf der Karte neben Brunnen und Mühle: Bürger Craatz Wiese… ich durfte noch einen Nachfahren dieses Bürgers kennenlernen, er verstarb vor ein paar Jahren im hohen Alter und war in der lokalen SPD aktiv. Am rechten Rand der Karte dann „vormaliger Fasanen- und Kaninchengarten der jetzt einem Bürger gehört, der eine Meierei daraus machen will“ (sinngemäß) …da sind wir etwa in dem Bereich von Prinzenallee, Bellermannstraße, Grüntaler Straße. Der Kaninchengarten wurde an einer Strecke angelegt, die der preußische Adel als Verbindung der Schlösser Charlottenburg und Niederschönhausen nutzte. Kronprinz (und späterer Soldatenkönig) Friedrich Wilhelm I. nutzte ihn zum jagen und zur Übung mit der Schußwaffe… und so entstand der Name Prinzenallee… der Weg an diesem  Fasanen- und Kaninchengarten, welcher 1712 angelegt wurde und etwa 10 Jahre Bestand hatte.

1802

1802 - Originalausschnitt "Plan von Berlin nebst denen umliegenden Gegenden im Jahr 1802'' (*historicmaps)

Wir tauchen ein in die Vergangenheit mit Hilfe von historischen Landkarten. Der Ausschnitt ist stets der gleiche wie bei der Karte siehe oben. Es gibt sehr gute Webseiten die dieses Material kostenlos zur Verfügung stellen*. Man kann mit Hilfe eines Reglers die historische Karte in die Gegenwart pausen. Das wird bei den ersten Karten nötig sein, da noch nicht viel Orientierungspunkte vorhanden waren.

*Historicmaps

*Berliner Stadtplansammlung

 

1802 - Ausschnitt mit Orientierungshilfe "Plan von Berlin nebst denen umliegenden Gegenden im Jahr 1802'' (*historicmaps)

1802 : An dieser Stelle ist die Blaupause mit der heutigen Karte durchaus wichtig, denn viele Orientierungspunkte gibt es noch nicht. Fixpunkte sind das Vorwerk Wedding und der Gesundbrunnen an der Panke, welche damals noch zwei Arme hatte. Ganz oben links, heute die Gegend der Reinickendorfer Straße / Osloer Straße befand sich einer der vielen Exerzierplätze der ja sehr militärisch geprägten preussischen Residenzstadt Berlin (bzw. in diesem Falle ihres Umlandes). Dieser hier war der Exerzierplatz der Artillerie.

Romantik pur… Gesundbrunnen mit dem Poetensteig um 1800

Nur westlich und nordwestlich von Wedding und Gesundbrunnen gab es noch Wald, der größte Teil der ehemaligen Stadtheide wurde in den zurückliegenden Jahrzehnten gefällt, verbaut und nicht wieder aufgeforstet. Man kann sich vorstellen das der Teil östlich vom Gesundbrunnen eine relativ kahle Landschaft war, mit etwas Landwirtschaft und Sandbergen. Apropos Berge… Im Bereich des heutigen Volkspark Humboldthain sind folgende Erhebungen eingezeichnet : Grenardierberg, Brunnenkappe und Langer Berg.

Der Verlauf der späteren Brunnen- und Badstraße ist grob zu erkennen, es war der Weg aus dem Berliner Stadtzentrum… was er ja heute auch noch ist. Der Weg von oben nach unten ist der Verlauf der heutigen Prinzenallee/Pankstraße… der Weg  verband Wedding und Gesundbrunnen mit Pankow und dem Schloß Niederschönhausen. Des Weiterem gibt es einige Wege, die man wohl bestenfalls mit Trampelpfaden vergleichen kann… ein Pfad lief auch durch den oberen Teil der Jülicher Straße, gekreuzt von einem Wassergraben welcher von der Panke kommend in Höhe der Osloer/Bornholmer Straße. Das östliche Ende des kreuzenden Wassergrabens endet dort wo heute die Gartenkolonie Wiesengrund liegt… ich vermute mal, das es damals eine sumpfige Wiese war… etwas weiter nördlich fließt der Eschengraben, dessen Wasser noch dazu kommt…

Stand der Einwohner : Im Wedding lebten 150 Personen in 17 Haushalten und im Gesundbrunnen 105 Personen in 23 Haushalten. Diese Haushalte waren bereits damals teilweise Ausländer. Preußen war ja sehr tolerant was Einwanderung betraf (natürlich nicht ganz uneigennützig) und so förderte bereits Friedrich II. (…jeder nach seiner Fasson…) die Ansiedlung von Kolonisten in den Bereichen Reinickendorfer-/Uferstraße und… genau… Koloniestraße…

1816

1816 - Originalausschnitt "Topographischer Plan der Gegend um Berlin ca. 1816" (*historicmaps)
1816 - Ausschnitt mit Orientierungshilfe "Topographischer Plan der Gegend um Berlin ca. 1816" (*historicmaps)

1816 : 14 Jahre später ist nicht viel passiert… der Brunnen heißt seit 1809 Louisenbad der Ort Louisenbrunnen, benannt nach der populären Königin Luise, welche um die Jahrhundertwende einige male vor Ort gewesen war und die Umbenennung der Quelle genehmigte. Unweit der Brunnenanlage ist eine Meierei verzeichnet, mutmaßlich jene, die ein Bürger auf der Karte von 1757 beim ehemaligen Kaninchengarten errichten wollte. 1811 wurde die Mühle an der Panke stillgelegt, 1825 wird sie abbrennen. Vermutlich existieren die Waldstücke nordwestlich der Panke nun auch nicht mehr.

1840

1840 - Originalausschnitt "Urmesstischblatt "Berlin (Nord)" um 1840" (*historicmaps)
1840 - Originalausschnitt "Urmesstischblatt "Berlin (Nord)" um 1840" mit Orientierungshilfe (*historicmaps)

…auch 24 Jahre nach dem letzten Kartenausschnitt hat sich nicht viel getan… man muß schon genauer hinsehen : Die Straße nach Oranienburg heißt seit 1827 Pankstraße. Wedding und Gesundbrunnen bekamen eigene Kirchen (Nazarethkirche & St. Paul), beide von Karl Friedrich Schinkel entworfen und 1835 eingeweiht. Die rote Linie welche mit einem Bogen von oben rechts nach unten links führt stellt den Trassenverlauf der Berlin-Stettiner Bahn dar. Die Strecke wurde an dem hier ersichtlichen Abschnitt 1842 in Betrieb genommen. Bis 1897 fuhr die Bahn quasi neben der Grüntaler Straße und querte die Badstraße an einem beschrankten Übergang. Zwei Ziegeleien sind zu sehen… eine an der Stelle des heutigen Bahnhof Gesundbrunnen und eine an der Stelle der heutigen Eulerstraße/Klever Straße.

1855

1855 - Originalausschnitt aus dem "Plan von Berlin mit dem Weichbilde und der Umgegend bis Charlottenburg" (*historicmaps)
1855 - Ausschnitt mit Orientierungshilfe aus dem "Plan von Berlin mit dem Weichbilde und der Umgegend bis Charlottenburg" (*historicmaps)

…auch die Karte von 1855 zeigt uns das dieser Fleck Erde noch weit davon entfernt ist, eine Großstadt zu werden… auf dieser Karte ist ganz gut zu erkennen, daß die Bebauung kleine ebenerdige Kolonistenhäuser mit Gartengrundstück sind. Ab 1850 siedelten sich nördlich vom Luisenbrunnen an der Panke Gerber an, die es mit dem (damals sicher eh noch nicht sehr strengen) Umweltschutz  nicht so genau nahmen und die Abwässer in den Fluß leiteten was vor allem auf die Luftqualität negativen Einfluss hatte und zum GESUNDbrunnen nicht passen wollte…die Panke wurde zur „Stinkepanke“ und ein berühmter Spruch dieser Zeit war: „Wo die Panke mit Gestanke durch den Wedding rinnt“… Die Straße Richtung Reinickendorf heißt jetzt Schwedenstraße… im Bereich der heutigen Bellermannstraße, etwa Ecke Grüntaler Straße gibt es erste Wohnhäuser und die Ziegelei Johl. Die Stelle an der später die Bornholmer Straße die Bahn überqueren wird ist als Anhöhe zu erkennen.

1866

1866 - Originalausschnitt aus "Neuester Situationsplan von Berlin" (*historicmaps)
1866 - Ausschnitt aus "Neuester Situationsplan von Berlin" mit Orientierungshilfe (*historicmaps)

1866 haben Grüntaler und Stettiner Straße einen Namen, ebenso die Bellermannstraße welche aber nur von der Prinzenallee bis zur Bahntrasse der Stettiner Eisenbahn geht, danach geht der Verlauf als Trampelpfad weiter. Kurz hinter den Schienen geht ein Weg nach links zur Ziegelei von Eduard Johl, es ist keine offizielle Straße aber er wird der Johlsche Weg genannt. In seinem Verlauf wird später die Eulerstraße entstehen. Der Verlauf der späteren Behmstraße ist bereits zu erkennen, nach einer Weile zweigt von ihr die Schwedter Straße ab… an der Stelle wo heute die Behmstrassenbrücke und der Schwedter Steg ist… kleiner Zwischenstand der Bevölkerungsmenge von 1866 : 17.000 Einwohner

1874

Originalausschnitt aus "Neuester Plan von Berlin mit den Königl. Preuss. Standes- und Amtsbezirks-Superintendentur- und Parochie-Grenzen 1874" (*historicmaps)
Ausschnitt von "Neuester Plan von Berlin mit den Königl. Preuss. Standes- und Amtsbezirks-Superintendentur- und Parochie-Grenzen 1874" mit Orientierungshilfe (*historicmaps)

1874… und jetzt geht es aber ab hier… was für ein großer Sprung gegenüber der 8 Jahre zuvor erschienenen Karte von 1866… allerdings mit viel Theorie, denn vieles was wir hier sehen, ist der Plan wie es einmal werden soll. Wir sehen zwei neue Bahnhöfe… von denen 1874 noch keiner fertig war : Gesundbrunnen und Nordbahnhof. Der Bahnhof Gesundbrunnen war seit 1872 Haltepunkt der gerade in Betrieb genommenen Berliner Ringbahn, der Ausbau zum überregionalen Bahnhof folgte erst nach und nach in den folgenden 15 Jahren. Der Nordbahnhof ist nicht mit dem Stettiner Bahnhof zu verwechseln (an dessen Stelle befindet sich heute die S-Bahn Station Nordbahnhof) sondern der Zielbahnhof der Berliner Nordbahn die 1877 von hier aus Richtung Neubrandenburg startete. Wenig später wurde die Strecke für den Personenverkehr dann aber doch zum Stettiner Bahnhof verlegt und der Nordbahnhof wurde zum reinen Güterbahnhof. Vom Nordbahnhof ist wenig erhalten, an seiner Stelle befindet sich heute der Mauerpark. Am berühmten Gleimtunnel über der Gleimstraße kann man noch erahnen, wie viele Schienen dort verliefen. Die beiden Bahnstrecken kreuzten an der Stelle einander, wo heute die S-Bahnbrücke über die Grüntaler Straße verläuft. Auch der künftige Straßenverlauf unserer Gegend deutet sich an… Basis dafür war der Hobrecht-Plan von 1862, der aus den zahlreichen bewohnten Flecken von Berlin und Umland ein grobes System schuf (das ist jetzt mal gaaanz vereinfacht gesagt…) Die heutige Osloer- und Bornholmer Straße wird angedeutet und etliche Straßen haben jetzt einen Namen. Der nördliche Teil der Grüntaler Straße, welcher noch von der Stettiner Eisenbahn getrennt wird hatte auf der linken Seite einen eigenen Namen : Völkerstraße (bis 1910). Etwas Kultur hat auch Einzug gehalten: Weimanns Volksgarten an der Badstraße (da wo heute die Bastianstraße ist) öffnete 1851 und existierte bis 1905… neben Restauration war der Volksgarten Schauplatz von (u.a. jüdischen) Volksfesten. 1889 wurde Weimanns Volksgarten von der benachbarten Adler Brauerei in der Hochstraße gekauft. Die Brauerei produzierte ab 1864 Bier im bayerischen Stil. Im Laufe der Jahre hieß die Brauerei auch Brauerei Karl Gregory und Phönixbrauerei. Etwa 1920 war dann Schluß mit der Brauerei… heute steht ein großes Hotel an dieser Stelle.  Der Humboldthain wurde auch erschlossen…als Parkanlage ohne Bunker. Unten links an der Reinickendorfer Straße nahe der Ringbahn war bereits damals die Feuerwehr stationiert. …dann steht da noch „Der kleine Wedding“… ok, das Vorwerk Wedding mit seinen angrenzenden Ländereien lag etwa an der heutigen Ecke Reinickendorfer-/Weddingstraße und war in dem Sinne der große Wedding. Ein weiterer Hof, etwas kleiner und mit anderen, ständig wechselnden Besitzern lag am Anfang der Reinickendorfer Straße, an der (heutigen) Tristesse namens Weddingplatz.

1882

Originalausschnitt vom "Sineck Situations-Plan von Berlin 1882" (*historicmaps)
Ausschnitt vom "Sineck Situations-Plan von Berlin 1882" mit Orientierungshilfe (*historicmaps)

Die Karte von 1882 zeigt ein wenig was ich bei der letzten von 1874 meinte… viel Planung, wenig Tatsachen. Ein paar mehr Wohnhäuser sind es aber dennoch an Badstraße und Prinzenallee… der Soldiner Kiez (bzw. die Gegend die heute so heißt) bildet sich auch langsam und auch rechts und links der Bellermannstraße ist Zuwachs zu verzeichnen. Noch fährt die Stettiner Bahn mit der Grüntaler über die Badstraße, aber das Gelände um den Bahnhof Gesundbrunnen deutet an, das etwas größeres entsteht… Der Anschluß der Berlin-Wetzlarer Bahn, welche im Volksmund Kanonenbahn hieß und für militärische Zwecke errichtet wurde, spielte nur kurz eine Rolle, bis zur Fertigstellung vom Bahnhof Charlottenburg. Auf dem Gelände das heutzutage der Schwedter Steg überquert, befand sich ein halbringförmiger Lokschuppen. Ein Gleis führt vom Bahnhof Gesundbrunnen um den Humboldthain herum zum Viehmarkt südlich des Humboldthain… wo wenige Jahre später eine der größten Industriestandorte Berlins entstehen wird. Eine Schule befand sich an der (heutigen) Osloer Straße zwischen Freienwalder- und Wrietzener Straße, in der Pankstraße zwischen Gericht- und Wiesenstraße und eine weitere in der zweiten Reihe der Ecke Pank-/Badstraße, etwa da wo heute die Bastianstraße verläuft.

1895

Originalausschnitt vom "Straube Plan von Berlin 1895" (*historicmaps)
Ausschnitt vom "Straube Plan von Berlin 1895" mit Orientierungshilfe (*historicmaps)

Etwas weniger ins Detail geht der Straube Plan von 1895. Die roten Flächen deuten Bebauung an, schraffierte rote Flächen Bahngelände. Gut zu erkennen ist die Entwicklung  des sogenannten „tiefen Wedding“, das ist  der Gegend die heute Brunnenviertel genannt wird. Auf dem Gelände es ehemaligen Viehmarktes westlich der Brunnenstraße entstand ab 1894 mit dem AEG Werk eine der größten Berliner Industriestandorte mit zeitweise 14.000 Beschäftigten… viele von denen wohnten auf der anderen Seite der Brunnenstraße… und das nicht wirklich in komfortabler Art… nein, es waren größtenteils Zustände die wir uns heute kaum noch vorstellen können. Im Jahr 1900 stieg die Einwohnerzahl von Wedding und Gesundbrunnen auf 160.000 Einwohner… 1866 waren es noch 17.000 Einwohner. …zu den Details: Die heutige Osloer Straße bekam 1892 den Namen Christianastraße… benannt nach der norwegischen Hauptstadt und als sich diese 1925 in Oslo umbenannte, änderte man das 1938 auch bei dieser ja sehr großen Straße. Es gab zwei neue Gotteshäuser : die Himmelfahrtskirche von August Orth am Humboldthain (im Krieg zerstört) und St. Sebastian für die katholische Gemeinde am Gartenplatz (knapp unterhalb unseres Kartenausschnittes.)

1905

Originalausschnitt vom "Sineck Situations-Plan von Berlin 1905" (*historicmaps)
Ausschnitt vom "Sineck Situations-Plan von Berlin 1905" mit Orientierungshilfe (*historicmaps)

Beim Sineck Situations-Plan von 1905 kann man gut unterscheiden was schon steht und was geplant ist, letzteres wird rot dargestellt und gerade im östlichen Bereich von Grüntaler und Bellermannstraße ist da einiges rot, genau wie im Nachbarbezirk Prenzlauer Berg… Berlins Einwohnerzahl ging zu dieser Zeit immer weiter in die Höhe… die Leute kamen vom Land wegen der Arbeit in die Stadt und brauchten dringend Unterkunft. Die Gleise der Stettiner Bahn wurden 1897 in das Gleisbett der anderen Bahnen am Gesundbrunnen verlegt. Die Badstraße wurde somit ihre lästige, unfalllastige Bahnschranke los. Im gleichen Jahr wurde das Empfangsgebäude des Bahnhofs erbaut… mittlerweile hielten neben der S-Bahn auch Vorortszüge und Fernverkehr am Berliner Nordkreuz. 1905 wurde die Swinemünder Brücke über den Gleisanlagen des Bahnhofs fertiggestellt. Die Brücke ist mit 228 Metern 100 Meter länger als die ähnliche, deutlich bekanntere Glienicker Brücke zwischen Berlin und Potsdam. Auf Grund ihrer ausufernden Baukosten (…ja, sowas gabs auch früher schon) heißt sie im Volksmund Millionenbrücke.

Millionenbrücke 1906 (Foto von Max Missmann) Im Hintergrund die unbebaute Gegend nördlich der Behmstraße, rechts die Behmstraßenbrücke. Die Häuser auf der linken Seite sind in der Wriezener Straße, die Stephanuskirche an der Soldiner Straße und die Häuser etwas weiter rechts gehören zur Grüntaler Straße. Vom linken Brückenbogen verdeckt ist der Schebera Sportplatz welcher seinerzeit bereits von Hertha angemietet war.

Auf dem Brunnenplatz zwischen Panke und Pankstraße entstand das Amtsgericht Wedding im neogotischen Stil… nicht gerade bescheiden wirkend. An der Rückseite des Gerichtes, auf der anderen Pankeseite lag das große Straßenbahndepot, erst für Pferdebahnen, später für elektrische Bahnen. Das fabrikähnliche Gelände wird heute hauptsächlich von Künstlern genutzt (Uferhallen/Uferstudio). Die 1833 gegründete Tresorfabrik von Simon Joel Arnheim siedelte sich Anfang der 1890er Jahre an der Badstraße 40-41, direkt an der Panke an. Für den Bau der Fabrik wurde der westliche Pankearm zugeschüttet und ein markantes Backsteinhaus an der Badstraße wurde als Wohnhaus für Mitarbeiter der Firma errichtet. Nicht auf der Karte verzeichnet aber seit 1890 in der Osloer Straße 12 ansässig war die Maschinenfabrik Albert Roller welche Maschinen für die Herstellung von Zündhölzern herstellte (heute Kindermuseum und Nachbarschaftsetage). Eine neue evangelische Kirche entstand bis 1904 an der Kreuzung Prinzenallee/Soldiner Straße. Für die Stephanuskirche war ursprünglich war als Bauplatz das nunmehr freie Gelände der Stettiner Bahn an der Grüntaler Straße vorgesehen… das zerschlug sich aber. Auch die Katholiken bekamen ein neues Gotteshaus in der Bellermannstraße… die Petruskirche wurde 1906 eingeweiht.

1914

Originalausschnitt vom "Baedeker, Großer Streifenplan von Berlin, 1914" (*historicmaps)

…ab hier braucht es keine Orientierungshilfen mehr… die städtebauliche Situation entspricht im Wesentlichen der heutigen…

…das erste was man zum Jahr 1914 in Bezug auf unsere Geschichte a la map erwähnen sollte, ist die Einwohnerzahl von Wedding und Gesundbrunnen… eben noch (1900) bei 140.000 Einwohnern, liegen wir 14 Jahre später bereits bei 251.000 Einwohnern… nur mal zur Erinnerung… 1820, also weniger als 100 Jahre davor, lebten 350 Einwohner in diesem Gebiet… Das Haus in dem ich gerade diesen Blog schreibe, die Jülicher Straße 4 wurde 1910 erstbezogen, gemeinsam mit dem asymmetrischen Zwilling Eulerstraße 8. Der Rest der Straße wird erst einige Jahre später bebaut, es ist Krieg und danach das Geld knapp… das Gebiet östlich der Jülicher Straße sollte genauso erschlossen werden, man sieht wie die Straßen projektiert waren, aber dazu kam es nicht mehr.  1914 wurde das jüdische Krankenhaus zwischen Exerzier- und Schulstraße vollendet. Aus dem Kraftwerk Golpa-Zschornewitz in Sachsen führte ab 1914 eine Hochspannungsleitung durch See- und Osloer Straße. In der Osloer Straße (welche damals noch Christianastraße hieß) 116a wurde hinter einer Wohnhausähnlichen Fassade die Fabrik von Hasse und Wrede errichtet. Die Firma stellte Maschinenbauteile her und später auch Rüstungsgüter. In dem Komplex ist heute ein Hotel. Nicht mit verzeichnet sind die Sportplätze am Bahnhof Gesundbrunnen und die Schule in der Ellerbecker Straße… obwohl durchaus zu der Zeit bereits existent…Der erste Weltkrieg stoppte die rasante Entwicklung der Gegend, gebaut wurden hauptsächlich noch bereits begonnene oder geplante Projekte.

1920

Kiessling Grosser Verkehrs-Plan von Berlin 1920 (*historicmaps)

Nach dem Ende des ersten Weltkriegs gingen die Stadtteile Wedding und Gesundbrunnen in den Großberliner Bezirk 3 namens Wedding auf. Der Bezirk war inzwischen eine Großstadt in der Großstadt… mit  361.074 Einwohnern war Wedding so groß wie damals Stuttgart und nach Kreuzberg der einwohnerreichste Stadtbezirk. Das wichtigste neue Bauwerk ist die Hindenburgbrücke welche die Bornholmer Straßenteile von Wedding und Prenzlauer Berg verbindet. 1916 wurde die Brücke fertiggestellt. Sie heißt seit 1948 Bösebrücke und wurde 1989 weltberühmt als dort als erstes die innerdeutschen Grenzschranken fielen. Sie hieß zu keiner Zeit Bornholmer Brücke.

1933

Ausschnitt vom Silva Stadtplan von Berlin 1933 (berliner-stadtplansammlung.de)

Die politische Landschaft im Wedding lag 1931 noch etwa so : Kommunisten : 42%; Sozialdemokraten :  28%; Nationalsozialisten : 8,8%… der Wedding war also nicht braun sondern rot, leider spielte das nach der Machtergreifung Hitlers keine Rolle mehr. Der Silva Stadtplan von 1933 zeigt letztmalig viele Details, auch von Eisenbahnstrecken und Industrieanlagen. Diese Details wurden später ausgespart um den Kriegsgegnern nicht unnötig viele Informationen zu bieten. Neu ist die U-Bahn Gesundbrunnen – Neukölln (heute U8). Ursprünglich als Schwebebahn geplant, setzte sich dann aber die Variante der Untergrundbahn durch. Durch die zusätzliche Option wurde der Bahnhof Gesundbrunnen einer der größten und wichtigsten Berliner Bahnhöfe. Auf der Karte sind nun auch die Fußballplätze von Hertha und NNW zu sehen. Die Brauerei Groterjan in der Prinzenallee entstand und produzierte Malzbier.

1942

Ausschnitt vom Silva Stadtplan von Berlin 1942 (berliner-stadtplansammlung.de)

…von der Sache her ist 1942 fast alles wie 1933… wie bereits erwähnt fehlen wichtige Informationen zur Infrastruktur, etwa der Güterbahnhof der Nordbahn und das AEG Industrieareal an der Brunnenstraße. Noch vor Kriegsbeginn wurde die Nordsüd S-Bahn fertiggestellt und brachte mit Bornholmer Straße und Humboldthain zwei neue Bahnstationen in den Bezirk. Im Herbst 1940 gab es erste britische Luftangriffe mit Zerstörungen im Weddinger Gebiet. 1941 bis 1942 wurden im Humboldthain zwei große Hochbunker mit Flakturm errichtet. Ab 1943 häuften sich intensive Luftangriffe auf Berlin und legte auch große Teile von Wedding und Gesundbrunnen in Schutt und Asche. Ab April 1945 kamen zu den Bomben nun auch noch Granaten und Straßenkampf dazu. Neben tausenden Todesopfern und Schwerverletzten war die Infrastruktur komplett zerstört… von daher ist die Karte bereits bei Erscheinung nur noch ein Rückblick auf vergangene Zeiten.

1948

Ausschnitt vom Patent-Stadtplan mit Darstellung aller Teil- und Totalzerstörungen Berlin (berliner-stadtplansammlung.de)
Legende vom Patent-Stadtplan mit Darstellung aller Teil- und Totalzerstörungen Berlin (berliner-stadtplansammlung.de)

Der Falk Patentplan von 1948 unterscheidet unzerstörte, teilzerstörte und totalzerstörte Gebäude. Besonders im Bereich des Humboldthain ist viel rot zu sehen, was besonders am Flakturm lag aber auch an den nahen Industrieanlagen an der Brunnenstraße. Im Humboldthain gab es keinen Meter Holz mehr, alles wurde in der Not verheizt. Der Verlust der Grünanlage bot als neue Möglichkeit die enormen Massen von Trümmerschutt zu sammeln. Der Hochbunker ließ sich nur zum Teil sprengen, mit Rücksicht auf die wichtigen Bahnanlagen blieb ein Teil davon stehen und wurde mit Trümmern aufgeschüttet und später begrünt. Wedding und Reinickendorf wurden zur französischen Besatzungszone.

Humboldthain 1950... der Hochbunker wird mit Trümmerschutt aufgefüllt, im Hintergrund der Bahnhof Gesundbrunnen, die zerstörte Millionenbrücke, links daneben das Herthastadion, die Schule in der Ellerbecker Straße und das NNW Kasino. Sammlung Berliner Unterwelten

1954

Ausschnitt vom Schwarz Stadtplan von Berlin 1954 (berliner-stadtplansammlung.de)

1954 ist Berlin geteilt aber noch nicht vermauert. Die Grenznähe macht die Gegend um den Bahnhof Gesundbrunnen zum wichtigen Warenumschlagplatz für Waren aller Art, auch der Schwarzmarktgeschäfte. Die Badstraße ist eine der größten Einkaufsstraßen Berlins, manche nennen sie den „Ku-Damm des Nordens“. Der Humboldthain ist wieder aufgeforstet, ein Freiluftbad wurde im Park errichtet. Der heutige Luise Schröder Platz hieß noch Oskarplatz und die Seestraße bog bis 1957 an dieser Stelle Richtung Reinickendorf ab (heute Reginhardstraße). Rechts und links des Bahnhof Bornholmer Straße befinden sich die Endhaltestellen der Straßenbahnlinien 3. Die U-Bahnlinie 8 endet am Bahnhof Gesundbrunnen.

Markt am Bahnhof Gesundbrunnen. Im Hintergrund die Häuser der Behmstraße. An dieser Stelle befindet sich seit 1997 das Gesundbrunnencenter. Foto ca. 1960 (Postkartenmotiv)

1975

Ausschnitt vom Schwarz Stadtplan von Berlin 1975 (berliner-stadtplansammlung.de)
Stadtbezirk Wedding (Ostgrenze) Mauerverlauf (dicke pinkfarbene Linie). Ausschnitt vom Schwarz Stadtplan von Berlin 1975 (berliner-stadtplansammlung.de)

Um die Veränderungen in unserer Gegend gegenüber der Karte von 1954 richtig verstehen zu können, muß man etwas über die Grenzen des bislang abgebildeten Gebietes hinausgehen… wobei das Wort Grenze dabei eine große Rolle spielt… Ab 13.08.1961 war unsere Gegend von einem zum anderen Tag eine völlig andere. Die Mauer wurde errichtet (obwohl laut Ulbricht ja knapp zwei Wochen davor ja bekanntlich niemand die Absicht hatte) Der Stadtbezirk Wedding, der ja immer mitten in der Stadt lag war plötzlich das Ende der Welt… im Amtsdeutsch Westberliner Sektorenrandgebiet. Im zweiten Kartenausschnitt ist gut zu erkennen, das die Mauer etwa ein Viertel der Grenze des Stadtbezirks Wedding ausmachte… rechnen wir das auf den heutigen Ortsteil Gesundbrunnen runter (um den es ja hier geht), so kommen wir auf etwa die Hälfte. Das hatte natürlich Auswirkungen auf das ganze Leben im Bezirk… wo gerade noch Einkaufsmeilen und Märkte blühten war jetzt tote Hose… die gesamte Gegend fiel in einen fast 30jährigen Dornröschenschlaf. Der sonst so wichtige Bahnhof Gesundbrunnen hatte nunmehr die Funktion einer wenig genutzten S-Bahnhaltestelle… nur die U-Bahnlinie 8 hatte noch größere Bedeutung… die Bahnhöfe im Ostsektor waren Geisterbahnhöfe, aber die Linie Neukölln- Gesundbrunnen lebte und war wichtig… so das sie erweitert wurde… 1977 bis zur Osloer Straße, wo auch ein Jahr früher die U-Bahnlinie U9 Richtung Steglitz in Betrieb genommen wurde. So entstanden völlig neue Infrastrukturen in der geteilten Stadt.

1990

Stadtbezirk Wedding (Südostgrenze) Mauerverlauf und neuen Grenzübergängen (rote Punkte). Ausschnitt vom Stadtplan von Berlin (West) vom VEB Tourist Verlag 1990 (berliner-stadtplansammlung.de)

Genau so plötzlich wie die Mauer kam, ging sie auch wieder… und zwar genau in unserem Kartenausschnitt am Grenzübergang Bornholmer Straße wurde am 09.11.1989 Geschchte geschrieben… die Mauer fiel und die Grenze war wieder geöffnet. Die Karte von 1990 stammt von einem Verlag aus der DDR und zeigt die Situation nach Mauerfall vor der deutschen Wiedervereinigung am 03.10.1990. Wir sehen Grenzübergangsstellen an der Bornholmer Straße, Bernauer Straße und Chausseestraße… etwas nördlicher wäre noch Wollankstraße (außerhalb des Ausschnittes). Der Geisterbahnhof Bernauer Straße (U8) ist noch nicht wieder in Betrieb verzeichnet (was aber noch im Laufe des Jahres geschah), der S-Bahnhof Bornholmer Straße ist hier ebenfalls noch nicht wieder im Betrieb und die S-Bahnhöfe der Ringbahnlinie haben auch noch einige Jahre Dornröschenschlaf vor sich…

2021

2021... OpenStreetMap.org

Willkommen in der Gegenwart. Vor 20 Jahren gab es eine Berliner Bezirksreform, unsere Gegend heißt wieder Gesundbrunnen, den Bezirk Wedding gibt es nicht mehr und verwaltungstechnisch gehören wir zum Bezirk Mitte. Der Ortsteil Gesundbrunnen hat derzeit eine Einwohnerzahl von etwa 94.000… das ist etwa so viel wie Schwerin, Gera oder Flensburg… allerdings auf einer Fläche von etwa 6,13 qkm… macht dann etwa 15,5 Tausend Einwohner pro Quadratkilometer… damit einer der am dichtesten besiedelten Gebiete Berlins und auch der Migrationsanteil ist hoch… 38,1% (Einen Migrationshintergrund haben 64,2 % der Einwohner von Gesundbrunnen) (Quelle: Wikipedia) Seit 1995 fährt wieder die Straßenbahn über die Bornholmer Straße Richtung Seestraße, die Ringbahnlinie wurde 2002 wiedereröffnet. Der Bahnhof Gesundbrunnen ist wieder einer der wichtigsten Bahnhöfe der Stadt und bekam bis 2016 ein neues, offenes Bahnhofsgebäude. Direkt am Bahnhof liegt das 1997 eröffnete Gesundbrunnen-Center mit etwa 25.000 qm Verkaufsfläche.

 

…wird ergänzt und fortgesetzt…

Die Gaststätte in der Jülicher Straße 4​

Am 01. Juni 1910 wird die Straße 5a / Abteilung IX in „Jülicher Straße“ benannt. Zu dieser Zeit entstehen die Häuser Jülicher Straße 1 und 2 (heutige Tankstelle und Neubau aus den 1990ern) und Jülicher Straße 30 (gegenüber)… etwas weiter Richtung Bahnhof Gesundbrunnen entstehen die asymmetrischen Häuser Jülicher Straße 4 und Eulerstraße 8, welche mit einem Seitenflügel miteinander verbunden sind. Bauherr ist die Norden Terraingesellschaft Berlin. Das Haus Jülicher Straße 4 wird das erste Haus der Straße, was bezogen werden kann. Der Rest der Gegend dürfte recht kahle Sandlandschaft gewesen sein… mit vielen Baustellen von den wachsenden Stadtvierteln Gesundbrunnen, Wedding und Prenzlauer Berg (…das waren auch damals nur wenige hundert Meter… erst ab 1916 mit Brücke über die Bornholmer Straße…) Die Berliner Adressbücher von 1911 verzeichnen die ersten Einträge  für das Haus Jülicher Straße 4. Es werden 10 Mieter und Gastwirt Friedrich Wehrhahn aufgelistet. Da die Adressbücher stets die Daten des Vorjahres publizieren, darf 1910 als die Geburt der Gaststätte Jülicher Straße 4 vermerkt werden.

1910 Friedrich Wehrhahn wird erster Gastwirt der Jülicher Straße. Wehrhahn betrieb bis 1909 ein Lokal in der Augustastraße 19 (heute Blissestraße) in Berlin Wilmersdorf.  Das Lokal dürfte in der noch dünn besiedelten Gegend mit vielen Baustellen eine Oase gewesen sein. Friedrich Wehrhahn verstarb warscheinlich 1916, im Adressbuch von 1917 ist die Witwe Ernestine Wehrhahn (geb. Knüppel) als Gastwirtin notiert… die kommenden zwei Jahre gibt es zumindest in den Adressbüchern keine Auskunft über das Lokal. Die Anwohner werden es für die kurze Zeit verschmerzt haben… die Jülicher Straße hatte 1918 sechs bewohnte Häuser… von denen hatte immerhin die Hälfte eine Kneipe… Hedwig Reimann in der Jülicher Straße 1, Emil Bock in der Nummer 2 und Franz Schwarzkopf in der Jülicher Straße 8. Weitere Möglichkeiten gab es freilich in der Eulerstraße und der Grüntaler Straße. Man muß wissen das die Kneipe damals einen ganz anderen sozialen Stand hatte als heutzutage… die Menschen hausten in der Regel in völlig überfüllten Wohnräumen… mit Kind und Kegel, in Stube und Küche… da verbrachte man doch lieber die wenige Freizeit in der Gastwirtschaft.

Die Kneipen der Jülicher Straße und ihrer Nachbarstraßen hatte neben dem Tagesgeschäft noch ein Ass im Ärmel: sie lagen nur einen Steinwurf vom Zentrum des Berliner Fußballs entfernt. Seit 1902 verpachtete der Gastwirt Josef Schebera Flächen am Bahnhof Gesundbrunnen an Sportvereine… es begann mit einer Eisbahn, dann kam BFC Hertha 1892 (heute Hertha BSC) und später die seinerzeit etwa gleichstarken „Nordens“… der heutige SV Norden-Nordwest (NNW). In den 1920-30er Jahren waren also gleich zwei Fußball Schwergewichte auf den Sportplätzen der Ecke Behmstraße/Bellermannstraße/Jülicher Straße zuhause. Der Glanz von NNW erlosch bereits in den 1930ern, Hertha dagegen feierte die deutschen Meisterschaften 1930 und 1931 zünftig vor Ort und spielte lokal gesehen noch bis Mitte der 1970er Jahre eine Rolle in der Gegend… das Ass im Ärmel der Wirte waren natürlich die durstigen Massen der Zuschauer vor und nach den Spielen… Zeitzeugen berichteten mir das kurz auf Sicht ordentlich vorgezapft wurde um den Ansturm zu bewältigen…

1919 übernimmt Wilhelm Puhle die Schankwirtschaft, er hatte vorher ein Lokal in der nahen Stettiner Straße 36.

In den kommenden Jahren wurde die Jülicher Straße weiter erschlossen, die Gesellschaft für Bahnen & Tiefbauten (ein Vorläufer der heutigen Gesobau AG) baute bis 1930 die Häuser Jülicher Straße 3 und 3a auf der einen , sowie 20 bis 29 auf der anderen Straßenseite (12 Aufgänge), die Reichsbank (ein Vorgänger der heutigen Bundesbank) baute die Häuser Nr. 7, 9 und 9a, die Gemeinnützige Märkische Baugenossenschaft errichtete die Häuser Nr. 6 und 6a… auch in den Nebenstraßen wurde fleißig gebaut… Das Gelände östlich der Jülicher Straße was heute im Besitz der Kolonie Sandkrug ist, sollte ursprünglich ebenfalls bebaut werden… Wirtschaftskrise und zweiter Weltkrieg verhinderten das.

Die Jülicher Straße um 1930 mit Tram. Neben der Litfaßsäule die Gastwirtschaft.

 

Seit 1933 wurde die Gaststätte unter dem Namen Berta Puhle betrieben. Berta führte das Lokal wie vorher ihr Mann Wilhelm – 14 Jahre unter ihrer Regie. In ihrer Zeit regierte Nationalsozialismus und zweiter Weltkrieg. Wedding und Gesundbrunnen waren zu dieser Zeit eher als Hochburg der Kommunisten bekannt (Roter Wedding)… über diese Zeit in Bezug auf die Gaststätte ist mir (bis jetzt) nichts bekannt. Erwin Puhle ist von 1948 bis 1953 verzeichnet… In welcher Konstellation die Puhles standen ist mir nicht bekannt, es sollte mich aber nicht wundern, wenn Erwin der Sohn von Wilhelm und Berta war… Fakt ist… das die Gaststätte mindestens 34 Jahre von der Familie Puhle geführt wurde… das ist mal eine Hausnummer… und nicht zu vergessen : in dieser Zeit war der zweite Weltkrieg und Berlin danach ganz tief am Boden…

Gastwirtschaft Berta Puhle in der Jülicher Straße 4 am 07.06.1942

Die Gegend um den Bahnhof Gesundbrunnen wurde im Krieg stark beschädigt. Viele Luftangriffe galten den Industriestandorten in der Brunnenstraße. Der Hochbunker mit Flakturm am Volkspark Humboldthain zog die Zerstörungen ebenfalls an. Viele Gebäude wurden zerstört und später durch Neubauten ersetzt. Die Jülicher Straße kam vergleichsweise glimpflich davon. Nur die Häuser Nr. 1 und 2 wurden Opfer des zweiten Weltkriegs. Auf den Grundstücken der zerstörten Häuser befand sich viele Jahre ein Gewerbehof für Brennstoffe, also Kohlen und Heizöl… aber auch ein Fuhrunternehmen der Brennstoffhändlerin Käthe Heinrich und ein Stand für Obst und Gemüse. In den 1970ern wurde eine Shell Tankstelle eröffnet und in den 1990ern wurde ein neues Wohnhaus auf der Fläche errichtet.

In der Nachkriegszeit gab es neben unserer Schultheißkneipe in der Jülicher Straße noch eine Gastwirtschaft in der Nummer 8 sowie das Hertha/NNW Kasino in der Nummer 14.

Ab 1954 war Frieda Ziegan als Gastwirtin verzeichnet. Unter der Adresse Jülicher Straße 4 firmierte anfangs ebenfalls ihr Ehemann Paul Ziegan mit seiner Schneiderei. Nach Aussagen eines ehemaligen Gastes war die Gaststätte im hinteren Bereich zu einer Schneiderei umfunktioniert worden… wer also auf die Toilette wollte, ging durch einen schweren Vorhang der den Laden abtrennte und lief durch die Schneiderei zum WC. Ziegan führte die Gastwirtschaft bis 1960.

Bis zum Mauerbau 1961 war die Gegend um den Bahnhof Gesundbrunnen ein sehr lebendiges Viertel, besonders rund um die Bad- und Brunnenstraße. Viele Einwohner aus dem nahen Ostsektor nutzten die zahlreichen Einkaufsmöglichkeiten am Gesundbrunnen… der Bahnhof war ein Drehkreuz von Personen und Waren Berlins und des Umlandes… die Badstraße wurde sogar als „Ku-Damm des Nordens“ bezeichnet… Das alles änderte sich ab dem 13.08.1961 schlagartig, die Mauer wurde gebaut und besonders der östliche Teil des Gesundbrunnens rund um die Jülicher Straße wurden zum Stadtrandgebiet… offizielle Bezeichnung : Westberliner Sektorenrandgebiet… und das sollte die Gegend für die nächsten 40 Jahre prägen…

1961 – 1968 ist Maria Höpfner als Gastwirtin verzeichnet. Quellen dazu sind die Berliner Adressbücher und Telefonbücher… 1969 und 1970 fehlen (zumindest derzeit) Aufzeichnungen über Besitzer des Lokals. Die Jülicher Straße war zu dieser Zeit eine kleine unbedeutende Straße nahe der Berliner Mauer. Der Bahnhof Gesundbrunen war nur noch Haltepunkt von U- und S-Bahn (ohne Ringbahn).

Wer ab 1971 die Telefonnummer 030-4619311 wählte, der wurde mit der Gaststätte von Günter und Rosemarie Kaßan verbunden. Das Ehepaar was auch in der Jülicher Straße wohnte, führte die Schultheiß-Kneipe 10 Jahre lang.

Bauern Stube Silvester 1983-84

1981 entstand ein Mietvertrag zwischen dem Vermieter Peter Haltenhoff und Horst Siebrand, welcher die Gaststätte bis 1999 verpachtete.
1981 bis 1996 wurde die Schankwirtschaft an Monika John verpachtet, die letzten ca. 2 Jahre an deren Sohn Michael John.

Am späten Abend des 09.11.1989… es war ein stinknormaler Donnerstag… kurz vorm Schließen der Kneipe, kamen plötzlich Leute aus dem Ostteil in den Laden… gerade war die Mauer an dem Grenzübergang Bornholmer Straße gefallen… die erste Kneipe die auf dem Weg in die neue Freiheit von der Bornholmer Straße aus zu sehen war, war die Gastwirtschaft von Monika John… quasi erste Kneipe der Freiheit (!)… ich habe noch viele Leute kennenlernen dürfen, die von einer rauschenden Nacht berichteten…

In den 1990er Jahren zog der Dartsport in die Bauernstube ein. Es gründeten sich verschiedene Mannschaften für den traditionellen Steeldart, es gab häufig Turniere, einige Gäste spielten in der Bundesliga. Das Lokal hieß „Bauernstube“ und war immerhin auch 15 Jahre Familienbesitz…  danach folgten einige kurze Gastspiele :

1997 Rita und Herbert Tomberger
1998 Silvia Hoffmann
1999 Jürgen Wiek und Andreas Herrmann. Unter letzteren entstand der Name „Offside“ und die Weichen von der Schultheiß-Kneipe zum Pub wurden gestellt… Fußballübertragungen wurden eingeführt.

Das Offside im Jahr 2000. Die Außenreklame stammt noch vom Vorgänger.

2000 : Am 01.03.2000 übernahm Lars Pechmann (…ja, das bin ich)…das Lokal. Die ersten Jahre wurde versucht Livemusik zum erfolgreichen Repartoire zu machen, was aber nicht gelang… auch wegen Ärger bezüglich der Lautstärke…  Steeldart war weiterhin beliebt aber nur noch just for fun… Die ersten 10 Jahre waren wirklich keine Erfolgsgeschichte, trotz des Mauerfalls war die Gegend wenig attraktiv, der Laden ein paar hundert Meter weiter Richtung Prenzlauer Berg wäre sicher erfolgreicher gewesen. Zum Glück ändern sich die Dinge in einer Stadt wie Berlin auch ab und zu mal… der Bahnhof Gesundbrunnen wurde mit Ringbahn und Fernverkehr wieder zum beliebten Verkehrsknotenpunkt und viele Leute bemerkten, das es sich in unserer Gegend auch gut und vor allem zentral leben lässt… und so änderte sich die Zusammensetzung der Einwohner und das vor allem zum Vorteil des Pubs. Der Name Offside wurde 2003 mit „Pub & Whisky Bar“ ergänzt… Whisky wurde zu einem neuen Schwerpunkt. Es etablierten sich Whiskytastings und ein Whisky Stammtisch. 2015 wurde das Offside mit dem Titel „Germanys Best Whisky Bar“ ausgezeichnet.

...2015 gabs eine Auszeichnung für die Whiskysammlung...
20 Jahre Offside am 01.03.2020

Noch vor den Feierlichkeiten des 10jährigen Jubiläums wären hier beinahe die Lichter ausgegangen… zum Glück trat Nina, meine heutige Ehefrau auf die Bildfläche und mit nunmehr gemeinsamer Arbeit konnte das Projekt gerettet werden. Seitdem laufen einige Sachen anders und vor allem erfolgreich. Inzwischen sind wir ein Team von 6 Leuten… Xander ist sogar schon über 10 Jahre dabei…eine Ewigkeit in der Branche…

Die Jülicher Straße liegt nun nicht mehr am Stadtrand… man kennt sie hauptsächlich als Durchfahrtsstraße zwischen der Bornholmer Straße und dem Gesundbrunnencenter. Vom Wesen her hat sie sich wenig verändert, außer vorne rechts… das ehemalige Hertha/NNW Kasino wurde nach Jahrzehnten des Verfalles zum Hostel umgebaut. Auf den Fundamenten einer Bauruine aus den 1990ern entstand daneben ein Hotel und ein Haus mit Studentenapartments… nicht die schlechteste Option für das Umfeld.

Am 01.03.2020 konnte das 20. Jubiläum gefeiert werden… wenige Tage später kam die Coronakrise und das Lokal mußte über mehrere Monate geschlossen werden. Seit Juni 2020 ist das Offside auch offiziell Nichtraucher Bar. Im Juni 1921 ging der Barbetrieb mit strengen Corona Auflagen weiter. 2023 mußte das Offside an mehreren Wochen zwei Tage  schließen da ein akuter Personalmangel bestand. Vorläufig (Stand Mitte 2024) bleibt mit Sonntag ein fester Schließtag bis auf weiteres erhalten. Seit Mitte Juli 2024 werden keine Sportveranstaltungen wie Fußballspiele mehr im Offside gezeigt, Grund davon sind ausufernde Kosten.

Musik 2021

BEST OF 2021 - TOP 10

PLATZ 10 : IDLES  „Crawler“

…auch der Nachfolger vom letztjährigem Album „Ultra Mono“ hat es wieder in meine Top 10 geschafft… diesmal nicht ganz so offensiv und weniger politisch, trotzdem fast durchgängig rabenschwarze Stimmung mit richtig dröhnenden Bässen. Mit der Single „The Beachland Ballroom“ kommt sogar etwas Soul ins Spiel und man staunt wie Joe Talbot singen kann…

PLATZ 09 : DEAN WAREHAM „I Have Nothing To SayTo The Mayor Of LA“

Die Stimme von Dean Wareham verfolgt mich mittlerweile auch schon gut mein halbes Leben… erst bei Galaxie 500, vor allem mit Luna aber auch zusammen mit seiner Frau Britta Philipps… nun solo, aber natürlich mit Band und so klingt auch alles sofort vertraut. Warehams Stimme gibt einen ein heimeliges Gefühl und „Cashing In“ ist ein Popsong für den viel bekanntere Musiker töten würden…

PLATZ 08 : QUIVERS „Golden Doubt“

Quivers sind Australier… zwei Frauen, zwei Männer : Schlagzeug, zwei Gitarren, Bass und jeder singt… sie haben das Album „Out Of Time“ von R.E.M. als Ganzes gecovert… nicht die schlechteste Wahl was Einflüsse der Band angeht, viel näher aber stehen Quivers in der Tradition einer anderen australischen Band : The Go-Betweens. Das wiederum war immer eine meiner liebsten Bands… schön das sich noch jemand um diese Musik kümmert…

PLATZ 07 : SOPHIA KENNEDY „Monsters“

Ein Album was man schwer mit einem Satz erklären kann… Beats, Jazz, Cabaret, Electronic, Pop ?… irgendwie von allem etwas, manche Stücke sind spooky dunkel, bei anderen wippt das Tanzbein… tolle zweite Platte der Deutschamerikanerin.

PLATZ 06 : INTERNATIONAL MUSIC „Ententraum“

Für mich das beste deutschsprachige Album 2021… viel gaga, aber coole Musik… wer braucht noch Tocotronic ?

PLATZ 05 : MASTODON  „Hushed And Grim“

Kaum eine Band von der eher harten Seite des Rock begeistert mich in den letzten Jahren wie Mastodon. Ihr aktuelles Doppelalbum ist freilich keine leichte Kost und will Stück für Stück erkundet werden… und das lohnt sich, alle vier sind sehr gute Musiker, Songwriter und Sänger… am Ende passt das auch gut zusammen… irgendwo auf halben Weg zwischen Progrock und Metal.

PLATZ 04 : MOGWAI  „As The Love Continues“

Vieles was gerade von Mastodon geschrieben wurde trifft auch irgendwie auf Mogwai zu… nur sind die eher im Postrock zuhause und Gesang kommt bei der Band eher selten vor… entscheidend ist der Sound, die Atmosphäre… was sie live fast unsterblich macht. Ein weiterer Meilenstein in der Discographie der Schotten…

PLATZ 3 : KILBEY KENNEDY  „Jupiter 13“

Steve Kilbey muß ich glaube ich an dieser Stelle nicht erst vorstellen, schließlich ist er seit 40 Jahren Frontmann meiner Lieblingsband The Church. Die Band pausiert derzeit, neues Material (es soll wohl die letzte Platte werden) soll 2022 kommen. Das Konzeptalbum „Jupiter 13“ was er mit Martin Kennedy (All India Radio) aufgenommen hat, ist aber kein bisschen schlechter als ein The Church Album.  Es gibt eine Story welche man in diesem Video erfahren kann… aber keine Angst… es ist nix abgedrehtes oder irgendwas was einem überfordern könnte… nur gewohnt sehr gute Songs. Im Titelstück spielt mein Freund Stefan Horlitz ein Pianosolo… es ist der einzige Song mit Überlänge und er bringt vieles von der Platte auf den Punkt.

PLATZ 02 : DEAFHEAVEN  „Infinite Granite“

Deafheaven kannte ich bereits vom Hörensagen… hab auch mal hie und da in die Alben reingehört… da war vieles gut und interessant von der Musik her… nur das Gegröhle des Sängers war dann schon zu viel für mich… war halt Black Metal mit einem Hauch Shoegaze… Als drei Vorabsongs vom neuen Album veröffentlicht wurden war ich dann verblüfft… nach ein paar Takten fing jemand an ganz normal zu singen… und das zu bester Dreampop / Shoegaze Mischung mit nur noch kleinen Klecksen von Metal. Man nehme eine Mischung aus Slowdive, Ride und Mogwai… und heraus kommt „Infinite Granit“… die Metalfans waren übrigens weniger begeistert… für mich war es die zweitbeste Platte des Jahres.

PLATZ 01 : FRØKEDAL & FAMILIEN  „Flora“

Auf Anne Lise Frøkedal stieß ich 2018 zum ersten mal im Autoradio, es lief die Single „Believe“ bei radioeins (wo sonst…), schnell fand ich Gefallen an der poppigen Folknummer und auch Jahre später noch ist dieser Song der meistgespielte Song im Offside. Weitere Singles wie „I Don’t Care“ oder „Treehouse“ wurden ebenfalls Offside Playlist-Hits. Anfang dieses Jahres kam nach über zwei Jahren endlich ein Lebenszeichen der Norwegerin, die Single „Søn“… sie passte in die Zeit, der zweite Lockdown war im vollen Gange, das Offside im Dornröschenschlaf und draußen alles grau und dunkel… etwa wie in Norwegen zu dieser Jahreszeit auch… nur war dieses Jahr nicht das Wetter das Problem… „I’m letting go to the sunlight“… musikalisch recht nahe am Stil ihrer Band I Was A King… Gitarrenpop a la Teenage Fanclub oder Robyn Hitchcock… mit beiden ist man freundschaftlich verbunden und musiziert gelegentlich zusammen.

Gut einen Monat später kam das zweite Stück des Albums raus, es heißt „Takedown“ und war bei mir Liebe auf dem ersten Takt… viel ruhiger als „Søn“, aber filigraner und die absolute Illustration des Lockdowns… zumindest in meinem Kopf. Das Video dazu zeigt die Band (man nennt sich neuerdings Frøkedal & Familien) bei der Aufnahme des Songs… alle Stücke wurden live im Studio in 10 Tagen eingespielt. Bereits im März war ich der Meinung nach „Takedown“ kann dieses Jahr eigentlich nix mehr kommen… mit dem Lied bin ich eingeschlafen und wieder aufgewacht… warscheinlich war es die ganzen Nächte an…

Wieder einen Monat später (mittlerweile April) kam das dritte Lied in die Öffentlichkeit : „Set Your Spirit Free“… und siehe da… draußen wurde Frühling und ein Ende der dunklen Zeit schwebte am Horizont… das Lied selbst sprüht auch nur so von Optimismus… es ist recht folkig und steigert sich von Strophe zu Strophe zu einer Mitsinghymne… in einer gerechten Welt wäre der Song ein Hit in den Charts… Kurz darauf kam dann im Juni das Album… ich war mir eigentlich sicher das mit den drei Mega Vorabstücken schon alles erzählt ist… aber es gab dann tatsächlich noch einen Song darauf, der mich nochmal genau so mitgenommen hat wie „Takedown“… es ist das Titelstück „Flora“. Beim ersten Durchlauf fiel mir noch nicht einmal auf, das hier norwegisch gesungen wird… der Song hat eine wunderbare Leichtigkeit und Frische… man hört jedem Musiker die Spiellaune an… plötzlich stand der Sommer vor der Tür und der blöde Lockdown war nach 7 Monaten zu Ende. Das Album „Flora“ hat 10 Songs… davon sind 3 Stücke Monsterhits (leider nur in meinem Kopf)… aber auch der Rest kann sich hören lassen… „Treasure“ zum Beispiel… ein etwas bluesiges Stück mit einer Mords-Orgel… oder „Lonely Robot“… was nicht weit von „Set Your Spirit Free“ entfernt ist und mit Bläsern aufwartet… „Familiar“ ist eine E-Gitarren betonte flotte Indie-Rocknummer… der Rest eher ruhigere Folkmusik. Ich höre das Album jetzt im Dezember immer noch häufig und seit Jahren gab es keine Platte mehr, die sich den Titel „Album des Jahres“ mehr verdient hat. Vielen Dank für musikalische Ausnahmebegleitung in diesem zweiten Seuchenjahr Anne Lise Frøkedal & Familien. Tusen takk.

Mixtape 21*Chosen (Best Of 2021)

Zum Jahreswechsel nochmal eine Best Of Compilation aus den 6 21’s Choice Samplern…

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Mixtape 21's Choice # 6

Nummer 6 schließt den 21er Reigen mit vielen neuen Acts sowie ein paar schon fast vergessenen Protagonisten der 1980er… oder wer hätte schon gedacht das Tears For Fears noch ein neues Album bringen (was aber erst 2022 erscheint)… oder Midnight Oil… eine meiner Lieblingsbands dieser Zeit… The Fixx dagegen hatte ich fast völlig vergessen da ich sie damals eher am Rand wahrgenommen habe, aber „Wake Up“ ist ein starker neuer Song den ich ihnen garnicht zugetraut hätte. Musa Dagh ist eine Art Supergroup deutscher Indie Musiker z.B. von Blackmail oder Beatsteaks… ziemlich durchschnittliches Album… toller Song („Plural Me“). Dann gibt es Vorboten auf Alben die Anfang des kommenden Jahres anstehen wie z.B. Blood Red Shoes, Superchunk und Johnny Marr. Am Ende geht es in Richtung Dreampop mit den Schweden Makthaverskan und Blushing (unterstützt von Lush’s Miki… und das hört man…) bevor uns Beach House ganz warm und flauschig aus dem Jahr entlassen. Es wird noch eine Best Of der 6 Sampler geben, die dann aus den 126 Songs die besten 21 filtern… Titel : „21’s Chosen“

…ob ich nächstes Jahr mit 21 oder 22 Songs weitermache weiß ich noch nicht… aber die Serie geht weiter…

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Mixtape 21's Choice # 5

…#5 ist ein schönes Stück Herbstmusik geworden… beginnen tut es mit einem kleinen Herbststurm… Public Service Broadcasting mit einem Koffer in Berlin, Alex Lahey mit einem zackigen Stück Powerpop, Biffy Clyro und My Morning Jacket mit recht rockigen Stücken… danach wird es ruhiger, Dreampop und 60’s influenced Gitarrenpop übernimmt das Ruder… es gibt neues von Film School, den The National nahestehenden The Slow Show und herrliche Melancholie von Dean Wareham (ex-Galaxy 500, Luna, Dean & Britta)… der Song erinnert an die seligen Go-Betweens, als würde Robert Forster einen Song von Grant MacLennan spielen… Es folgt ein Cover von Televisions „Days“ von Real Estate. Keine 21’sChoice ohne Anne Lise Frøkedal, diesmal zusammen mit ihrer Band I Was A King die, weil sie es können, mal ihr Archiv plündern und dabei Stücke wie dieses oder auch Songs die sie mit Robyn Hitchcock und Norman Blake vom Teenage Fanclub aufgenommen haben zu Tage fördern … wer hat der hat… ähnlich herbstlich geht es auch mit Neuheiten von von Shout Out Louds und Band Of Horses weiter. Hearts Hearts sind eine Neuentdeckung aus Österreich, dann neues von Mitski und Tori Amos. Loma ist ebenfalls eine Neuentdeckung… Brian Eno soll großer Fan sein…, dann wird es etwas elektronisch mit den Australiern von Black Cab und dann wieder rockig mit Johnossi, den ewigen Guided By Voices, Frank Carter & The Rattlesnakes und Mostodon… den Schlußpunkt setzen Madrugada aus Norwegen mit einem gewohnt majestetisch erhabenen Song, gesungen wie immer von ihrem Ausnahmesänger Sivert Høyem… danach kann nichts mehr kommen… dicke Socken an, Kamin anfeuern, Wein und Whisky auf den Tisch und während diesem Sampler die Blätter vom Baum fliegen sehen… so würde ich es zumindest empfehlen…

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Mixtape 21’s Choice # 4

…schon ist der Sommer wieder so gut wie vorüber… zu den beiden bisherigen Kandidaten für das Album des Jahres (Frøkedal & Kilbey Kennedy) kommt nun noch ein weiteres Album… das aktuelle Album der Ex- Black Metal Band Deafheaven ist eine Platte wo ich fast die Vermutung habe : da wussten welche, was ich gerade gerne hören möchte… und das alles mit Gesang statt dem früheren Gebrüll… Los geht es aber mit einem hymnischen Auftakt von (British) Sea Power, deren Album kommt allerdings erst nächstes Jahr… auch sie lassen die elektrischen Gitarren in den Himmel wachsen… guten Flug…

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Mixtape 21's Choice # 3

…Mixtape Nummer 3 dieses Jahres ist für mich ein wenig nach dem Motto „Wenn die Nacht am tiefsten ist ist der Tag am nächsten“ (frei nach Ton Steine Scherben)… quasi nach all den dunklen Wochen von Lockdown und Stillstand ist ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen… Ende Mai konnten wir erst den Aussenbereich, kurz später auch den Innenbereich des Offside öffnen… für mich sogar Grund den berüchtigten Coronabart abzunehmen… Musikalisch wieder eine schöne Mischung… mittlerweile sind die Alben von Frøkedal und Kilbey Kennedy so groß geworden, das sie aus der Top 5 des Jahres kaum noch zu verdrängen sein dürften… Viel Spaß beim Nachhören…

 

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Mixtape 21's Choice # 2

…man sollte eigentlich denken das die Pandemie unendlich viel Zeit für unglaublich viel neue Musik bietet… nun ja, von der möglichen Zeit mag das auch sein… aber von der Magie definitiv nicht. Wenn ich die letzten Jahre und Jahrzehnte zurückblicke so fällt auf, das die erfolgreichsten Sachen um irgendwelche Ereignisse oder spezielle Zeiten gebaut sind… Urlaub, Reisen, Personen… in der Regel alles mit Alleinstellungsmerkmalen. In Zeiten von Corona gibt es das nicht… Zuhause, Garten, das seit 6 Monaten geschlossene Geschäft… Musik ist da, aber unterlegt nur den eher tristen Alltag. Am besten spiegelt das derzeit ein Song der von mir sehr geschätzten norwegischen Singer/Songwriterin (Anne Lise) Frøkedal wieder : „Takedown“ spricht mit allem genau das aus und ist dazu noch der Song der abends beim einschlafen noch da ist und dann den nächsten Morgen freundlich guten Morgen wünscht… Die Künstlerin trifft nicht zum ersten mal in die Vollen… in meinem Kopf …der Song hat gute Chancen auf den Titel „Song des Jahres“… auch wenn er erstmal wie eine gewöhnliche Folkballade daher kommt. Neues kommt von alten Bekannten… Piroshka (ex-Lush), Teenage Fanclub, The Coral, Dinosaur jr. die ewigen Guided By Voices (33. Studioalbum und jedes davon hat etwa 20 Songs…), einiges neues von Künstlerinnen wie Ziegenmädchen und Mädchen in Rot…  und Dinge aus dem Umfeld meiner Lieblingsband The Church : Moat ist ein Projekt von Marty Willson-Piper (Gitarrist von 1981-2012), hinter Iris Doe steht Neumitglied Jeffrey Cairn (ex- Remy Zero) und hinter Kilbey Kennedy natürlich Boss Steve Kilbey und Martin Kennedy (ex- All India Radio). Ausgewählt habe ich den Titletrack des neuen Albums „Jupiter 13″… ein Song mit einem ziemlichem Pink Floyd Einschlag… neuneinhalb Minuten lang und in der Mitte ein Pianosolo von meinem guten Freund Stefan Horlitz… für die Whiskyfreunde die hier mitlesen : das ist auch der Künstler der letzten Offside Whiskyabfüllungen bzw. deren Labels… endlich mal verdienter Ruhm mit großer Musik…

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Mixtape 21's Choice #1

…neulich beim aufräumen… oder nennen wir es lieber rumkramen (weil besser sieht es noch immer nicht aus…) fand ich eine Schachtel voller Papier. Es war eine Sammlung mit hunderten Notizzetteln, die ich ca. …hmmm etwa 15 Jahre geschrieben und gesammelt habe… für Musik die ich für andere Leute aufgenommen habe… Mixtapes… später auch MixCD’s (das Wort gabs glaub ich nicht)… ich habe für manche Leute die vielen Zettel zusammengeklammert… manche hab ich in Briefumschläge mit Namen der Empfänger gesteckt… ich wollte halt nicht, das ich Songs doppelt verteile. Es gab so einige Leute, die mochten meine Sampler sehr gerne, mit manchen habe ich mich auch gegenseitig ausgetauscht, aus manchen Mixtapetauschereien wurden langjährige Freundschaften, es entstanden sogar Liebschaften, an manche Leute kann ich mich heute aber auch nicht mehr erinnern… in jedem Falle hatte mir das verdammt viel Spaß gemacht. Als die Zeit der Musikkassette vorbei war und ich noch keinen Sinn für Computer hatte (wir reden von Mitte der 1990er), kaufte ich mir einen Audio CD Brenner… ich hatte 2 CD Player und ein Mischpult zum geschmeidigen Überblenden der Songs… irgendein kreatives Cover musste es in der Regel auch sein… ach hätte ich damals schon einen Computer gehabt… da wären bestimmt super Sachen bei rausgekommen… Irgendwann änderten sich die Zeiten, Tonträger braucht heute kein Mensch mehr (ich rede nicht von Vinyl… ich weiß das ist wieder etwas besonderes)…,  zumindest im Alltag nicht… und mir fehlt es manchmal, mich mit einem Bier (…eins ist natürlich quatsch…) und einem Dram mit Kopfhörer hinzusetzen und jemanden ein neues Mixtape mit den neuesten Errungenschaften aufzunehmen… 2021 hat man jede Neuerscheinung auf der Streamingplattform seiner Wahl und man muß nicht erst in ein Geschäft gehen und für viel Geld eine Single oder ein Album kaufen… vor 25 Jahren ein Traum… geblieben ist eine Wand im Zimmer mit ca. 2 x 4 m CDs und Vinyl… trennen werde ich mich davon nicht…

…kennen die wenigsten… ein Teil meines Zimmers…

 

Im Prinzip ist es ja heute einfacher als je zuvor ein Mix(tape/CD) zu erstellen, für jedermann mit Internetempfang erreichbar… ok nicht mehr so individuell, schließlich hab ich ja früher schon drauf geachtet was der Empfänger mag oder auch nicht… ich hab heute mal eine Auswahl von Sachen getroffen, die gerade erst erschienen sind und die ich gerade täglich höre… sogar mit Cover… ein Tribut an das gute alte Mixtape…

…damit man bei dem Cover nicht nur etwas zum anschauen hat, gibts auch was auf die Ohren… und zwar hier:

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Spotify …passt theoretisch auf eine CD und zwei Kassetten…

Wedding und Gesundbrunnen… Geschichte, Bauten, Stories

Hier gibt es eine kleine Geschichtsstunde über Wedding und Gesundbrunnen, die Jülicher Straße und das Lokal in der Jülicher Straße, was heute das Offside ist. Die Geschichte der Stadtteile ist natürlich nicht vollständig, das würde den Platz hier sprengen …nach und nach wird hier aber auch ergänzt…

 

Wedding und Gesundbrunnen

Wedding und Gesundbrunnen bei Berlin im Jahre 1798... noch nicht viel los...

1251 : Erste urkundliche Erwähnung von „…eine Mühle im Gebiet des Dorfes, welches Weddinge hieß, am Flusse Namens Pankow erbaut…“ Namensgeber war ein gewisser Rudolphus de Weddinge, er war es wohl der das Dorf anlegte… er selber war ein Burgmann… Krieger… Ritter. Es wird vermutet das er dem Markgrafen von Brandenburg diente indem er mit einigen Bauern ein Sicherungstrupp im Hinterland der Flussübergänge von der Havel (bei Spandau) und der Spree (bei Berlin) stellte. Warscheinlich existierte das Dorf nicht lange… warum auch immer… erst um 1600 gab es Nachweise vom Vorwerk Wedding in der Gegend der Reinickendorfer Straße.

1748 : erste urkundliche Erwähnung einer eisenhaltigen Quelle zwischen Panke und heutiger Badstraße

Darstellung vom Gesundbrunnen (spätes 18.Jh) auf 1920er Geldscheinen

1758-1760 : Der Hofapotheker Wilhelm Behm errichtet, teils mit königlichen Fördergeldern eine Anlage um die Quelle… vorläufiger Name : „Friedrichs-Gesundbrunnen“
1808 : Erwerb der Quelle durch Christian Gottfried Flittner. Umbenennung in „Luisenbad“ (nach Königin Luise)
um 1876 : Die Eigentümer Carl und Emil Galuschki errichteten repräsentative Gebäude um die Quelle welche sich in einem kleinen barocken Pavillon befindet, mit dem Namen „Marienbad“. 1891 wurde die Quelle bei Kanalisationsarbeiten beschädigt, 1908 wurde der Pavillon abgerissen.

Das Brunnenhäuschen am Gesundbrunnen ca. 1900

1861 : Wedding und Gesundbrunnen werden in Berlin eingemeindet. Das Gebiet um Marienbad und Badstraße wird zum Ausflugs- und Vergnügungsviertel. Die Badstraße wird zur beliebten Einkaufsmeile.

Ende 19.Jh. : Wedding und Gesundbrunnen wird dicht besiedelt. Es entsteht ein Arbeiterbezirk mit Industriestandorten wie AEG und Mietskasernen im Brunnenviertel, z.B. Meyers Hof in der Ackerstraße mit 5 Hinterhäusern für zeitweise 2100 Menschen.

1820 : Einwohner von Wedding & Gesundbrunnen : 350 Einwohner
1866 : Einwohner von Wedding & Gesundbrunnen : 17.000 Einwohner
1900 : Einwohner von Wedding & Gesundbrunnen : 140.000 Einwohner
1914 : Einwohner von Wedding & Gesundbrunnen : 251.000 Einwohner
1930 : Einwohner von Wedding & Gesundbrunnen : 361.000 Einwohner

Meyers Höfe ca. 1910. Foto : Willy Römer

1933-1945 : In der Zeit des Nationalsozialismus war Wedding und Gesundbrunnen Ort des antifaschistischen Widerstandes und kommunistische Hochburg (Roter Wedding).
Durch die Industriestandorte und dem Hochbunker mit Flakturm im Humboldthain wurde die Gegend Ziel zahlreicher Bombenangriffe.

1945: Stunde Null am Bahnhof Gesundbrunnen

nach 1945 : Nach dem Krieg gehörte der Bezirk zur französischen Besatzungszone.
Durch die grenznahe Lage zum Ostsektor wird die Badstraße zu einer der beliebtesten Einkaufsboulevards Berlins. Nach dem Mauerbau 1961 war das schnell vorbei. Der Ortsteil Gesundbrunnen war bis 1989 etwa um die Hälfte von der Mauer umschlossen und wurde zum Stadtrand von Westberlin.
In den 1970- und 80ern wurden ganze Straßenzüge abgerissen und mit zeitgenössiger Architektur bebaut (Kahlschlagsanierung)
Am 09.11.1989 öffnete am Grenzübergang Bornholmer Straße als erstes die innerdeutsche Grenze. 

Grenzverkehr nach Mauerfall 10.11.1989

2001 wurden die Bezirke Wedding, Tiergarten und Mitte zum Stadtbezirk Mitte vereinigt. Wedding und Gesundbrunnen sind seither nur noch Ortsteile.

Das Wappen des Stadtbezirks Wedding (1955-2001)

 

Verkehr am Gesundbrunnen

1900 : Der Bahnhof Gesundbrunnen entsteht als Fern- Vorort- und S-Bahnhof.
1930 : Gesundbrunnen wird Endpunkt der U-Bahn Linie Gesundbrunnen – Neukölln (heute U8).

1902-1905 : Bau der 228 m langen Swinemünder Brücke (im Volksmund : Millionenbrücke)
1913-1916 : Bau der Hindenburgbrücke (heute Bösebrücke) in der Bornholmer Straße.

Der Bahnhof Gesundbrunnen 1935. Im Hintergrund das Kino Lichtburg.

Hertha an der Plumpe

Hertha Fußballspiel im Stadion am Gesundbrunnen um 1930, im Hintergrund die (heutige) Bösebrücke und die Schule in der Ellerbecker Straße.

1902 : Eröffnung des Schebera Platz zwischen Jülicher- und Behmstraße.
1904 : BFC Hertha 1892 (heute Hertha BSC) siedelte sich auf dem Schebera Platz an. Der Platz wurde das Fußballzentrum des Berliner Nordens. 1923 erwarb der Verein SV Norden-Nordwest (NNW) das Gelände und Hertha errichtete auf der anderen Seite der Behmstraße das Stadion am Gesundbrunnen. 1924 errichtete NNW das Kasino an der Jülicher Straße 14.
1930 und 1931 feierte Hertha die deutsche Meisterschaft am Gesundbrunnen.
Im zweiten Weltkrieg wurde das Stadion stark beschädigt und 1974 abgerissen. Auf dem ehemaligen Schebera Platz spielt bis heute NNW. Er ist Deutschlands ältester noch existierende Vereinsspielplatz.

Musik 2020

…Musik im Seuchenjahr… da gab es theoretisch mehr Zeit zum Musik hören als in anderen Jahren… theoretisch zumindest… in der Praxis war das allerdings weniger so… es gab viel weniger Gelegenheit mit anderen Leuten etwas zu hören und sich gegebenenfalls darüber auszutauschen… so war 2020 musikalisch nur ein Jahr wie viele anderen auch… bei mir zumindest… Hier folgen in den nächsten Tagen einige Schönheiten des Jahres… musikalischer Art…

BEST OF 2020 - TOP 10

PLATZ 10 – FONTAINES D.C. – „A HERO’S DEATH“

Düsteres zweites Album der Band aus Dublin City (D.C.)… überwiegend tiefer gelegte E-Gitarren mit senorem Gesang von Sänger Grian Chatten… gelegentlich auch als Sprechgesang… ziemlich unterkühlt aber ein faszinierendes Stimmungsbild tut sich da im Kopf auf…

PLATZ 9 – THE PSYCHEDELLIC FURS – „MADE OF RAIN“

…tjaja die Psychedellic Furs… die mochte ich früher sehr gerne, die ersten vier Alben und auch noch das letzte von 1991… dazwischen war einiger Mainstream-Murks. Gegründet wurde die Band bereits 1977. Seit ein paar Jahren geht meine Lieblingsband The Church öfters mit den Furs auf US Tournee, das trägt schließlich etwas zum Einkommen bei… Der Unterschied zwischen den beiden Bands ist jedoch, das Stand 2019 die Furs 7 Alben und The Church etwa 20 Alben veröffentlicht haben… eine aktive Band mit einer Museumsband unterwegs… nun gut, das ist jetzt vorbei, das neue Material ist insgesamt gut, sie sind deutlich wieder zu erkennen und es sind etliche sehr gute Songs dabei und das ist auch sehr erfreulich… ein Geniestreich ist das Album aber auch nicht… öfters musste ich denken : dafür haben die fast 30 Jahre gebraucht ? Egal… welcome back..

PLATZ 8 – FLEET FOXES – „SHORE“

Pünktlich zum Herbst gab es neues von den Fleet Foxes, dieser Band bei der ich an bärtige Hipster mit mehrstimmigen Gesang denke… Folkrock ist das… und das aus Seattle… der Stadt des Grunge… sehr schön das ganze, kuschelweich und sympatisch… wie ein guter Whisky am Lagerfeuer…

PLATZ 7 – IDLES – „ULTRA MONO“

…ähnlich wie bei Fontaines D.C. ist die Stimmung auf der dritten Idles Platte nicht gerade im Gutelaune-Modus…hämmernde Bässe und schneidende Gitarren, dann der oft wütende Sprechgesang… die Songs heißen „War“, „Anxiety“ oder „Kill Them With Kindness“… alles ist politisch und die Welt ist schlecht… fast so wie im richtigen Leben… hat mir viel Spaß gemach… diese Platte… in diesem Jahr.

PLATZ 6 – STEVE KILBEY & GARETH KOCH – „CHRYSE PLANITIA“

Steve Kilbey ist sowas wie mein großer musikalischer…hmmm… wie soll ich sagen… Gott ? …vielleicht schon, ist er doch Kopf meiner Lieblingsband The Church und auch Protagonist vieler toller Sachen außerhalb der Band… dazu noch ein sehr umgänglicher, kluger und netter Typ. Während die neue Church Platte noch auf sich warten lässt, kamen 2020 gleich vier Alben raus, die zumindest seine Beteiligung haben. Da wäre zum einen „11 Women“ in dem es um…ihr erratet es… Frauen geht (hat die Top 10 knapp verfehlt),  dann gab es eine Kollaboration mit der australischen Chanteuse Kate Ceberano und Sean Sennett „The Dangerous Age“ und zwei Alben mit Gareth Koch, einem Spezialisten für klassische Gitarre. Eines davon, nämlich „Songs From Another Life“ blieb mir irgendwie fremd, das andere „Chryse Planitia“ dagegen mochte ich sehr… auch wenn es „Nur“ Platz 6 ist. Bei manchen Songs fühlt man sich in die Vergangenheit bebeamt… bei „Stay Where You Are“ landet man direkt im Jahr 1982 auf dem Church Album „The Blurred Crusade“ und dem Song „Almost With You“… Retro ? …klar… aber sehr gut !

PLATZ 5 – HUM – „INLET“

Hum aus Illinois gibt es bereits seit über 30 Jahren, sie hatten wohl 1995 einen kleinen Hit mit dem Song „Stars“ den ich vorher allerdings nie gehört habe… genau so wenig wie die Band überhaupt. Die Zufallsentdeckung Hum macht Spacerock, Shoegaze… mit ziemlich tiefgelegten Gitarren und einer ordentlichen Dröhnung… eine Melange aus Bailter Space, Swervedriver und Killing Joke… aber alles mit sehr entspannten Vocals. .. lost in space… Der Song „In The Den“ ist mein zweitliebster Song des Jahres.

PLATZ 4 – EVEN AS WE SPEAK – „ADELPHI“

Even As We Speak aus Sydney gibt es auch bereits seit 1986. Sie waren auf dem legendären Sarah Label beheimatet, genau wie Field Mice oder Secret Shine… der Stil nannte sich c-86. 1993 hatte EAWS einen kleinen Hit mit „Drown“ …etwas zu poppig für mich zu dieser Zeit und die Band leider nicht weiter beachtet. 2020 nun das Comeback mit neuem Album und sehr guten Singles… klar ist das immer noch sehr poppig, aber mit Gitarren und das sehr gut… keine Ahnung was ich damals da gehört hab… ich habe mir die alten Sachen nochmal angehört… und – nein… das ist großartig… welch großer Fehler, diese Band nicht weiter zu verfolgen… allerdings kam danach auch lange nichts mehr. Ich hoffe sehr das es weitere Platten dieser sympatischen Band um die Krankenschwester Mary Wyer geben wird… und werde sie genau verfolgen. Ehrenwort.

PLATZ 3 – ALEX THE ASTRONAUT – „THE THEORY OF ABSOLUT NOTHING“

Auch Platz 3 kommt aus Sydney, es handelt sich um das Debutalbum von Alexandra Lynn aka Alex The Astronaut. Ich hatte die 25jährige Singer-Songwriterin schon seit ein paar Singles auf dem Schirm und fand alle Songs bis dato sehr stark… auch die Videos sind toll, bei „Caught In The Middle“ spielt sie mit ex- Go-Betweens Drummerin Lindy Morrison Tennis… irgendwann spendete sie ihre langen Haare für krebskranke… nein… diese Alex macht viel Spaß… ich hoffe wir werden noch viel von ihr hören.

PLATZ 2 – JAMES DEAN BRADFIELD – „EVEN IN EXILE“

James Dean Bradfield ist der Sänger der Manic Street Preachers, einer walisischen Band die ich seit fast immer sehr schätze. Sein (glaub ich) zweites Soloalbum dreht sich um den chilenischen Sänger, Musiker und Theaterregisseur Victor Jara, welcher 1973 von der Pinochet Junta ermordet wurde. Die Texte stammen von Patrick Jones, dem Bruder vom Manics Kollegen Nicky Wire. Diese lagen wohl schon länger in der Schublade und konnten nun sinnvoll verwendet werden. Musikalisch ist das nicht weit von den Manics entfernt, meistens klassischer Gitarrenrock, manchmal etwas Orchester… insgesamt 3 Instrumentals, welche auch tatsächlich sehr gut sind… Die Leadsingle „The Boy From The Plantation“ hat den vollständigen Namen im Refrain : Victor Lidio Jara Martinez… das alles im allerbesten MSP Sound und derart eingängig, das es mein Song des Jahres geworden ist….seit August krieg ich das Stück nicht mehr aus dem Ohr… aber warum auch (?)…

PLATZ 1 – MATT BERNINGER – „SERPENTINE PRISON“

Ich muß gestehen das es dieses Jahr nicht so einfach war das Album des Jahres zu küren, aber nicht weil alle so riesig waren sondern weil DAS absolute Überalbum dieses Jahr einfach nicht existierte… die Platten von Platz 1 bis 3 sind eigentlich drei gefühlte N2. 2 Alben… am besten davon noch das erste Soloalbum von Matt Berninger, dem Sänger der von mir hochgeschätzten Band The National. Der macht darauf das was er am besten kann: melancholische Musik zu fallenden Blättern, am Kamin und einem guten Single Malt in der Hand. Das alles verwoben mit seinerm schönen Bariton… nicht weit von dem entfernt was seine Band auszeichnet (die helfen hier aber auch mit), vielleicht etwas leichter und akustischer. Etwas Wärme braucht der Mensch… im Coronajahr 2020… congrats Mr. Berninger…

...knapp an der Top 10 vorbei...

…ohne Reihenfolge hier ein paar Songs von Platten die es nicht in die Top 10 geschafft haben oder auch einzelne Songs, deren Album mich nicht sonderlich beeindruckt hat… bzw. so eins garnicht existiert…

THE ORIELLES – „Come Down On Jupiter“ from Disco Volador

…das Video passt zum Jahr… Langeweile in Endlosschleife… den Song mag ich weil er abwechslungsreich ist und besonders diese Stelle, wo er Fahrt aufnimmt…

YUKON BLONDE – „In Love Again“ from Vindicator

…viele Sachen der Kanadier sind für den Indie-Dancefloor bestimmt, dieser Songs mit seinen schönen Gitarren ist eher die Ausnahme… für mich die gute…

CLOSE LOBSTERS – „Godless“ from Post Neo Anti

Mit einer neuen Platte der Schotten hatte wohl keiner gerechnet… Ende der 1980er waren sie sympatische Vertreter der c-86 Scene… das heißt Gitarren, Gitarren und Gitarren… wenns geht nicht zu glatt produziert… kommt auch 30 Jahre später noch gut…

HAZEL ENGLISH – „Wake Up“ from Wake Up

…zeitloser Pop der Australierin… war ein Ohrwurm im Sommer und lief oft bei radioeins…

WIRE – „Cactused“ from Mind Hive

…eine meiner ältesten Lieblingsbands, gegründet 1976 (da hab ich noch ABBA gehört 😉 und auch heute noch unverkennbar : Wire. Leider war die Platte nur auf der ersten Seite gut, sonst wäre sie in der Top 10…

ARAB STRAP – The Turning of Our Bones“ from As Days Get Dark (2021)

14 Jahre nach der letzten Platte der Schotten kann man das auch als Überraschung sehen… wenngleich auch nicht musikalisch, da ist alles wie gehabt…

SYSTEM OF A DOWN – „Protect The Land“ Single

…noch länger ist die letzte Veröffentlichung von SOAD her… diese Single erschien aus gutem Grund… der arminisch-stämmige Frontmann Serj Tankian ist beunruhigt was in der Heimat seiner Ahnen los ist…

X – „Alphabetland“ from Alphabetland“

…nochmal 10 Jahre länger als bei SOAD hat es bei X gedauert bis mal was neues kam… 25 Jahre ist das letzte Album der LA Punks her… das neue klingt frisch wie vor 40 Jahren…

BOB MOULD – „Siberian Butterfly“ from Blue Hearts

Bob Mould, ex- Hüsker Dü und Sugar ist ebenfalls ein Veteran des amerikanischen Punk… seit Jahren veröffentlicht er ein gutes Soloalbum nach dem anderen… sein diesjähriges ist besonders zornig… dieser Song hier ist im Prinzip der einzige Popmoment darauf…

TUNNG – „Death Is The New Sex“ from Dead Club

… Folk’s not dead… it even sounds different…

EELS – „Are We Alright Again“ from Earth To Dora

…seit vielen Jahren verlässliche Hitlieferanten sind die Mark Everett und seine ständig wechselnden Mitstreiter… was das Video angeht … das kommt davon wenn man Whisky aus geschmacklosen Kristalltumblern trinkt… 😉

THE STEREOTYPES – „Main Attraction“ from Secrets To Learn

Die Stereotypes aus San Diego verfolge ich schon ein viele Jahre… als warscheinlich einer der wenigen… ich glaube die spielen nur als Hobby, aber das sehr gut… „Main Attraction“ gehört in die Songs Top 5 des Jahres ! Bisher 10 Klicks auf das Video… what a shame…

SOPHIA – „Undone. Again“ from Holding On / Letting Go

…nur geringfügig bekannter als die Stereotypes sind Sophia, die Band von ex- God Machine Mastermind Robin Proper-Sheppard, ganz heimlich, still und leise erschien dieses Jahr ein neues, sehr gelungenes Album des Melancholikers…

DEL AMITRI – „Close Your Eyes And Think Of England“ from Fatal Mistakes (2021)

…schon wieder Veteranen… die Glasgower Band hatte ich lange nicht mehr auf dem Schirm, fand auch nicht alles gut, dieser Song allerdings erinnert an einstige Größen wie „Nothing Ever Happens“… und passt zum Brexit wie die Faust aufs Auge…

MIDNIGHT OIL – „Change The Date“ from The Makarrata Project“

Nach seiner Zeit als australischer Minister ist Peter Garret zurück bei der Musik seiner hochgeschätzten Band Midnight Oil die wirklich großartige Alben in den 1980ern lieferte… die Musik ist völlin im Hier und Jetzt ohne sich modernen Trends anzubiedern… sehr politisch engagiert und immer noch 100% Midnight Oil…

Musik 1985-2019

…früher gabs Mixtapes, später CDs… dann mp3-Sampler… heute gibts einen schnöden Link… aber der kann ja von überall jederzeit abgerufen werden… daher auch nicht so verkehrt… ich werde hier von Zeit zu Zeit etwas von meinen musikalischen Vorlieben der letzten Jahre posten… wahlweise Apple Music oder Spotify… übrigens alles in traditioneller CD Länge…

2019

Die besten Alben von 2019… ohne Kritiken…

Platz 1 – Weyes Blood „Titanic Rising“
Platz 2 – Underground Lovers „A Left Turn“
Platz 3 – Alex Lahey „The Best Of Luck Club“
Platz 4 – Piroshka „Brickbat“
Platz 5 : Lower Dens „The Competition“
Platz 6 : The New Pornographers „In The Morse Of Brake Lights“
Platz 7 : Blood Red Shoes „Get Tragic“
Platz 8 : Ilgen-Nur „Power Nap“
Platz 9 : Ladytron „Ladytron“
Platz 10: Hatchie „Keepsake“

 

2018

…alle Jahre wieder…schließlich gibt es ja auch in den langweiligsten Jahren immer ein paar sehr spannende Lieder. 2018 habe ich mich selbst dabei ertappt, daß ich auch nicht mehr der klassische Albumhörer bin sondern lieber einzelne Songs rauspicke. Aus diesem Grund gibt es dieses Jahr auch nur eine Album Top 3 :


Platz 3 – Interpol „Marauder“
Platz 2 – Steve Kilbey „Sydney Rococo“
Platz 1 – Metric „Art Of Doubt“


Beste Songs waren :
Platz 3 – Steve Kilbey „Sydney Rococo“
Platz 2 – Frokedal „Believe“
Platz 1 – Neko Case „Curse Of The 1-5 Corridor“


…wer möchte kann das alles nachhören auf meiner Best Of Playliste, in loser Reihenfolge auf Apple Music oder Spotify. :

 

2017

BEST OF 2017 : (Alben)
1. – The Church „Man Woman Life Death Infinity“
2. – Slowdive „Slowdive“
3. – Afghan Whigs „In Spades“
4. – Stars „There Is No Love In Fluorescent Light“
5. – Broken Social Scene „Hug Of Thunder“
6. – New Pornographers „Whiteout Conditions“
7. – Alvvays „Antisocialities“
8. – Waxahatchee „Out In The Storm“
9. – Grizzly Bear „Painted Ruins“
10. – Pixx „The Age Of Anxiety“

Platz 10. – Pixx „The Age Of Anxiety“ :

Platz 9 : Grizzly Bear „Painted Ruins“

Platz 8. – Waxahatchee „Out In The Storm“

Platz 7. – Alvvays „Antisocialities“

Platz 6. – New Pornographers „Whiteout Conditions“

Platz 5. – Broken Social Scene „Hug Of Thunder“

Platz 4. – Stars „There Is No Love In Fluorescent Light“

Platz 3. – Afghan Whigs „In Spades“

Platz 2. – Slowdive „Slowdive“

Platz 1. – The Church „Man Woman Life Death Infinity“

2016

McLarsen’s Music – Best Of

2016

…ich weiß, früher war mehr Lametta, da gab es Top 10 und Top 20 und immer noch einen langen Text von mir dazu, dieses Jahr gibt es die Plätze 6-10 nur zur Info, das wären die hier :

10 – Younghusband „Dissolver“

09 – Dinosaur jr. „Give Glimpse Of What Your Not“

08 – Bob Mould – Patch The Sky“

07 – Teenage Fanclub „Here“

06 – Diarrhea Planet „Turn To Gold“

Platz 5 : THE SLOW SHOW – DREAM DARLING
…über die Band bin ich nur zufällig gestolpert, sie kommen aus Manchester und machen das, was Nina gerne als Schnarchnasenmusik tituliert. Ideal zum Nachmittagstee in der Winterzeit geeignet, haben wir hier opulente Klänge die alles mögliche verbreiten außer Hektik. Dieser eine Song „Ordinary Lives“ allerdings war es, das dieses Album in die Top 5 gerutscht ist, es ist mein Song des Jahres. Er beginnt mit der außergewöhnlichen Stimme des Sängers… ist das ein erkälteter Iggy Pop oder Lambchop (?), Tindersticks (?), sind das The National unter anderem Namen (die haben einen Song namens Slow Show) ? …ist das schon was aus dem Nachlass von Leonard Cohen ?.. Bei der Stimme muß ich an einen alten Mann mit Rauschebart denken, das ist allerdings nicht der Fall, The Slow Show sind eine junge Band mit ihrem zweiten Album. Der Song fängt gemächlich an, steigert sich aber in seinem Lauf, gegen Ende Streicher, Bläser, Orchester… Halleluja… dazwischen immer wieder diese Stimme… großartig. Das das live ebenfalls eine Nummer zu sein scheint, kann man hier: https://www.youtube.com/watch?v=nN9OkjRXjGg sehen, schaut mal mit was für einer Mannschaft die auf die Bühne kommen, ziemlich großes Kino…, unbedingt bis zum Ende anschauen…
P.S. Das Video von „Ordinary Lives“ hab ich selber gerade zum ersten mal gesehen und ich finds toll. Vor vielen Jahren hab ich mal irgendwas in einer Senioreneinrichtung gebaut und dabei einige Fotoalben im Müll gefunden. Die Bilder sahen genauso aus und ich fand es auch deprimierend, wie die letzten Spuren eines gelebten Lebens so einfach mir und dir nichts verschwinden…

Platz 4 – UNDERWORLD – BARBARA BARBARA, WE FACE A SHINING FUTURE
Underworld hießen Anfang der 80er Jahre Freur, hinterliesen zwei Alben und einen der unterbewerteten Songs des Jahrzehnts : „Doot Doot“. Da sich der Name Underworld deutlich besser verkauft, benannte man sich um und die Musik wurde tanzbarer. Als die 80er vorbei waren, kam Techno, die Höchststrafe für Leute wie mich, die die elektrische Gitarre lieben. Underworld wurden zu Stars in der Szene und mit „Born Slippy“ aus dem Film „Trainspotting“ gelang ihnen auch ein großer Hit. Das ist jetzt über 20 Jahre her und die Band um Carl Hyde veröffentlicht immer noch Alben. Techno ist das freilich nicht, elektronische Tanzmusik schon und als Band eine der wenigen ihrer Art, für die ich mich interessiere. Das Album macht vor allem wegen seiner Vielfalt Spaß, „I Exhale“ klingt wie The Fall, anderswo steckt sowas wie Britpop hinter der elektronischen Fassade, der beste Song jedoch fährt auf der Ambient Schiene : „Low Burn“ ist etwas für den Kopfhörer im Halbschlaf, man fliegt durch bizarre Landschaften… irgendwas wird auch gesungen, aber das ist nicht wichtig…

PLATZ 3 – GROUPLOVE – BIG MESS
Die Bronzemedaille geht dieses Jahr an die Kategorie Gute-Laune-Musik. Grouplove, eine junge Band aus L.A. kennt man (so man öfters dort ist) von der Offside Playlist mit dem Song „Tongue Tied“, welches seit über 5 Jahren immer wieder mal auftaucht und auch in der Top 25 vertreten ist. Das neue Album „Big Miss“ ist eine Ansammlung von Songs, die durch die Bank Hitsingles sein könnten. Musikalisch ordnet man sie etwa in der Mitte zwischen Arcade Fire und den Pixies ein, aber auch diesen ganzen Bands mit Hu! und Ha! (Of Monsters & Men, Lumineers etc.) stehen sie nahe. Häufig geraten die Lieder etwas over the top, manchmal auch laut („Traumatized“ ist Pixies pur…), immer gut für das Autoradio oder wo man auch sonst nichts anstrengendes braucht. Zwischendurch wird auch mal das Fuß vom Pedal genommen (Enlighten Me“, „Spinning“), das tut auch gut. „Good Morning“ funktioniert mit Electronic für den Dancefloor oder das Hitradio…Nur einmal kurz vor Schluß schießen sie mit „Don’t Stop Making Happen“ etwas übers Ziel und ich wähne mich auf einer ABBA Party, aber wirklich schlecht ist auch das nicht. Während es auf manchen Alben der eine, die zwei oder auch drei Songs sind, die es zu etwas Besonderem machen, sind es hier die vielen etwas kleineren Songs, die das Album in meinem Falle zur Nummer 3 machen… Eigentlich hatte ich erwartet, das das woanders auch so gesehen bzw. gehört wird, aber erstaunlicherweise scheint es niemand zu interessieren… Schade.

Platz 2 – HALEY BONAR – IMPOSSIBLE DREAM
Der Abstand zwischen Platz 2 und 1 ist dieses Jahr ziemlich gering, ich habe bis zuletzt hin und her gewogen, aber ein guter zweiter Platz ist ja auch etwas. Haley Bonar, kanadische Singer/Songwriterin Anfang 30 fiel mir mit ihrem letzten Album „Last War“ auf, besonders mit der Single „Kill The Fun“, ebenfalls ein Hit in der Offside Playlist. Erstmals verließ die Musikerin den Pfad der Singer/Songwriter Schiene und mischte Pop mit etwas Shoegaze in die Songs, was teils sehr gut gelang. Das Nachfolgealbum „Impossible Dream“ macht in etwa dort weiter, fährt aber mehr in Richtung Rock als Pop. Der Opener „Hometown“ zeigt sehr gut die Palette von Haley Bonar, etwas Folk, etwas Rock, stets sehr schön zu hören, nicht weit von Neko Case entfernt. Als ich im September in Schottland war, hab ich die Platte hoch und runter gehört. Highlights sind die etwas rockigeren Sachen „Kismet Kill“, „Call You Queen“ und „Stupid Face“. Ab und zu wird es ruhiger, aber nie kitschig, es ist alles schlicht und auf den Punkt produziert. Ich hoffe, von dieser Frau werden wir noch viel hören, immerhin lief „Kismet Kill“ schon öfters bei Radio Eins…

Platz 1 – TOY – CLEAR SHOT
Der fiktive Award der Platte des Jahres geht nach London an die Band TOY, deren drittes Album „Clear Shot“ sich am festesten in meinen Gehörgängen angesaugt hat. Musikalisch ist das auf jeden Fall Psychedellic Gitarren Rock mit Elementen von Shoegaze und Krautrock. Die zweite Platte „Join The Dots“ von vor drei Jahren konnte mich schon vollends überzeugen, nur dem Umstand geschuldet, das die Platte erst im Dezember rauskam, ist das sie nicht eine Top 3 Position bei mir einnehmen konnte. Der Unterschied zwischen den Alben 2 und 3 liegt vor allem an einer größeren Geschlossenheit, gab es bei „Join The Dots“ noch viele zerfranste psychedelische Ausflüge, die auch mal ein paar Minuten dauern konnten, gibt sich „Clear Spot“ deutlich kompakter, wenn auch durchaus nicht monoton, sondern abwechslungsreich. Pop „I’m Still Believing“ ist genau so dabei wie düstere, beinahe beklemmender Sound („Fast Silver“) oder eben auch tricky Psychedellikexkurse („Clear Shot“, „Cinema“) Neben zwei Gitarren, Bass und Schlagzeug spielt auch das Keyboard eine große Rolle bei der Band, was am besten bei „Dream Orchestrator“, einem der besten Songs des Albums zu hören ist. …Jo, dann Blumenstrauß nach TOY… und das war es dann auch schon wieder mit der Top 10 2016, mal schauen (besser hören), was 2017 so los ist…

2015

MUSIK 2015 – DIE ALBEN Platz 10-06

Platz 10 : BEACH HOUSE – „Thank Your Lucky Stars“

…gleich zwe neue Alben hat das französisch/amerikanische dreampop Duo dieses Jahr veröffentlicht und ich bin ganz eindeutig bei diesem hier. Für die einen Schnarchnasenmusik, für andere schön luftig leichter Pop…

Platz 09 – MERCURY REV – The Light In You“

…ihre frühen Alben sind für mich unhörbares Avantgarde Gegniedel, 1998’s „Deserters Songs“ eines der besten Alben der 1990er, die beiden Nachfolger ebenfalls sehr groß. In letzter Zeit war es etwas still geworden um die Band, die mittlerweile nur aus Johnathan Donahue und einem Gitarristen namens Grasshopper besteht. „The Light In You macht ungefähr bei „The Secret Migration“ weiter, jedoch fehlen die großen Songs. In der Gesamtheit aber trotzdem ein Top 10 Album… Herbst pur…

Platz 08 – WOLF ALICE – „My Love Is Cool“

…sowas wie mein Sommeralbum, Pop für alle Altersgruppen, ohne dabei billig zu wirken…

Platz 07 – KILLING JOKE – „Pylon“

…seit 35 Jahren dabei und kein bischen leiser. Vielleicht nicht die beste Platte ihrer Karriere, aber mindestens 3 Songs wären für eine Best Of gesetzt.

Platz 06 – THE CHILLS – „Silver Bullets“

…ebenfalls seit 35 Jahren dabei sind The Chills aus Neuseeland, die haben allerdings deutlich weniger Material veröffentlicht. „Silver Bullets“ ist das erste „richtige“ Album seit 1996 und bringt all das wieder, was diese Band auszeichnet : cleverer Kiwi Pop mit intelligenten Texten…

Platz 5 : THE MACCABEES „Marks To Prove It“


…Nachfolgeplatte vom ziemlich grandiosen „Into The Wild“ Album, auc gut, vielleicht nicht ganz so großes Kopfkino…

Platz 4 : BEST COAST „California Nights“


…irgendwo zwischen (späten) Hole, Dum Dum Girls, Beach Boys und Ramones, hat sich das (natürlich kalifornische Duo Best Coast angesiedelt. …die Mischung macht Spaß

Platz 3 : HALEY BONAR  – „Last War“


…das war das erste Album des Jahres, was es mir angetan hatte. Irgendwo zwischen Neko Case und New Order…

Platz 2 : DEERHUNTER „Fading Frontier“

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Platz 1 :
SWERVEDRIVER“ I Wasn’t Born To Lose You“


….töröööh, Platte des Jahres : Swervedriver. Die Band existiert bereits seit 25 Jahren, machten aber nicht allzu viele Veröffentlichungen, diese Platte ist auch die erste seit 1998. Die Band macht schöne laute Gitarrenmusik, Dreampop in der noisigen Variante. Bislang war die Band auf meinem Zettel nie ganz oben, dieses Jahr, mit dieser Platte hat es geklappt. 10 Songs, wenig Durchschnitt (Setting Sun) und nur ein Ausfall (Red Queens Arm Race), viele knackige Shoegazersongs.

MUSIK 2015 – DIE SONGS Platz 10-06
 

Platz 10 : Belle & Sebastian – „Nobody’s Empire“

…sicher hat die Band aus Glasgow schon bessere Alben produziert, dieses hier ist wohl ein wenig für Tanzmäuse gedacht…, aber diese eine Song hätte schon Platz auf einer Best Of…

Platz 09 : John Grant – „Down Here“

…beim Barte des Propheten, ich liebe diese Stimme, außerdem kann der Typ akzentfrei deutsch, türkisch, isländisch und was weiß ich was noch alles für Sprachen… nicht schlecht für’n Ami… Musikalisch sind seine Longplayer nur teilweise meine Sache, aber der hier ist schön…
Platz 08 : Therapy? – „Tides“

…das erste brauchbare Material der Nordiren seit über 20 Jahren. Dieser Song wäre ein würdiger Vertreter auf einem Hüsker Dü Tribute Album…

Platz 07 : Husky – „St. Joan“

…australische Bartträger mit tollem Ohrwurm.

Platz 06 : Other Lives – „English Summer“

…nochmal Bartträger…, sehr schöner Song, der erst nach zwei bis dreimaligen hören wächst…

Platz 5 : Lower Dens „To Die In L.A.“

…etwas poppiger als zuletzt, toller Ohrwurm, hier ein anderes Video als das offizielle…

Platz 4 : The Purrs – „You, The Medicine And Me“

…zwar schon zwei Jahre alt, aber erst dieses Jahr entdeckt, eine Band aus Seattle mit schöner kerniger Gitarrenmusik, dieser Song ab etwa gegen Mitte ist großartig. Leider gehen auf Albumlänge schnell die Ideen aus…

Platz 3 : Tame Impala – „Let It Happen“

…unbedingt zu erwarten war es erstens nicht, daß die Psychedellic Rocker auf einmal Stücke veröffentlichen, die jede Tanzmaus auf den Dancefloor treibt und zweitens war nicht zu erwarten, das mir sowas gefällt. Ähnlichen Verwandlungen geschätzter Künstler wie z.B. Arcade Fire konnte ich wenig abgewinnen, hier ist das anders, besonders der Teil ab Mitte des knapp 8minütigen Teils mit alten, analogen Keybords erfreute mich dieses Jahr sehr. Nur mit dem dazugehörigen Album kann ich nichts anfangen, da hätte ich doch gerne die Gitarren wieder…

Platz 2 : Haley Bonar – „Kill The Fun“

Platz 3 bei den Album, Platz 2 bei den Songs und dazu ein bemerkenswertes Video dazu… nicht schlecht Haley Bonar…toller Popsong

Platz 1 : The Chills „America Says Hello“

…Platz 1, Song des Jahres und dann der einzige in meiner Wertung ohne verfügbares Video…, egal. Nicht nur wegen der Freude über das erste Lebenszeichen der Neuseeländer seit 1996 erklärt meine freudige Erregung, der Song ansich ist großartig, vielschichtig, mit Tempowechseln, düsteren Stellen, hellen Popmomenten, einem kritischen Text und sehr, sehr schwer wieder aus den Ohren zu kriegen. Der Song verfolgte mich mehrere Monate und ist somit mit gebührenden Abstand der Song des Jahres.

2014

Die Alben des Jahres 2014 :

Platz 10 : The Jezabels „The Brink“

…auch auf dem zweiten Album gelingt den Australiern noch nicht der große Wurf den man ihnen anhand einzelner sehr guter Songs zugetraut hätte, vielleicht wird es einmal eine geniale Best Of…

Platz 9 : Temples „Sun Structures“

…fast schon etwas frech, wie unbekümmert sich die jungschen Briten bei den Byrds bedienen und den Rickenbacker Sound der Endsechziger in die Neuzeit tragen, hier und da mit ein paar Anspielungen auf Endachziger Pop a la Stone Roses…

Platz 8 : Alvvays „Alvvays“

…schönes Debut der kanadischen Indiepopper, schöne gitarrenorientierte Musik für junge Leute, ähnlich Veronica Falls oder der bereits erwähnten Real Estate.

Platz 7 : The Fauns „Lights“

…als wenn 1991 vorgestern erst gewesen wäre spielen diese jungen Briten Dreampop in der Tradition von Lush, Ride, Chapterhouse oder Pale Saints, altbacken klingt es dabei zu keiner Zeit, manchmal etwas melancholisch, aber dafür ist Dreampop ja da…

Platz 6 : Bob Mould „Beauty & Ruin“

…bereits das zweite gute Album hintereinander, nachdem in den letzten 20 Jahren immerwieder mal komische Sachen vom Ex Hüsker Dü Sänger veröffentlicht wurden. Dieses Album ist etwas dunkler als „Silver Age“ von vor zwei Jahren, orientiert sich aber oft an seiner Musik mit Sugar aus den 1990ern…

Platz 5 : The Raveonettes „Pe’Ahi“

…seit Jahren eine verlässliche Größe, die beiden Dänen, mal mehr oder weniger laute und verzerrte Gitarren und abgrundtiefe Texte, stets sehr atmosphärisch und sehr gut…

Platz 4 : Real Estate „Atlas“

…für manche zu nett oder vielleicht zu simpel, für mich einfach nur wunderschöne Indie Gitarrenmusik von netten, sympathischen Menschen…

Platz 3 : The Horrors „Luminous“

Auf ihrem vierten Album knüpfen die blassen Briten an ihr letztes Albun Skying an, verbessern die New Wave geschwängerte Musik aber bedeutend damit, das sie nicht jeden Ton durch die psychedelische Leiermaschine schieben…, manchmal muß ich an frühe Simple Minds denken…

Platz 2 : Interpol „El Pintor“

Nach der ziellosen selbstbetitelten letzten Interpol Platte von 2010 gibt es wieder richtig gute Songs mit schönen Gitarren und dem gewissen Chamelions Feeling…

Platz 1 : The Church „Further / Deeper“

Meine Alltime Favourites werden nächstes Jahr 35 und seit 32 Jahren verfolge ich ihre Wege, sie haben über 20 Studioalben veröffentlicht und richtiger Schrott war in all den Jahren nie dabei, so auch diesmal nicht. Das erste Album seit 2009 und das erste ohne Gitarrist Marty Willson-Piper vereint die vielschichtige Ästhetik ihres 92′ Opus „Priest=Aura“ mit der rohen Energie von „Forget Yourself“ von 2003, kein Ausfall, The Church in Bestform, Anfang 2015 auch ausserhalb Australiens erhältlich.

2013

In den vergangenen Jahren gab es zu diesem Thema täglich eine ausführliche Auseinandersetzung. In diesem Jahr fehlt mir ein wenig Zeit und Muße dazu, daher gibt es heute schnöde und simpel die Top 10 der Alben 2013 auf einem Schlag. Platz 1 – Neko Case, war recht schnell eine sichere Nummer, die anderen Platzierungen dahinter hätten es in besseren Jahren wohl teilweise nicht so weit gebracht… will sagen : das Jahr 2013 wird nicht als Jahr der Schwemme genialer Alben in die Geschichte eingehen…. nun denn Tusch….türülü…
Die Platten des Jahres 2013 :


10 – ARCADE FIRE „Reflektor“

09 – TOY „Join The Dots“

08 – MGMT „MGMT“

07 – LLOYD COLE „Standards“

06 – CULTS „Static“

05 – FRIGHTENED RABBIT „Pedestrian Verse“

04 – KITCHENS OF DISTINCTION „Folly“

03 – PHOENIX FOUNDATION „Fandango“


02 – THE NATIONAL „Trouble Will Find Me“

01 – NEKO CASE „The Worse Things Get The Harder…“

2012

PLATZ 10 : LOWER DENS – NOOTROPICS


Die zweite Platte der Band Lower Dens aus Baltimore, ist fürwahr nichts für Leute, die Lust auf gute Laune haben. Finster und auch so bitter kalt kommen die Songs aus der Box, viel Elektronic ist dabei, einiges auch aus der verfremdeten elektrischen Gitarre, Shoegaze quasi, aber alles nur so viel wie nötig, alles wird minimalistisch präsentiert, an der einen und anderen Stelle gibt es Krautrock und Kraftwerk Verweise. Über allem schwebt die Stimme von Sängerin Jana Hunter, klar, fabelhaft und kühl. Stellenweise gibt es Verwandschaft zum gleichzeitig erschienenen Album „Bloom“ von Beach House, welche übrigens auch in Baltimore angesiedelt sind, stimmungsmäßig sind Beach House die Party und Lower Dens der Kater danach. Als Einflüsse für diese träumerische Musik erkenne ich Dead Can Dance, Cocteau Twins, Lush, Helium und Massive Attack (ca. Mezzanine). Eine Platte für zuhause, am besten alleine, aber wenn man sich traut in sie einzutauchen, hat man etwas erlebt…zieht euch aber warm an, es wird kalt…

PLATZ 9 : THE RAVEONETTES – OBSERVATOR


…sehr fleißig, was das dänische Duo so macht, fast jedes Jahr ein neuer Longplayer, wobei bei den Raveonettes die Betonung nicht zwingend auf LONG liegt, in der Kürze liegt die Würze, nur einer der 9 Songs des 2012er Album „Observator“ überschreitet die 4 Minuten Grenze. Aber nicht nur der Verzicht auf Längen zeichnet die Arbeiten der Kopenhagener aus, auch die Schlichtheit der Arrangements sind ein Markenzeichen, lieber werden die Verstärker etwas höher gedreht, so fällt es nicht weiter auf. Seit „Attack Of The Ghost Riders“ von 2001 hat sich dennoch einiges getan am Sound der Raveonettes, insgesamt sind die Stücke deutlich melancholischer, das Songwriting ist deutlich reifer geworden, ein Trend, der schon auf der letztjährlichen Veröffentlichung „Raven In A Grave“ zu hören war. „Observator“ ist im Schatten eines Auslandsaufenthaltes mitsamt Drogenentzug und Depression von Sune Rose Wagner entstanden und somit auch nicht eben gerade ein Partyalbum geworden. Der Titelsong ist ein wunderbar melancholisches Stück, bei dem ein Piano im Vordergrund spielt, „Curse The Night“ schon ziemlich düster, wäre nicht der nette Gesang von Sängerin Sharin Foo, hätte er wohl auch aufs erste Tindersticks Album gepasst. „The Enemy erinnert an The Smiths, „Sinking In The Sun“ gefällt mit melancholischen Shoegazepop, „She Owns The Streets“ zeigt eine freundliche, poppigere Seite des Duos, „Downtown“ ist C86 Schrammelgitarrenpop der mich an The Primitives erinnert. Überhaupt gibt es viele Reverenzen, The Jesus & Mary Chain sind stets nicht weit, aber auch Rockabillyelemente kann man hören. Insgesamt ein sehr gelungenes Album, nicht ganz so schwer wie Lower Dens (Platz 10), aber von Gutelaunemusik genau so weit entfernt. Zitat Sune Rose Wagner: „Der Klang des Albums ist schwelgerisch und schön, sein Herz aber ist trostlos und traurig. Es hat etwas von einem himmlischen Traum, in dem man langsam realisiert, dass man tatsächlich in der Hölle ist..“

PLATZ 8 : NADA SURF – „THE STARS ARE INDIFFERENT TO ASTRONOMY“


Immer wieder schön, alle paar Jahre kommt ein neuer Longplayer der Band, die 1996 einen mittelgroßen Hit mit „Popular“ hatte und immer wieder ist sicher, das sie gut ist, eine verlässliche Konstante sozusagen… Dieses Jahr ist die erste Veröffentlichung von Eigenmaterial seit 4 Jahren sogar besonders gut geworden, weil Matthew Caws wieder eine Steckdose für seine elektrische Gitarre gefunden hat, was den ja stets sehr netten Songs etwas mehr Würze verleiht. Inhaltlich geht es hier hin und wieder ums Älterwerden, tja …früher oder später fällt es jedem auf… Das schönste und für mich bemerkenswerte an diesem Album ist die anhaltende Ohrwurmlastigkeit, im Januar erschienen, surren immer noch verschiedene Lieder durch meinen Kopf. Der Powerpop von Nada Surf paßt nahezu zu jeder Gelegenheit und somit ist ziemlich jeder Song der Platte sehr häufig in der Offside Playlist gelaufen, jeder Song ein kleiner Hit.

PLATZ 7 : MELODIES ECHO CHAMBER „s/t“


Hinter dem Namen Melodies Echo Chamber versteckt sich die Französin Melodie Prochet und der Australier Kevin Parker, welcher hauptberuflich Sänger und Gitarrist von Tame Impala ist. Tame Impala, momentan selber recht erfolgreich, begeistern derzeit mit schwer psychdelisch angehauchter Gitarrenrockmusik. Auf einer ihrer letzten Europatouren lernten sich Parker und Prochet kennen, ihre Band My Bee’s Garden war die Vorband der Tournee. Im heimischen Perth ließ Parker die kammermusikalisch ausgebildete Prochet in seinem Studio einfach mal rumprobieren, um das Ergebnis hinterher noch ein wenig aufzupolieren. Das Ergebnis ist eines der besten Alben der Kategorie Dreampop seit sehr langen. Das Eröffnungsstück „I Follow You“ ist eine 1a Hitsingle, welche auch häufig im Tagesprogramm von Radio Eins zu hören ist. Die folgenden Stücke „Crystalized“, „You Won’t Be Missing That Part Of Me“, „Sleep Time Alone, Alone“ sind, zumindest in meinen Ohren absolut hochklassige Ohrwürmer mit verzerrten Gitarren, einiger Elektronik und mit dieser süßen Stimme von Melodie Prochet. Auf „Endless Shore“ hört man dann doch ziemlich Tame Impala durch, manche Songs werden französisch gesungen, gegen Ende zerfransen einige Stücke gelegentlich ins lärmig psychedelische. Wirklich neu ist diese Musik natürlich nicht, es ist ziemlich exakt das, was ich vor etwa 20 Jahren geliebt habe. Damals hießen die Bands der Stunde Lush, Ride oder Pale Saints, diese waren wiederum von 4AD Bands wie Cocteau Twins und Dead Can Dance, aber auch My Bloody Valentine, The Jesus & Mary Chain, sowie älteren Sachen wie Velvet Underground beeinflußt. Momentan läuft das Album bei mir noch auf Hochtouren, möglicherweise wäre eine höhere Wertung möglich gewesen, wäre das Album einen Monat früher erschienen…aber so ist das halt…

PLATZ 6 : SMASHING PUMPKINS – „OCEANIA“

Ich war nie ein Fan dieser Band, die Musik kreuzte meinen Geschmack nur punktuell, der Sänger war mir unsympatisch. Wohl war mir stets bewußt, das es einige große Songs von dieser Band gibt, „Tonight Tonight“ zum Beispiel, oder auch das allseits bekannte „1979“,wirklich interessiert hat mich das trotzdem nicht. Nun kam ich dieses Jahr zum neuen Album „Oceania“. Hier die Eindrücke meines ersten Erhörens : Song 1 „Quasar“, …nerv, schon wieder dieses uncoole Geleier von Billy Corgan und diese quengeligen Gitarren… Song 2 „Panopticon“… fängt genau an wie der erste aufgehört hat… (kurz vorm abschalten…)… doch dann bekommt der Song gerade so die Kurve, indem er einen guten Refrain losläßt, überhaupt wird er immer besser, Euphorie macht sich breit…. dann diese Energie… (hossa, ist ja doch gut…) Song 3 „The Celestials“, kommt teils akustisch, schöner Popsong, für Smashing Pumpkins Verhältnisse zumindest…, Song 4 „Violet Rays“, eine athmosphärische Ballade (hätte ich jetzt auch nicht wirklich mit gerechnet…) Song 5 „My Love Is Winter“… spätestens jetzt wird klar, das Album ist klasse, wieder Pop, sehr melodisch…Song 6 „One Diamond, One Heart“…jetzt kommt noch Elektronik ins Spiel, eine sehnsüchtige Ballade mit einem folklastigen Ende,  ich muß kurz an Waterboys denken, das ist großes Kino, was hier geboten wird, vor allem sind die Songs alle recht verschieden, das macht die Sache noch dazu spannend… Im zweiten Teil der Platte wird es hi und da etwas Progrocklastig, die Songs verlangen etwas mehr Aufmerksamkeit, beim 9minütigen Titelstück muß ich gelegentlich an The Chameleons denken, weniger wegen der Musik als wegen der Athmosphäre…ganz zum Ende wird mir das dann persönlich etwas zu viel, vielleicht hätten es 2-3 Songs weniger auch getan, das ist aber schon der einzige Kritikpunkt. Fazit : ein starkes Album, ich bin arg überrascht, das ich nach über 20 Jahren noch zu den Smashing Pumpkins gefunden habe…

PLATZ 5 : DEACON BLUE – „THE HIPSTERS“


Deacon Blue ist eine Band aus Glasgow, die 1987 ein ziemlich grandioses Debütalbum namens „Raintown“ veröffentlichten. Nach einem weiteren erfolgreichen Album und dem Minihit „Real Gone Kid“ wurde es dann etwas ruhiger, man sang von „Twist and Shout“ und vom „Chocolate Girl“, alles sehr hübsch, aber mehr auch nicht. Nach 11 Jahren nun überraschend ein neues Album in (fast) Originalbesetzung. Ich war gespannt. Beim Opener „Here I Am In London Town“ fühle ich mich sofort an die (leider noch unbekanntere) Band My Friend The Chocolate Cake erinnert, eine herzzereißende Pianoballade mit Streichern im Hintergrund und leicht angerauhten Gesang eines Sängers, der keine 20 mehr ist und auch nicht sein will. Es folgt das Titelstück, ein streicherdominiertes Stück Hochglanzpop im Stile späterer Prefab Sprout. Bereits hier wird klar, das dieses Album nicht mehr so sein will, wie die vorherigen Veröffentlichungen, die in meinen Ohren daran scheiterten, daß sie der Welt zeigen wollten, was für eine toll sie den Soul und Blues können… (eine Platte hieß auch „When The World Known Your Name“…). Sie sind nun mal nicht Van Morrison und das ist auch gut so, es sind zwar noch vereinzelte soulige Momente dabei, aber die fallen nicht weiter auf, vielmehr ist „The Hipsters“ ein exzellentes Popalbum von Leuten um die 50, die nichts mehr beweisen müssen und damit sehr sympatisch rüberkommen. In Schottland hat man diese Band eh nie vergessen, sie sind sehr beliebt, auch wenn sie 11 Jahre nichts neues veröffentlicht haben, jung und alt kennt sie, Ricky Ross macht nebenbei auch irgendwas im TV und wenn man sich nachts in den Bars von Glasgow rumtreibt, kann es gut passieren, das ein Pianoplayer den Song „Dignity“ anstimmt und der gesamte Laden lauthals mitsingt, alt wie jung, der Song ist 25 Jahre alt. Aber zurück zum Album, es hat noch etliche Höhepunkte, vor allem die zweite Singleauskopplung „The Outsiders“, bei der der Refrain sich langsam in die Höhe schraubt, ähnlich auch „Thats What We Can Do“, was auf breiteren Straßen fährt und ebenfalls von einem herrlichen Refrain gekrönt wird, in der die bereits schon früher sehr markante zweite Stimme von Backgroundsängerin Lorraine MacIntosh zurückkehrt. „It’ll End In Tears“ ist der beste Song, den die andere große Glasgower Popband Belle & Sebastian, die letzten 10 Jahre nicht geschrieben haben. (Diese dürften ohnehin viel von Deacon Blue beeinflußt worden sein…) Leider ist wohl aber wieder einmal der Fall, das dieses Album ungehört an der Masse vorbeiziehen wird, bislang habe ich hierzulande noch garnichts vom Erscheinen der Platte gehört, Schade eigentlich, dabei unterstelle ich ihr sogar Massentauglichkeit…und das war jetzt im positiven Sinne…

PLATZ 4 : THE JEZABELS – PRISONER


Das Debütalbum der Australier Jezabels war eine der großen Entdeckungen des Jahres 2012. In der Heimat bereits ein Jahr früher erschienen, wurde es zu meiner persönlichen Sommerplatte. Der Opener „Prisoner“ ist mehr ein Intro als ein Song, eine Orgel dröhnt bedrohlich, das Schlagzeug setzt nervös ein, Sängerin Hayley Mary spricht mehr als sie singt, irgendwann türmen sich sämtliche Musikalitäten übereinander, es wirkt finster wie einst bei Siouxsie & The Banshees…und dann ist der Song plötzlich vorbei und mein persönlicher Song des Jahres 2012, „Endless Summer“ baut sich auf, wieder muß man das Schlagzeug hervorheben, der Song fährt auf sehr breiten Straßen, schonmal wegen dieser Single werde ich mich an diese Platte erinnern. Der folgende Song „Long Highway“ nimmt Geschwindigkeit raus, baut aber auch auf druckvolle Energie. Mit „Trycolour“ kommt der zweite große Hit der Platte, ähnlich wie „Endless Summer“, etwas komplizierter aber auch sehr kraftvoll und hymnisch, Hayley Mary gibt alles, Höhepunkt ist ein Bass-solo im letzten Drittel, ganz großes Kino…Im nachfolgenden „Rosebud“ kühlt die Energieleistung etwas ab und das ist auch gut so, würde es so weiter gehen, bräuchte man eine Aspirin…Nach der guten Ballade beginnt dann der Grund, warum die Platte keine ganz große ist, ihr geht nämlich etwas die Luft aus, alles was jetzt kommt ist zwar immer noch recht gut, kann aber mit der ersten Plattenhälfte nicht mehr mithalten, von „Deep Wide Ocean“ vielleicht mal abgesehen. Der eindringliche Gesang Hayley Mary’s ist in gefährliche Nähe der Cranberries gerückt, will sagen er ist kurz davor zu anstrengend zu werden, außerdem wird es zu balladesk.  Ich bin wirklich sehr gespannt, was diese Band als nächstes zu bieten hat. Für ein Debütalbum sag ich mal „aber Hallo!“…

PLATZ 3 : THE MACCABEES – „GIVEN TO THE WILD“


Das dritte Album der Londoner Band entstand, indem jeder Musiker für sich Songs schrieb, oder auch nur Teile davon. Danach wurde gegenseitig sortiert und mit vielen Versuchen zusammengepuzzled. Das Ergebnis ist ein facettenreiches, anspruchsvolles Popalbum, was sich erst nach mehrmaligen Hören erschließt. Häufig sind die Strukturen der Lieder abseits der gängigen Muster. Insgesamt ist das hier großes Kopfkino, am besten kommt die Platte mit Kopfhörern, man entdeckt immer wieder neues… Ich muß manchmal an das letzte (von Scott Walker produzierte) Album von Pulp „We Love Life“ denken.

PLATZ 2 : GRIZZLY BEAR – „SHIELDS“


Das vielleicht komplizierteste Album in meiner diesjährigen Top 10 kommt von der New Yorker Band Grizzly Bear, heißt „Shields“ und belegt Platz 2. Es ist etwas schwierig, die Musik dieses Quartetts zu beschreiben. Man merkt deutlich, das es sich um ausgebildete Musiker handelt, die auch schon im Klassik- und Jazzbereich tätig waren. Dominant sind auf jeden Fall Gitarren, elektrische Gitarren mir scheinbar rostigen Seiten, überhaupt ist hier nichts geglättet oder geschliffen. Ein weiteres markantes Element ist der Gesang, der manchmal in Radiohead Höhe angesiedelt ist und häufig mit Harmoniegesang a la Fleet Foxes & Co. daher kommt. Überhaupt Radiohead, die sollten sich mal anhören, wie es klingen kann, wenn man etwas anspruchsvolles bringen will, ohne zu nerven. Einige Songs funktionieren sogar im Nachmittagsprogramm von Radio Eins, „Yet Again“, „A Simple Answer“ z. B., andere Songs brauchen etwas mehr Zuwendung, „The Hunt“ und „What’s Wrong“ z. B., hier kommen die Einflüsse des Jazz deutlich zutage. Am besten kommen in meinen Ohren die Songs, die sich in ihrem Lauf immer weiter aufbauen und die Band immer mehr Equipment bearbeitet, z. B. in den letzten beiden Songs „Half Gate“ und „Sun In Your Eyes“, in dem sie nochmal alles auftischen, was sie können, Bläser, Orgeln, Streicher…großes Kino !

PLATZ 1 : STARS – „THE NORTH“


…das hätte ich nicht gedacht, als ich Anfang September zum ersten mal dieses Album hörte… Album des Jahres,- Glückwunsch Stars !… Beim ersten Hören war ich erstmal arg überrascht, das als Einstieg „The Theory Of Relativity“ ein lupenreiner Synthpop Song auf der Schwelle steht. „We got a rock DJ, We got a total fucking alcoholic We got a thing they call a cyber-girl One more patient please for the dude who sold us Ecstasy He’s building homes now in the new third world“…ich habe versucht mir den Text zu merken und mußte feststellen… zu kompliziert… dazu gibt es mehr Keybords als auf 3 Depeche Mode Alben. Song 2 „Backlines“ ist dann schon eher das was ich von dieser wunderbaren Band aus Montreal erwartet habe, Dreampop, Shoegazing mit wechselnden Gesang und der große Pop in einer Manier, wie er am ehesten von Prefab Sprout celebriert wurde. Bei „Backlines“ bin ich auch immer wieder begeistert, wieviel man in 2:11 reinstecken kann…genial. Mit dem nun folgenden Titelstück haben sie mich dann entgültig gehabt, ein herrlich melancholischer Song über einen Aussteiger der sich nicht mal mehr an seine Frau erinnern kann… „Its so cold in this country You can never get warm“…, in meinen Ohren der beste Stars Song ever. Mit „Hold On When You Get Love…“ kommt wieder ein Stück Pop, in der Tradition von New Order würde ich mal sagen, man fragt sich auch, warum sowas nicht bekannter ist… „Through The Mines“ nimmt etwas Geschwindigkeit raus, begeistert mit Akustikgitarren, die dann im Refrain ordentlich in die Steckdose gesteckt werden, über allen die wunderbare Stimme von Amy Millan, das Aushängeschild der Band, ähnlich wie Kumpeline Emily Haines das Gesicht der befreundeten Band Metric ist, beide gehen übrigens auch gemeinsam auf Solotouren. Das Duett „Do You Want To Die Together“ erinnert mich etwas an The Beautiful South und ist der einzige Song, der mich nicht ganz so umhaut. Mit „A Song Is A Weapon“ kommt noch einmal großer Pop, eher gitarrenlastig und von Torquill Campbell gesungen. Bei „Progress“ werden nochmal die Keybords angedockt, bevor es dann ganz schlicht wird, bei „The 400“ wird Campbell nur von Klavier und Backgroundgesang begleitet, ich muß unweigerlich an David Bridie und seine Band My Friend The Chocolate Cake denken. Obwohl diese Ballade ein schöner Schlußpunkt wäre, wird „Walls“ die Aufgabe des Rausschmeißers angedacht, wieder ein Duett zwischen Campbell und Millan „Tell me how I sleep Tell me how I wake up Tell me how I dream“. Fazit : das beste Popalbum des Jahres kommt dieses Jahr aus Kanada, jeder Song ist irgendwie anders, trotzdem ist das Album ein ganzes Stück Kunstwerk. Neulich hab ich mir die Band mal live angeschaut, das war auch sehr schön, der Punkt, das Stars nicht größeren Erfolg haben, könnte an etwas fehlenden Charisma liegen, Amy Millan sah etwa so aus, wie Reinickendorfer Frauen aussehen, die ins Kastanienwäldchen oder in‘ Pflaumenbaum ausgehen… aber das kann mir ja egal sein, dann konzentrieren sie sich eben mehr auf die Musik…

Stars live im Heimathafen Berlin
Stars live im Heimathafen Berlin

2011

Platz 10 :  The Strokes  „Angels“

Tatsächlich ist es bereits 10 Jahre her, als die New Yorker Band ihr starkes Debut „Is This It ?“ veröffentlichte, genau so lang dauerte es meiner Meinung nach, bis sie wieder an dessen Qualität anknüpfen konnten, fand ich doch die Nachfolger „Room On Fire“ und besonders „First Impressions Of Earth“ deutlich schwächer, ja beinahe ärgerlich durchschnittlich. Nach 5 Jahren Pause und einigen uninteressanten Solowerken zündet die alte Magie wieder, die trockene Schnittmenge aus Velvet Underground und Television. Nachdem man das Gesicht wegen des scheußlichen Covers verzogen hat, überraschen die ersten Klänge von „Machu Piccu“ mit komischen Reggaetakten, die darauf folgende Singleauskopplung „Undercover Of The Darkness“ scheint wie vom Reißbrett gemacht, bleibt aber mit ihren ganzen Gitarrenhäkchen und Spielereien ewig lange im Ohr. Apropos Gitarren : „Two Kinds Of Happiness“ ist so retro, das man sich echt an Tom Verlaine und Richard Lloyd von Television erinnert fühlt, nur das Schlagzeug kommt so grottig dumpf herüber, das man schon überlegt, ob das besonders cool ist, oder einfach nur Murks, ich tendiere zu ersteren. Man muß die Platte öfters hören um alle kleinen Häkchen zu finden, die das ganze interessant gestalten. Anderswo, z.B. in „Your So Right“ und besonders „Games“ dominieren betont billige Synthesiser den Sound der Gitarrenband, das ist nicht weiter schlimm, es lockert die Platte auf, am Schluß steht mit „Life Is Simple In The Moonlight“ ein ruhiger Song, der mit 4:15 auch der längste der Platte ist, dann ist auch schon Feierabend. Kein Gramm zu viel.  Fazit : hat mich wieder mal sehr gefreut.

Platz 9 : The Walkabouts „Travels In Dustland“


Ja wie doch die Zeit vergeht, auch diese Band kenne ich jetzt schon 20 Jahre. Das erste mal sah ich sie im Sommer 1991 mit dem Album Scavanger im Gepäck, in einem kleinen Klub. Ich kaufte mir ein T-Shirt, zog es den nächsten Tag an , machte Mittagspause an einem Dönerstand in Kreuzberg. Plötzlich tippte mir eine zierliche Frau mit amerikanischen Akzent auf die Schulter und meinte auf deutsch, es seie ein sehr schönes T-Shirt. Es war Sängerin Carla Torgerson und der Rest der Band war auch dabei, ich war überrascht und ein wenig schüchtern, wir wechselten noch einige Worte miteinander und von diesem Moment an, war ich ein etwas größerer Fan der Band aus Seattle, ja Seattle, Anfang der 1990er Jahre DIE Stadt schlechthin : Nirvana, Pearl Jam, Alice In Chains, Soundgarden….aber die Walkabouts waren anders. Die Wurzeln der Band liegen deutlich im Folkrock, mit Grunge hatten sie nichts am Hut, die einzige Gemeinsamkeit war eine Vorliebe für knarzige Neil Young Momente. Das nächste Album New West Motel  kaufte ich zwei Jahre später direkt auf der Bühne, von Carla, die sich tatsächlich an die Episode Dönerbude erinnern konnte, das Album wurde 1993 mit Abstand Platte des Jahres (wenn auch leider nur in meinem Kopf). Es folgte mit Setting The Woods On Fire ein weiteres gutes Album mit lauten Gitarren, danach wurde es ruhig, die Band hatte mit der Ballade The Light Will Stay On einen kleinen, aber beachtenswerten Charterfolg, ging mit dem Warschauer Philharmonikern auf Tour, machte Tributealben für europäische Songwriter und wurde auf dem deutschen Glitterhouse Label sesshaft. Hin und wieder besuchte ich vereinzelte Konzerte, vom Hocker konnte mich der Schlafwagenfolk der Band aber nicht mehr reißen. 2005 besannen sie sich endlich ihrer Fähigkeiten, laute Gitarren spielen zu können, veröffentlichten das Album Acetylene und hatten Erfolg mit der Single Devil In The Details, welche als Werbespot für Jack Wolfskin bekannt wurde. Privat hatte sich einiges geändert, Carla und Bandleader Chris Eckman waren längst kein Paar mehr, die Bandmitglieder leben auf der ganzen Welt verstreut, ein Grund für längere Veröffentlichungspausen. Nun, 6 Jahre später das neue Album Travels In Dustland, ein Konzeptalbum ist es geworden, ähnlich The Suburbs von Arcade Fire. Wo Dustland liegt (?), ich zitiere Chris Eckman :
„Er befindet sich irgendwo im westlichen Landesinneren, wo die Menschen schon immer ein hartes Leben hatten, die Umstände es ihnen aber heute nicht wirklich leichter machen. Einige Regionen dort haben sich in den letzten 100 Jahren nicht stark verändert. Ich wollte Dustland aber keinem konkreten Ort zuordnen, sondern eine Art Porträt eines fast realen Ortes skizzieren, es also wie William Faulkner halten, der ja auch in seinen Romanen das fiktive Yoknapatawpha County irgendwo in Mississippi erfunden hat, in dem all seine Geschichten spielen.“
Musikalisch geht es wieder eine Spur ruhiger als auf Acetylen zu, manche Stücke könnten direkt aus der The Light Will Stay On Zeit stammen, nur nicht so üppig instrumentiert, andere wiederum aus den härteren Alben. Besang man 1993 noch Grand Theft Auto, heißt es heute Long Drive In A Slow Machine… man wird halt nicht jünger…
Insgesamt ist das Album, gemessen am eigenen Gesamtkatalog, keine Granate, aber dennoch allen zu empfehlen, die den Kontrast zwischen Engelsstimme Carla Torgerson und dem eher rauhen Organ von Chris Eckman schätzen. Es hat einige Balladen, ohne komplett in die Schwermut abzudriften, die viele Sachen aus ihrer mittleren Phase so langweilig machten. Im Januar steht mal wieder ein Konzert in Berlin an… vielleicht geh ich ja hin und bringe Carla einen Döner mit…

Platz 8 : The Vaccines  „What Did You Expect From The Vaccines ?“


Das Debutalbum des Jahres kommt von der Londoner Band The Vaccines. Schon der Opener Wrecking Bar macht klar: ab geht’s, wir sind jung, haben keine Zeit für Schnörkel 1-2-3 und schon wieder vorbei, in bester Ramones Manier. Neben Ramones muß man als Referenz dringend The Jesus & Mary Chain nennen, die anfangs auch mit kleinsten Mitteln coole Atmosphäre erzeugten, außerdem hat der Sänger eine ähnliche Stimmlage wie die Reids.  Die Mehrheit der Songs ist um die 2 Minuten lang, die Hitsingle Post Break Up Sex beginnt gleich ohne Anlauf, nur selten hält die Geschwindigkeit inne, wie z.B. bei All In White, wobei deutlich wird, was für Potential in der Band steckt, die es erst seit 2010 gibt. Am Ende gibt es etwas Feedbacklärm bevor das Album mit einer schlichten Pianoballade als hidden Track ausklingt. Es darf befürchtet werden, daß von dieser jungen Band noch viel zu hören sein wird.

Platz 7 : Ladytron  „Gravity The Seducer“


Einige meiner Facebook Freunde aus Potsdam, also der Stadt meiner Jugend und Jugendsünden werden sich sicher erinnern, das es in meiner früheren Jugend nicht immer die Gitarre sein mußte. Bevor ich von U2, Big Country, The Church, Simple Minds oder Waterboys mit Gitarren erleuchtet wurde, fand ich durchaus großen Gefallen an der damals noch recht neuen Welt des Synthesisers und wippte den Fuß vorsichtig zu den Takten von Soft Cell, OMD, Tears For Fears, Human League, Depeche Mode und Heaven 17, allessamt ja durchaus Vertreter der Musiker, die  auch in der Lage waren, gute Songs zu kreieren. Mit der Entdeckung der Gitarre ca. 1983 verschwand mein Interesse zur elektronischen Musik in einer gut versteckten Schublade, welche lange geschlossen blieb, nur selten öffnete ich sie mal, z.B. in den 1990ern, als Saint Etienne mal vorbei schauten, oder seit 10 Jahren ab und zu, wenn es was neues von der Band gab, die dieser Musik, die sich heutzutage ja wieder größter Beliebtheit erfreut, stets die Fahne hochgehalten hat, auch zu Zeiten, als das niemanden interessierte : Ladytron.
Gravity The Seducer ist das 5. Studioalbum in 10 Jahren der Band, die sich nach einem frühen Roxy Music Lied benannten. Das schottisch-bulgarisch-englische Quartett mit Hauptsitz Liverpool belebt die eher minimalistische Elektronik der frühen 1980er Jahre, nicht alles finde ich genial, aber einige große Songs sind immer dabei, die es verdient hätten, in der einen oder anderen Hitparade abzuräumen, ganz oben mit dabei : Tomorrow vom letzten Album Veloficero. Die Hitsingle gibt es dieses mal gleich zu Beginn : White Elephant ist ein wunderbarer Popsong der eigentlich dringend in die Charts gehört, aber wie es immer so ist, den Ruhm stecken andere Künstler ein, auch wenn sie gaga sind… Ich hoffe nur, das genug von den Erlösen der Platte übrig bleibt, das es in zwei Jahren wieder neue Electropophits der angenehmen Art gibt…

Platz 6 : The Jayhawks  „Mockingbird Time“


Mitte der 1990er trennten sich die Wege der beiden Jayhawks Leader Gary Louris und Mark Olson, Louris machte trotzdem 3 Alben lang weiter als einziger Songwriter der amerikanischen Folkrockband und er machte es gut, die Countryeinflüsse wichen größtenteils poppigeren Klängen. Vor ca. 10 Jahren kam das Sommeralbum Smile in die Läden und war zusammen mit dem gleichzeitig veröffentlichten Teenage Fanclub Album Howdy! eines meiner Lieblingsalben dieses Jahres. Nun ist Mark Olson zurück und das erste gemeinsame Album seit 1995 ist im Kasten.
Schon gleich mit dem Opener wird klar, was drei Alben lang fehlte : der harmonische Gesang zwischen den beiden Hauptprotagonisten. Hide Your Colours ist ein wunderbarer Popsong mit unheimlich viel euphorischem Harmoniegesang, Streichern, Piano, Glockenspiel, hui… ganz schön dick aufgetragen, aber sehr schön. Mit Closer To Your Side geht es ähnlich, wenn auch nicht ganz so üppig weiter. Die Single She Walks In So Many Ways zeigt dann die andere Seite der Band : eher schlicht gehalten und mit starken Einflüssen der Byrds, auch so geht Pop.
Mit Highwater Blues tauchen sie gleich in mehrere Richtungen, ein sehr vielseitiger Song, der sich allerdings erst nach mehrmaligem Hören öffnet. Mit dem Titelsong Mockingbird Time folgt das Highlight des Albums. Ähnlich opulent wie der Opener, dennoch 1000 mal trauriger, allerdings ohne runter zu ziehen, Mockingbird Time ist der schön-schaurigste Song des Jahres und mir fällt kein besserer Song dieser Band ein. Danach geht es weiter vielseitig zu, nicht immer auf höchsten Niveau, Guilder Annie könnte ich mir auch im MDR Abendprogramm mit Florian Silbereisen und hundert klatschenden Senioren vorstellen, aber das ist eher die Ausnahme. Blackeyed Susan erinnert mit der Violine etwas an die Waterboys und Hey, Mr. Man muß sich Eagles Vergleiche gefallen lassen.
Unterm Strich ist das Album auf Grund etlicher Songs, besonders des Titeltracks, ein erfolgreiches Comeback der Herren Olson & Louris. welcome back !

 

Platz 5 : Fountains Of Wayne – „Sky Full Of Holes“

Eine Sommerplatte aus dem Jahr ohne Sommer muß schon etwas besonderes sein. Ich nahm die Tatsache, es seie eine neue Platte der Fountains Of Wayne erschienen mit einem lapsigen Schulterzucken wahr. Zu lange ist es schon her, das mich die Band mit ihren melodiösen Powerpop begeistern konnte. 1997 das Debüt war schon großartig, auf „Welcome Interstate Managers“ von 2003 waren immerhin eine Handvoll guter Songs dabei, der Rest ihrer Veröffentlichungen ging komplett an mir vorbei. Umso größer war die Überraschung, als ich das neue Werk „Sky Full Of Holes“ das erste mal komplett hörte. Geblieben ist ihr Gespür für hochmelodiösen Powerpop mit mehrstimmigen Gesang, der größtenteils sonnendurchflutet ist, aber beim genaueren Hinhören stets einige melancholische Tropfen offenbart. Was diesmal besonders auffällt, sind die Texte, worum ich mich im Allgemeinen weniger beschäftige, aber man hört einfach zu, wenn es um Erinnerungen an ein altes Sommerhaus in Verbindung mit Drogendealern, Richie und Ruben, die eine Bar namens „Living Hell“ aufmachten, und lauter nette Geschichten rund um das Thema Versagen geht. Großer Höhepunkt : „Action Hero“, so wohl musikalisch als auch vom Text. Spätpubertärer Fun Punk a la „Steacy’s Mom“ ist diesmal nicht dabei und nur einmal („Radio Bar“) wird es ein wenig beliebig. Im zweiten Teil der Platte wird es ein wenig countryesk, was neu für die Band ist und normalerweise nicht unbedingt zu meinen Baustellen gehört, aber auch das paßt, ich muß an The Jayhawks denken und das ist schließlich nicht verkehrt, wie man gestern an dieser Stelle lesen konnte.

Platz 4 : Mogwai – „Hardcore Will Never Die, But You Will“

Das Album #7 dieser Band aus Glasgow mit dem genial blöden Namen „Hardcore Will Never Die But You Will“ ist wiederum eine sehr gelungene Angelegenheit, eine Platte, die ich zu fast jeder Gelegenheit hören kann. Die Musik von Mogwai kann man etwa mit folgenden Stichworten beschreiben : Rockmusik, Postrock, instrumental, Tempowechsel, Laut/Leise Wechsel, hymnisch, Einsatz von Elektronik, das alles sehr dynamisch.
Der Opener „White Noise“ ist ein gutes Beispiel für den Stil Mogwais, ein fortwährend anschwellendes Stück elektrischer Gitarrenmusik, Song #2 „Mexican Grand Prix“ kommt mit erhöhtem Elektronikanteil und verzerrten Gesang daher und läßt sich bestimmt ganz gut tanzen, ich muß an MGMT denken. Das nächste Stück „Rano Pano“, auch als Single erhältlich, ist das wohl eingängigste und hymnischste Stück dieser Platte. Für Leute mit fundierten Musikerwissen ist diese Platte sicher ein Leckerbissen, mir als Laie fehlen ein wenig die Worte zur weitergehenden Beschreibung der 10 Stücke, aber dazu wurden sie ja auch nicht gemacht, man soll sie ja wohlwollend hören… und das ist über allen Maßen gelungen. Laut mit Kopfhörern kommt sie übrigens am besten.
Ende September veröffentlichte die Band noch eine externe Platte : „Division Earth EP“ mit teils klassischer Untermalung, dafür gibt es noch einen Zusatzpunkt…

Platz 3 : The Phoenix Foundation „Buffalo“


Wie eine frische Brise an einem lauen Sommertag (sic), ein leises Rauschen des Meeres an irgendeinem einsamen Strand Neuseelands, kommt der Opener dieser schönen und entspannten Platte von dieser Band daher. Ihre früheren Platten veröffentlichte das Sextett auf dem legendären Flying Nun Label, ein Name, der mir durchaus ein gewisses Strahlen in die Augen zaubert, gab es doch so nette Bands wie The Chills, Verlaines, Able Tasmans, JPS Experiance, Bailter Space, Tall Dwarfs etc…, ich habe eine Menge Flying Nun CDs im Schrank, allesamt aus den Achzigern bis Mitte der Neunziger, danach verlor ich die Neuseeländer etwas aus den Augen. The Phoenix Foundation sind die ersten seit ca. 1995, die ich als Flying Nun Band wahrnehme und ich bin begeistert. Wenn ich erklären sollte, was typisch neuseeländisch oder typisch Flying Nun sein soll, dann muß ich wohl stottern, versuche aber, es als Popmusik mit netten Ecken und Kanten zu beschreiben, genau wie dieses Album. Der Opener „Eventually“ gibt die Linie für das Album vor, ein analoges Keyboard (erinnert mich an Swell) dominiert, der Sänger ist relaxed, als würde er die Zigarette danach rauchen, ich  muß an The House Of Love denken, natürlich auch an die späteren The Chills Platten. Mit dem Titelstück und Pot sind zwei fast schon hymnische Stücke dabei. Wenn man die Platte unaufmerksam hört, findet man warscheinlich nichts aufregendes, beschäftigt man sich etwas intensiver mit den Songs, wird man mit lauter kleinen, teils schrulligen Details fündig, etwa das kurze Gitarrensolo in „Flock of Hearts“, das geradezu klingt, als wäre es einer Smokie oder Suzy Quatro Platte entsprungen. Anderswo tauchen komische Tröten und karibisches Geklimper auf, stets verhüllt in der weichen Decke dieser warmen Platte. In „Bitte Bitte“ geht es offenbar um den Berliner Bezirk Mitte, in dem die Punks von den Yuppies verdrängt wurden, am Ende schwappt die Platte genau so relaxt aus, wie sie angerauscht kam. Easy Listening Psychedellic Popmusic !

Platz 2 :  Clap Your Hands Say Yeah  „Hysterical“


Man ist ja manchmal ziemlich voreingenommen, hätte mir jemand die „neue Clap Your Hands Say Yeah“ empfohlen, hätte ich sie wohl mit der Bemerkung abgetan, das die Band mit einem der dämlichsten Bandnamen die ich kenne, einen nervigen Sänger haben und irgendwelchen Indie Brei spielen, wie alle jungen Bands mit Hornbrillen, Vollbärten und mehr oder weniger interessanten Frisuren das tun. Ich gebe zu, mir diese Platte so mehr oder weniger aus Langerweile geladen zu haben. Ein paar mal beim putzen oder so gehört, fand ich sie ja schon mal garnicht übel, so das ich sie als eine von 5 Platten auf den mp3 Player für die Schottlandreise lud. Auf Reisen hört man viele Sachen anders als zuhause, letztes Jahr gewann The National nicht von ungefähr, nachdem die CD monatelang rumlag, erblühte sie während der Reise zum Klangerlebnis, ähnlich ging es mir dieses Jahr mit dieser Platte.
Hysterical ist das dritte Album der New Yorker Band, auf ihr erstes war ich 2005 durch den Song In This Home On Ice aufmerksam geworden, damals waren Arcade Fire ganz groß in meiner Gunst, die haben ja auch so einen Sänger, der gewöhnungsbedürftig rümnölt. Das Album selbst, wie auch der Nachfolger konnte bei mir nicht landen, so gerieten sie in o.g. Schublade. Aber nun zu Hysterical :
Mit Same Mistake und Hysterical startet das Album mit gefälligen Indiepop, erster mit gewaltigen Ohrwurmpotential, zweiter mit erhöhten Keyboardanteil. Mit Misspent Youth wartet das erste Highlight auf, die Geschwindigkeit wird arg gedrosselt, die Atmosphäre alter Radiohead Großtaten liegt in der Luft, oder sagen wir besser Kashmir, die machen seit 10 Jahren die deutlich besseren Songs. Eine hymmnische Ballade ohne viel Pathos oder Ballast. Es folgt die „Hitsingle“ Maniac, bei Radio Eins immer noch im täglichen Programm, ein hibbeliger Popsong a la Belle & Sebastian mit vielen Faccetten und Haken. Danach das Herzstück des Albums : Into Your Alien Arms beginnt wie Railwayed von Kitchens Of Distinction und schwebt auch über 5 Minuten so dahin, wenn man in den Sphären dieses Endlosschleifendreampops schwebt,  gegen Ende mit etlichen Feedbackattacken verziert, taucht man ganz tief ein, sehr schön das…danach wirds ganz finster… In A Motel… man ist längst nicht mehr da, wo man vor 10 Minuten noch war, man ist in dieser Musik gefangen…schade das ich keine Drogen nehme, das hätte bestimmt was… Mit Yesterday, Never wacht man kurz wieder auf, es wird wieder etwas poppiger, aber auch dieser kurze Song ist mit psychedelischen Gewaber getränkt, gegen Ende kämpft eine knarzige Gitarre gegen das Keyboardsgeblubber. Nach Idiot kommt dann mit Siesta (For Snake) der letzte Höhepunkt des Albums, dem man sich längst hingegeben hat, wieder balladesk, wieder ganz groß aufgetürmter Sound. Danach kommt mit Ketamine And Extasy ein Song, der nach den letzten Nummern niemals an dieser Stelle kommen darf, der einzige Frevel dieses Albums, nach den großen Songs einen platten Popsong a la The Cure ca. 1993 zu platzieren. The Witness Dull Surprise beginnt dann wie ein freundlicher Go-Betweens Song um bald nochmal in allmögliche Richtungen auszufransen und ganz plötzlich ist die Platte dann vorbei. Viele Kritiker haben der Band vorgeworfen, diese Platte seie zu glatt geschliffen worden, das kann ich überhaupt nicht teilen. Weiter so, I clap in my hands and say YEAH !!!

Platz 1die Platte des Jahres : tuschhhhhhh….The Waterboys  „An Appointment With Mr. Yeats“


Als ich vor ein paar Monaten las, die Waterboys arbeiten an einem neuen Album, welches aus Vertonungen von Gedichten des irischen Poeten William Butler Yeats (1865-1939) bestehen soll, winkte ich erstmal ab, vertonte Lyrik… kommt jetzt Melanie oder Donovan mit der Wandergitarre daher (?), außerdem ist es schon ziemlich lange her, daß die Waterboys mal ein gutes Album veröffentlicht haben, 1993 (Dream Harder) um genau zu sein. Können die nicht mal wieder ein normales, gutes Album mit richtigen Songs, elektrischen Gitarren, fetten Arrangements und ohne religiösen Blamblam machen (?) fragte ich mich. Nun, jeder kann lesen, auf welchen Platz der besten Veröffentlichungen des Jahres 2011 das Ergebnis bei mir gelandet ist. Sämtliche Zweifel waren völlig unbegründet, Mike Scott, also der Mensch der The Waterboys ist, hat eines der besten Platten seiner Karriere veröffentlicht, in einer Reihe mit A Pagan Place (1984), This Is The Sea (1985) und Fishermans Blues (1988).
Das Erstaunlichste an diesem Projekt ist, das die Texte von Nobelpreisträger Yeats auch nach teilweise über 100 Jahren nicht altmodisch oder verstaubt wirken und die Verbindung mit der Musik der Waterboys dazu paßt wie die Faust aufs Auge. Man kann die Platte getrost als moderne Rockmusik mit Folkeinflüssen beschreiben, Waterboystypisch sozusagen, aber im Gegensatz zu den Veröffentlichungen der letzten 17 Jahre stimmt das Gesamtpaket, die elektrischen Gitarren frisch und direkt, Orgeln, Steve Wickhams Geige eine Wucht und über allem der euphorische Gesang von Mike Scott, der immer noch diese jugendliche, sehnsüchtige Stimme hat, wie etwa anno 1985 bei The Whole Of The Moon, dem einzigen größeren Hit, den die Band hatte.
The Hosting Of The Shee gibt gleich von Anfang an die Richtung vor : McLarsen, was du hier von Melanie und Donovan schwafelst ist Mumpitz, hier wird gerockt ! Mit dem genialen Song Of Wandering Aengus, einem absolutem Highlight der Platte kommt mir spätestens gegen Ende die Erinnerung zurück : Der Song The Stolen Child vom 88er Fishermans Blues Album war ja auch schon eine Vertonung eines Yeats Poems und zählt zu meinen absoluten Lieblingsliedern ever… wie ich darauf kam (?), die sehnsüchtig, melancholische Flöte begleitet beide Songs. Ich will jetzt nicht jedes der 14 Lieder einzeln analysieren, dringend erwähnenswert sind White Birds, ein weiteres Highlight. Mad As The Mist And Snow, was wie ein normaler Blues beginnt und am Ende fidelt Teufelsgeiger Steve Wickham einen psychedelischen Trip, das einem Angst und Bange wird. September 13  ist ein Stück geradeliniger Rock mit verzerrten Gitarren, 7 Minuten lang, Politics ein Stück, was auch im Nachmittagsradio laufen könnte, mit Bläsern und Sängerin Katie Kim. Mit Let The Earth Bear Witness und The Faery’s Last Song klingt das Album langsam aus und am Ende ist sie wieder, die berühmte Flöte. Im März gibt es das ganze live im bestuhlten Huxleys, als eines von nur zwei Deutschlandterminen, ich konnte mir gerade noch so ein Ticket sichern… Danke Mike Scott, für’s Comeback des Jahres !

2010

PLATZ 10 : INTERPOL – Interpol


 Interpol zählen zu den erfreulichen Retromusikern des vergangenen Jahrzehnts, bin ich doch stets der Meinung, das gut geklaut besser ist als Editors …Oft wurden Interpol mit Joy Division verglichen, was Quatsch ist, ein paar dunkle Untertöne und etwas geknödelter Gesang gibt noch lange keinen Ian Curtis. Vergleiche mit Kitchens Of Distinction treffen die Sache schon eher, aber die kennt ja eh keiner mehr.
Was ihr selbstbetiteltes 4. Studioalbum betrifft, so seie gleich gesagt : es ist mit Abstand ihr schlechtestes. Das Album als Ganzes hat keinen roten Faden und bis auf 3 (von 10) Songs scheint mir hier viel von der Resterampe eingeflossen zu sein. Die Singles sind blass („Lights“) bis erschreckend belanglos („Barricades“). Wären nicht die drei Ausnahmen, so stände das Album auf keinem Fall hier, aber „Success“ ist ein großer Opener der viel verspricht, aber erst in der Mitte der Platte von „Always Malaise (The Man I Am)“ getoppt wird. Der große Wurf kommt erst als Rausschmeißer : „The Undoing“ ist der beste Interpol Song ever, der beste der Platte sowieso und der beste Albumcloser des Jahres, bedrohlich, unruhig, finster, ich muß an Chameleons denken, ein düsteres Brummen im Hintergrund, wenn der Song vorbei ist, muß man ihn nochmal hören und denkt sich, geile Platte… :), clever Interpol

PLATZ 9 :  KINGS OF LEON – „COME AROUND SUNDOWN“


 Als vor knapp 10 Jahren fast jede Band eine „The“ Band war… (natürlich war das schon immer wertfrei, aber wenn man nix anderes hat, hatte man eben ein THE …), angeführt von THE Strokes und THE White Stripes, wurde als nächstes großes Ding angekündigt : eine Band aus der muffigsten Amerikana – Südstaatenhochburg Tennessee mit drei Brüdern nebst Cousin, deren Vater Prediger war. Klang nach Gospel, drin war selbstverfreilich Rock’n’roll a la Südstaaten, aber in der Frische sehr angenehm, der Hype nicht unberechtigt. Einige Platten später wurde es mit „Because Of The Times“ recht anspruchsvoll, mit „Only By The Night“ ging der Express auf die Mainstream Autobahn Richtung Stadion ab, richtig schlecht war das alles nicht, es hatte durchaus alles seine Berechtigung. Nun das neue Album : es steht zwischen allen anderen und ist gut, wenn ich jünger wäre, würde ich sicher Kings Of Leon T-Shirts tragen und es wäre vielleicht meine Lieblingsband wie damals U2… vielleicht auch nicht. Die Platte geht jedenfalls voll in Ordnung, es hat Höhepunkte, gute Singles und ein grottenschlimmes Cover, ein typischer Platz 9.

PLATZ 08 : MGMT – „CONGRATULATIONS“


 Letzten Montag : C-Halle Berlin : MGMT zu Gast. Zum ersten mal in meinem Leben war ich zu einem Konzert, wo Mütter und Väter ihre minderjährigen Kiddis begleiteten. Der Klubhit „Kids“ vom letztjährigen Bestseller „Oracular Spectacular“ überraschte das Ami Duo selber sicher am meisten, es gab aber auch andere tanzbare Hits auf dem Album. Im Frühjahr erschien der Nachfolger „Congratulations“ und zum Erstaunen aller ist er komplett ohne Hit, statt dessen Progrock, Psychedellic Rock, Indie, etwas Electronic, nichts zum tanzen, nichts für Kids. Auf der Platte werden Dan Treacy (von den Television Personalities) und Brian Eno besungen, ein Song ist 12 Minuten lang und wurde als Single ausgekoppelt, ein Song heißt „Lady Dada’s Nightmare“… Verweigerung oder Kalkül ?
Wie auch immer, das erfreuliche ist, daß die Herren Andrew VanWyngarden und Ben Goldwasser musikalisch einiges auf Mappe haben. Live war das zumindest für mich sehr erfrischend, es gab Momente wo ich dachte, mir wird vor lauter Psychedelia ganz schwurbelig (bin ick hier bei Pink Floyd ???) Wie die Kids das fanden (?) hab ich nicht drauf geachtet, aber dann haben sie wenigstens mal was vernünftiges gesehen, statt Retortenschnullies… und „Kids“ gabs zum Schluß auch noch.

Platz 07 : KILLING JOKE – „Absolute Dissent“


 Dieses Jahr gibt es nur eine Platte von alten Helden der Achziger in meiner Top Ten und diese kommt von Killing Joke. Zur Erinnerung : Killing Joke veröffentlichten Anfang der 1980er Jahre eine Reihe von bösartigen Punkplatten, bis sie 1985 mit dem Albm „Night Time“ und besonders der Single „Love Like Blood“ plötzlich in den weltweiten Hitparaden ganz weit oben standen. „Love Like Blood“ war als Song etwa solch One Hit Wonder wie „Under The Milky Way“ von The Church oder „Streets Of Your Town“ von den Go-Betweens, allerdings haben auch diese Bands zwar keine großen Hits mehr gehabt, aber noch viele erstklassige Alben produziert, welche der breiten Öffentlichkeit aber verborgen blieben. „Absolute Dissent“ ist das 13. Studioalbum von Killing Joke und das 8. seit „Night Time“, hat es jemand gemerkt (?), 1994 kam noch ein kleines Meisterwerk mit „Pandemonium“, danach wurde die Musik der Herren zunehmend unbequem, irgendwo auf halben Weg zwischen Metal und Industrial bot sich schwer verdauliche Kost für hartgesottene Fans. Die Band war längst Hobby der Musiker, welche ihr Geld mittlerweile anders verdienten , Sänger Jaz Coleman als Dirigent der Prager Philharmoniker oder Bassist Youth als Starproduzent (u.a. Paul McCartney, The Verve oder Heather Nova). Nach dem Tod des Bassisten Raven fand sich letztes Jahr die Originalbesetzung zusammen und spielte mit „Absolute Dissent“ ein neues Album ein. Es ist deutlich ohrenfreundlicher als die letzten Veröffentlichungen, zwar genauso hart, aber songorientierter, die Single „In Excelsis“ hat New Wave Elemente, „European Super State“ ist sogar was für den Dancefloor der Indiedisco. Einsamer Höhepunkt : „The Ravenking“, zum Gedenken an den verstorbenen Paul Raven, eine Hymmne, die „Love Like Blood“ um nichts nachsteht. Bleibt zu hoffen, daß es nicht die letzte Großtat der alten Herren bleibt.

Platz 06 : MARINA & THE DIAMONDS : „The Family Jewels“


 Ich gebe zu, es ist ein weiter Weg zwischen den Metallern Killing Joke (Platz 7) und dem Frolleinwunder Marina, aber das zeigt einem nur, das man nicht auf Einbahnstraßen unterwegs ist. Marina Lambrini Diamandis, so der Name der 25jährigen Dame (The Diamonds sind die Fans) ist Produkt einer griechisch-walisischen Ehe und konnte mich 2010 hauptsächlich mit der Single „Hollywood“ aus der Reserve locken, der Song war monatelang ein Ohrwurm mit fast schon Nervensägenpotential, weil er nicht mehr weichen wollte, wenn er einmal da war. Es sollte nicht der einzige Hit der Platte sein, irgendwie sind alle 13 kleine (Familien) Juwelen (auch wenn ich bei dem Namen immer an Familienjuwelen denken muß, wo einem reingetreten werden kann…;) ) Was auf jeden Fall nicht unerwähnt bleiben sollte, ist das Stimmenvolumen Marinas, welches besonders in den Tiefen besondere Größe beweist, aber im nächsten Moment wieder ganz woanders sein kann. Zu Guterletzt auch Respekt dafür, das alle Songs selbstgeschrieben sind. Ein Album, dem man  die vergleichsweise hohen Verkaufszahlen gönnt.

Platz 05 : ARCADE FIRE – „The Suburbs“


 Im Jahre 2007 gab es bei mir nur ein Album, welches die Nummer Eins sein konnte : Arcade Fire mit „Neon Bible“. Es gab bis dato nur selten Platten, die so eindeutig gewannen, dazu kam noch ein Konzerterlebnis der Extraklasse, tolle Bühnenschau und gefühlte 20 Leute, die irgendwas musizierend auf der Bühne rumhopsten, Energie pur, obwohl der musikalische Stoff bis dato eher düster war. Das erste Album hieß „Funeral“ und war durchaus auch keine Partyplatte, „Neon Bible“ began mit dem finsteren „Black Mirror“ und gipfelte in „Intervention“ mit amtlicher Kirchenorgel.
Drei Jahre sind seitdem vergangen, die Erwartung natürlich riesig. Thema diesmal : Rückkehr an die Orte der Kindheit und Jugend, verteilt auf 16 Stücke und 65 Minuten.
Zu Beginn kommt der Titelsong leicht beschwingt wie ein Belle & Sebastian Sommerhit daher, Ok, es muß ja nicht immer Beerdigung sein…, mit Track 2 „Ready To Start“ wird langsam klar, die Wahlkanadier haben den Pop entdeckt, so geht es auch weiter, ein Song heißt „Rococo“, der nächste klingt dann auch so, bis hierher nichts besonderes, dann „City With No Children“, ein basslastiges Stück, was zwar Ok ist, aber auf den beiden Vorgängern wohl eine Niete gewesen wäre, ich muß an Talking Heads denken. „Half Light 1“ klingt mit dem weiblichen Gesang wie aus dem Hause 4AD (Cocteau Twins etc.), nach „Half Light 2“ kann man sogar tanzen, es ist Track #8 und man denkt langsam an das Ende der Platte, es ist aber erst Halbzeit… Mit „Suburban War“ kommt dann endlich ein Highlight, toller Song mit drei verschiedenen Teilen, melancholisch, Go-Betweens – like, Byrds Gitarren…super. Danach flacht es wieder ab und das Dilemma der Platte wird langsam klar : ihre Länge nebst der zuweil kunterbunten Mischung, keine Frage das ist alles toll gespielt und die Songs sind auch nicht wirklich schlecht, nur passen sie nicht recht zusammen, obwohll das ja hier sogar ein Konzeptalbum ist… Wenn nach „Spawl 2“, einem Discostampfer mit verdächtiger Nähe zu ABBA oder Italo Disco (sic)  nochmals das Thema des Titelsongs als Reprise kommt, ist man längst mit den Gedanken irgendwo anders.
Nach mehrmaligen Hören des Albums und etwas gutem Willen, reifen die meisten Stücke später, sonst wäre das hier nicht meine #5 des Jahres, gemessen an den beiden hochkarätigen Vorgängern hat „The Suburbs“ allerdings keine Chance, da haben sich die Damen und Herren die Messlatte selbst viel zu hoch gelegt.

Platz 04 : KASHMIR – „Trespassers“


 Um gleich Missverständnisse auszuräumen : Kashmir sind keine Inder sondern Dänen… und sie spielen auch keine Musik die nach Led Zeppelin klingt sondern eher nach Radiohead.
Es ist der Nachteil der Platten, die bereits ganz am Anfang des Jahres erscheinen, das man sie 11 Monate später wieder fast vergessen hat, so geschehen fast mit dem 6. Studioalbum der Kopenhagener Band, die es nun auch schon fast 20 Jahre gibt.
Die Musik des Quartetts muß sich immer wieder mit Radiohead vergleichen lassen, obwohl diese spätestens seit „OK Computer“ musikalisch in ganz andere Gefilde abgetriftet sind, aber es ist die Stimme von Kasper Eistrup, die Thom Yorke zum Verwechseln ist, aber auch eine leicht düstere Stimmung der Alben, was auch David Bowie nicht entgangen ist, er sang auf dem vorletzten Album ein Duett mit der Band. Platten wie Bowies „Low“ dürften auch zu den Vorbildern der Band zählen. Die Melancholie der Band wird allerdings stets von einer Portion Pop begleitet, was die Sache etwas aufhellt und einige Songs wie die Single „Mouthful Of Wasps“ in das Tagesprogramm von RadioEins gehievt hat. Coldplay dürfte es Angst und Bange werden…

Platz 03 : THE POSIES – „Blood / Candy“


 The Posies, das sind in erster Linie Jon Auer und Ken Stringfellow, gibt es seit über 23 Jahren,  7 Studioalben und einer Hitsingle („Dream All Day“ von 1993). Die Mustervertreter der Musikrichtung die man Powerpop nennt, waren stets Kritikerlieblinge, leider nie Lieblinge der Plattenkäufer, somit waren die Musiker ständig bei anderen Projekten beschäftigt, so z.B. als Produzenten oder Studiomusiker, Stringfellow spielte auf einigen R.E.M. Platten und Tourneen Gitarre, beide waren Musiker der Reunion von Alex Chiltons Big Star.
Studioalbum #7 namens „Blood / Candy“ enthält wieder die gewohnt gute Mischung aus Powerpop, Balladen und einer Prise Country und einer (mir etwas zu beliebigen) Hitsingle „The Glitter Prize“. Manches klingt nach Nada Surf, einiges (z.B. das großartige „So Caroline“) nach The Jayhawks, wenn viel mit Harmoniegesang gearbeitet wird, denkt man an Beach Boys oder The Pearlfishers (was machen die überhaupt ?…), kurzum: hochgradig sympatischer, sonnengefluteter Gitarrenpop von rundum netten, erfahrenen und handwerklich völlig über den Dingen stehenden Musikern. Ihre schottischen Kollegen vom Teenage Fanclub sollten sich diese Platte mal zu Gemüte führen, dann klappt es vielleicht auch bei den eigenen Veröffentlichungen wieder besser (als nur ein Song) …

Platz 02 : THE CORAL – „The Butterfly House“


Nachdem in diesem Jahr aus sportlicher Sicht nix gescheites aus Liverpool zu vermelden war, freut man sich doch durchaus, wenn es in musikalischer Sicht stimmt, in der Stadt der Beatles., die sich ja nie auf die Fab Four beschränkt verstehen möchte, es gab ja immer noch andere, die letzten großen waren Echo & The Bunnymen in den Achzigern UND man kann, nein man muß sagen : The Coral in den 00ern. Parallelen sind sicher nicht zufällig, wenn man die ersten Strophen vom Schmetterlingshaus hört ist man geneigt sich das Cover mit den Credits etwas genauer zu betrachten, singt Ian McCulloch hier nicht doch irgendwie im Hintergrund (?)… Nein, die mittlerweile nur noch 5 Musiker von The Coral haben alles alleine gemacht, selbstverständlich nicht ohne sich kräftig in der vorwiegend britischen Musik der Vergangenheit zu bedienen, die Beatles sowieso, The Byrds in ebenfalls gehöriger Menge, Simon & Garfunkel, The Zombies seien genannt in diesen charmanten Reigen großartiger Songs, die zwar alt und retro klingen, aber eben große Songs bleiben (genau da liegt der Unterschied zu anfangs erwähnten Echo & The Bunnymen, deren Auswahl an verdammt guten Songs nämlich verschwindend gering ist). Manchmal kopieren sich The Coral sogar selbst : mein persönliches Highlight „Walking In The Winter“ (ich hoffe, das wird noch Single und Erfolg…) ist eine Kopie ihres eigenen Songs „Liezah“ vom ebenfalls großartigen Album „Magic & Medicine“ von 2003. Die Songs sind mit Ausnahme des closers „North Parade“ allesamt unter 4 Minuten, auch das macht sie sympatisch : …ich hab da ’nen Song, laß uns den mal fix spielen… andere gniedeln ihn in die Länge, diese sympatischen Liverpooler stellen das Juwel Song auf den Tonträger und konnten mich damit sehr erfreuen.

Platz 01 : DIE PLATTE DES JAHRES  (Tusch, täterätä….)
 THE NATIONAL „High Violet“


 The National, ursprünglich aus Cincinnati (Ohio) stammende New Yorker Band, welche aus dem Sänger Matt Berninger und den Brüderpaaren Dessner und Devendorf besteht, gewinnen 2010 mit gehörigen Abstand die brotlose Anerkennung, mein Lieblingsalbum des Jahres geschaffen zu haben.
Die Band war mir nicht neu, als das 5. Studioalbum „High Violet“ im Mai erschien, schließlich ist es ja durchaus die Musik, die mir schon immer am Herzen lag, Gitarren, etwas Melancholie, interessante orchestrale Instrumentierung und eine Stimme mit Wiedererkennungswert. All das hatten die ersten vier Veröffentlichungen auch schon, es fehlte nur leider eines : die guten Songs. The National waren daher für mich sowas wie die Band, die das Potential hatte, zumindest so cool zu werden wie Interpol, die ja erfolgreich in ähnlichen Gewässern treiben, dieses Potential aber noch nicht abschöpfen konnten. Mit „High Violet“ ist das alles anders. Ist die Qualität des zeitgleich erschienenen Interpol Albums deutlich im Sinkflug, so hoben The National sensationell ab. Sofort auf den ersten Eindruck war mir das auch nicht klar, „High Violet“ ist ein typischer grower, die Platte wächst von mal zu mal.
Mit „Terrible Love“ steht ein eher sperriger Opener am Anfang der elf Songs aber schon mit „Sorrow“ wird klar, wohin die Reise geht, in einen wunderbar vertonten Frühherbst, ich muß manchmal an die Red House Painters denken, mir schießen frühe Heldentaten der Tindersticks in den Sinn, die standen auch zahlreich und mit Nadelstreifenanzügen auf der Bühne. Über allen steht freilich Matt Berningers Baritonstimme, die macht sicher einigen Unterschied zu genannten Bands aus, ein Glücksfall für die Band und ihre Songs. Stellenweise ist es Pop, „Bloodbuzz Ohio“ lief sogar öfters auf RadioEins. Mir persönlich gefällt die 2. Plattenhälfte etwas besser, trotzdem muß gesagt werden, das kein einziger Song daneben geraten ist. Das grandiose Finale „Vanderlyle Crybaby Geeks“ beginnt mit :
„Leave your home, Change your name, Live alone, Eat your cake“ OK, aber nur mit solchen Platten bitte. Ein würdiger Spitzenreiter des Jahres.

1985 - 2009

2009 – The Church  „Untitled #23“

2008 – Nada Surf  „Lucky“

2007 – Arcade Fire „Neon Bible“

2006 – The Church  „Uninvited Like The Clouds“

2005 – Matt Pond PA  „Several Arrows Later“

2004 – R.E.M. „Around The Sun“

2003 – The Church „Forget Yourself“

2002 – Intepol „Turn On The Bright Lights“

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2001 – Pulp  „We Love Life“

2000 – Sigur Ros „Ágætis Byrjun“

1999 – Luna „The Days Of Our Nights“

1998 – Catatonia  „International Velvet“

1997 – Swell „Too Many Days Without Thinking“

1996 – Afghan Whigs „Black Love“

1995 – Dave Matthews Band „Under The Table And Dreaming“

1994 – Frank Black „Teenager Of The Year“

1993 – The Walkabouts „New West Motel“

1992 – The Church „Priest = Aura“

1991 – Elvis Costello „Mighty Like A Rose“

1990 – New Model Army  „Impurity“

1989 – The Cult „Sonic Temple“

1988 – The Church „Starfish“

1987 – U2 „The Joshua Tree“

1986 – The Smiths „The Queen Is Dead“

1985 – Simple Minds  „Once Upon A Time“

McLarsen goes Speyside – Scotland 2013

Tag 1 – Anreise …und von der Notwendigkeit einer Kreditkarte: So, jetzt isses soweit, ich habe meinen diesjährigen Schottlandaufenthalt angetreten und werde genau wie letztes Jahr berichten, was ich da so alles erlebe.
Gleich als erstes seie gesagt, das ich das hier sowohl im Whiskyforum als auch im Facebook schreibe, was zur Folge haben könnte, das die einen freundlich abwinken nach der Art – ich weiß was mit Whisky ist, die anderen, hauptsächlich bei Facebook haben von der Materie Whisky Null Ahnung, daher werde ich gelegentlich Sachen erklären, die im Forum nicht wirklich neu sind.
Letztes Jahr war ich auf der Insel Islay, wo es 8 Produzierende Whiskydistillen gibt, die alle vermarkten sich mehr oder weniger selbst, hier in der Speyside läuft das etwas anders, die Anzahl der produzierenden Whiskyfabriken beläuft sich etwa bei 50 und viele Brennereien mit Visitorcenter etc. gibt es zwar, aber im Verhältnis der Brennereien eher selten. Mein Ziel ist es, so viele wie mögliche Destillen persönlich kennenzulernen, nicht nur die, die für ein paar Pfund irgendwelchen oberflächlichen Kurzeindruck bilden, sondern Häuser mit gutem Namen, die nicht unbedingt im Mainstreambereich angesiedelt sind. Ich bin gespannt, was mich auf dieser Mission erwartet. Dem zweiten Teil der Reise gehört dem Speyside Autumn Festival, dem ich vor zwei Jahren schonmal mit Jörg beiwohnen durfte… Diese Reise ist genau wie die davor relativ gut durchgeplant, ich habe alle 10 Tage der „Expedition“ fast bis ins Detail geplant, aber erfahrungsgemäß haut ja nicht immer alles so hin wie gewünscht…

…noch am Flughafen wartete eine selbst verschuldete Überraschung…

Der erste Tag der Reise, quasi die Ankunft, steht immernoch im Zeichen eines kleinen Versehens, oder einer Vergesslichkeit… Wer kann schon besonders selig schlafen, wenn der Flieger um 9 Uhr starten will und man darf nicht verschlafen… Also ist der Schlaf eher Nebensache. Taxi, Flughafen (Tegel zum Glück), los gehts, Amsterdam, dann umsteigen nach Aberdeen. In etwa Höhe Ruhrpott, (da müssen wir ja irgendwie drüber sein…), fiel mir auf, das ich zwar meine Bankkarte mitgenommen hatte, die war auch Teil der drei Erinnerungen : (Geld, Handy & Papiere war), aber die blöde Kreditkarte, die den schnödesten Job dieses Trips ausüben sollte, nämlich als Sicherheit für den Mietwagen zu fungieren… Die liegt definitiv noch zuhause. Als es mir auffiel, hatte ich eine Vorahnung, das es ein Problem werden könnte. Als ich mit Nina vor ein paar Jahren ohne irgendeine Kreditkarte mal ein Auto gemietet hatte, wurden wir auch schon schräg angesehen… Kreditkarte gehört doch zum guten Ton…, wir konnten das aber mit einer Bareinlage irgendwie klarmachen. Das war heute schwierig No Creditcard No Car. No Woman No Cry ist ein Scheißdreck dagegen… Ich fragte die durchaus freundliche und engagierte Dame von Hertz was sie wohl in meinen Schuhen tun würde, ohne Auto wäre dieser Trip für mich quasi Quatsch…sie empfahl mir am Flughafenterminal bei Travelex eine Visa Prepaidcard einzurichten, mit dem das ganze jetzt funktionieren würde….ok, ich kürze an der Stelle ab, es hat auch funktioniert, aber kleine Ursache (wenn McTrottel unterwegs ist) …aber fast so fatal wie das Wahlergebnis, welches ich später erfahren musste… gut… Tour gerettet, mit dem Termin 14.00 Uhr bei Glen Garioch etwas im Verzug, ich nahm meinen nebenbeigesagt sehr neuen Ford Focus für läppische 6,~Euro pro Tag) entgegen, mußte mich doch erstmal wieder an die linksseitigen Straßenverhältnisse gewöhnen und ab nach Oldmeldrum.

Glen Garioch ist eine der ältesten Brennereien Schottlands… das Land in dem immer die Sonne scheint… zumindest wenn ich komme 😉

 

Ich hatte mir die Strecke auf der Karte gemerkt und war begeistert, das ich dann auch wirklich vor der Glen Garioch ( der Gäle spricht das Glen Gieri, warum auch immer) Distillery stand und dann aber zweifeln musste, das die Tour, die ich gerade verpasst hatte, eh erst um 15 Uhr losgehen sollte, obwohl das per email anders ausgemacht war, egal, das war ja alles zu meinem Vorteil. Die Tour bei Glen Garioch, deren Vertreter Gordon Dundas ja erst letzte Woche im Offside ein Tasting organisiert hatte, war gut. Ich hatte nichts außergewöhnliches erwartet, dafür war es sehr gut, man durfte vor allem fotografieren wie man wollte und das ich mir ja fast schon mit das Wichtigste, nicht weil ich das brauche, sondern das ich in der Lage bin, mir bei den eigenen Tastings keine Bilder borgen zu müssen… Insgesamt war ich überrascht, das die Distillery so klein und ungewöhnlich geschnitten ist, alles etwas schmuddelich, dafür ist das Besucherzentrum wie aus’m Ei gepellt und hat sogar goldene Wasserhähne auf dem WC.

Die Brennblasen von Glen Garioch...
...mit Details im Sonnenlicht...

Danach ging es nach Dufftown, ich residiere im wohl einzigen Einzelzimmer der Whiskyhauptstadt der Welt im Commercial Hotel, ich hatte auch diesbezüglich nicht viel erwartet und promt auch nichts besseres vorgefunden, aber durchaus sauber, ansonsten eher mit einer Zelle für Straftäter vergleichbar…

Morgen früh habe ich um 10 Uhr ein privates Date mit der Glenrothes Distillery, danach werde ich mir die anderen Brennereien in Rothes auch noch innerlich oder äußerlich vornehmen…
…und darüber berichten…

Glenrothes liegt neben dem Friedhof
...man beachte die deutsche Flagge...

Tag 2: Rothes: So, Montag, Tag zwei in der Speyside Expedition 2013, auf der Tagesordnung : Rothes. Die Stadt, naja, mit ca. 1200 Einwohnern sagen wir mal lieber Dorf, ist nicht besonders schön, durch die vielen LKWs die täglich zu hunderten die enge Hauptstraße langbrettern, würde ich sogar sagen ungemütlich, aber es gibt 4 aktive Whiskybrennereien und um diese sollte es heute gehen. Vor ein paar Wochen habe ich mit Glenrothes Kontakt aufgenommen, die Distillery ist nicht für den Publikumsverkehr geöffnet, auf Anfrage allerdings schon. Ich war um 10 mit Eric Jefferson verabredet, ein ehemaliger Vertreter im Whiskyvertrieb und gebürtiger Rotheser, auf dessen Visitenkarte steht : Visits Manager. Er ist weit in den Sechzigern und macht das sicher quasi so als Rentnernebenjob. Das erste was mir auffiel, war die deutsche Flagge, die zwischen der schottischen und der Glenrothesflagge aufgezogen war, wie ich später erfuhr, war die tatsächlich extra für mich gehisst worden, als ich später noch ein wenig rumlief, sah ich, wie Eric sie wieder einsammelte, nun bin ich schon etwas gerührt, da ist der rote Teppich und die Blaskapelle ja nicht mehr weit entfernt… Bei Glenrothes ruht derzeit die Produktion für 3 – 4 Wochen, der Grund dafür ist der Austausch von Wasserleitungen. Wir liefen durch alle Teile der Brennerei, er mußte mir natürlich nicht das ABC des Whiskybrennens erklären, dafür konnte er mir viele kleine Details erklären, über die es sonst weniger zu hören gibt.

"The Cathedral" aka das Stillhouse
Der Schatzschrank war offen... nächstes mal komme ich ohne Auto...

Das Stillhouse (das ist das Gebäude, in dem die Brennblasen installiert sind), inoffiziell auch Kathedrale genannt, ist ein wahres Prachtstück. Außerdem waren wir noch in der Faßabfüllung, in der Küferei, im Warehouse und schließlich im Tastingroom, wo sich normalerweise der Masterblender mit seiner Supernase austobt. Dort gab es natürlich auch den einen oder anderen Tropfen zu probieren, wäre ich nicht gerade mit dem Auto da gewesen, hätte das ein lustiger Mittag werden können, aber ich beschränkte mich auf wenige Kostproben. Das Fazit dieses Besuches ist ganz klar, das es ein absolutes Highlight für mich war, ich kann allen Maltheads nur empfehlen, das sie, wenn sie in der Gegend sind, sich bei Glenrothes anmelden und Eric seine Tour machen. Nach Glenrothes ging ich zu Fuß zu Glen Grant, machte die Standardtour mit, die natürlich Welten von dem entfernt war was ich gerade erlebt hatte, aber trotzdem nett.

Große Brennblasen gibt es auch bei Glen Grant...
Diese Purifier sind für den milden Glen Grant Brand verantwortlich.

Da das Wetter mit 23 Grad und schönstem Sonnenschein dazu einlud, etwas spazieren zu gehen, (und die Glenrothes Pröbchen zu verdauen), ging ich in die Glen Grant Gardens, einen wunderschönen Park mit Obstbäumen, Wasserfällen und Verstecken von des alten Major Grants Whiskyflaschen, für den Fall, das ihm plötzlich beim spazieren dürstete. Der Park ist absolut empfehlenswert, zumal ich die einzige Menschenseele weit und breit war.

In den Glen Grant Gardens
In einem kleinen Versteck...
...hatte sich Major Grant etwas für den Durst versteckt...

So, dann noch schnell ein Bild von Glen Spey gemacht, das ehemalige Domizil der vor zwei Jahren abgerissenen Caperdonich Distillery betrachtet (heute wird das Gelände von einer Firma bewohnt, die Brennblasen herstellt, also nicht ganz so weit vom Thema entfernt), dann holte ich das Auto und machte einen Abstecher zu Speyburn, was etwas außerhalb in einem Tal liegt. Als ich dann zurück in Dufftown war, nutzte ich nochmals das Wetter und ging noch zu der Dufftown Distillery und zu Mortlach und machte ein paar Fotos. Irgendwann brauchte man ja dann doch noch mal etwas Ruhe, und ich zog mich dann etwas in „meine Gemächer“ zurück, ein wenig Ruhe und fast der gesamte heutige Bericht, den ihr hier lest sind das Resultat. Nach einem schönen Essen im Stuarts Arms wagte ich den zweiten Anlauf ins Royal Oak, von dem ich gerade zurück bin. …also mir hat es Spaß gemacht mich lange und breit mit Yvonne und John zu unterhalten, ich brauchte auch niemanden anderes dabei… Ich denke aber die beiden sympathischen Wirtsleute schon, ich vermute der Plan, hauptsächlich auf die Jugend zu setzen, ist nicht aufgegangen. Ich drück den beiden den Daumen und hoffe, das das anstehende Whiskyfestival etwas für sie abwirft.
So, morgen gibt es keine Termine, aber jede Menge Fotos, ich werde durch die Gegend fahren und vor allem nicht zugängliche Häuser (wohl nur von außen…aber vielleicht ergibt sich ja was…) fotografieren…

Der Brennblasenhersteller Forsyths auf dem Gelände der ehemaligen Brennerei Caperdonich
Die Speyburn Distillery

Tag 3: Distilleryspotting: Heute stattete ich insgesamt 10 Speyside Distillen einen Besuch ab, das hört sich viel an, manche Besuche waren aber so kurz, als hätte ich bei jemanden geklingelt und ihm einen schönen Tag gewünscht. Angefangen habe ich mit Glenallachie, was gleich hinter Aberlour liegt, Pernod-Ricard gehört und nicht für Besucher geöffnet ist, es ist eine eher moderne Brennerei aus den 1970ern. Weiter ging es mit Dailluaine, deren Dampf man im gesamten Tal sehen kann, auch nicht zu besichtigen. Danach folgte eine Baustellenbesichtigung… selbstverständlich aus etwas Entfernung, da wo früher die Imperial Distillery stand, sind heute nur noch einige Warehouses übrig, der Rest wurde abgerissen und im Moment entsteht am gleichen Platz eine komplett neue Distillery, welche später Dalmunach heißen soll.

Die Glenallachie Distillery
Ex- Imperial Pre- Dalmunach 2013

Die nächste Station war Cardhu und da gönnte ich mir die Tour, ich war ja diesmal so schlau, meinen Friends Of Classic Malts mitzunehmen und mußte nichts bezahlen. Die Touren von Diageo Brennereien haben den Nachteil, das man nicht fotographieren darf, aber so viele Sachen sind in den Brennereien eh nicht komplett verschieden. die Tour selbst war sehr nett, zum Abschluß konnte man wählen zwischen dem Cardhu 12 und dieser Special Edition, welche gerade neu auf dem Markt ist.

Cardhu Distillery
Knockando Distillery

Weiter ging es mit Tamdhu, wo ich auch mal zum Fluß Spey hinuntergeklettert bin, nur etwa eine Meile entfernt kam dann Knockando, leider auch dort ohne Einlass, aber das hatte ich eh nicht vor, Hauptsache mal da gewesen sein und ordentlich Bildmaterial erzeugt. 

Der Speyside Trail war früher eine Bahnstrecke... hier bei Tamdhu gut zu erkennen...
...heute kann man von Brennerei zu Brennerei wandern...
...immer am River Spey entlang... oder auch auf dem Wasserweg

Nicht allzu weit entfernt, liegt auch Cragganmore, ich würde sagen, dort muß die sprichwörtliche Gegend sein, in der sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen… Wenn ich schonmal da war und mich das auch wieder nichts gekostet hat, nahm ich auch diese Tour mit, als einziger Gast, was den Vorteil hatte, das ich dem Tourguide sagen konnte, er muß mir nich unbedingt erklären, wie Whisky hergestellt wird, sondern eher auf Besonderheiten hinweisen durfte. 

Torbogen von Cragganmore
Privatführung mit Verkostung in gediegenem Ambiente

Viele Extravaganzen gab es auch bei Cragganmore nicht, sieht man mal davon ab, das die Brennblasen zwischen Mashtun und Washbacks angesiedelt sind, was eigentlich keinen Sinn macht. Nach einem kurzen Intermezzo an der Tormore Distillery, die einen schönen Vorgarten hat, ging es zur letzten großen Station, nämlich Glenlivet. Auch bei den Pernod-Ricard Brennereien herrscht Fotoverbot, in diesem Falle ärgerlich, da ich dort einige Motive gefunden hätte. Gezeigt wurde ausschliesslich der neue Teil der Brennerei, der erst 4 Jahre alt ist. Ein großes Visitorcenter mit allem Pipapo war natürlich auch vorhanden, aber es hat mich nicht gereizt, irgendetwas zu kaufen. Die Führungen bei Glenlivet sind übrigens prinzipiell gratis und man bekommt sogar 3 Drams: 12 Jahre, 16 Jahre Nadurra Fasstärke und 18 Jahre. Da ich ja noch fahren mußte, beschränkte ich es auf den Nadurra, das ist eh der beste von denen. Fazit : Gratistour mit 3 Whiskys, da kann man nicht meckern. Auf dem Rückweg kam ich noch bei Allt-A-Bhaine vorbei und machte noch schnell mit laufendem Motor zwei, drei Bilder.

Tormore Distillery mit echt organischen Brennblasen im Vorgarten
Glenlivet aus der Ferne
Die Knockdhu Distillery mit dem schwarzen Berg

Tag 4 – Knockdhu, Glendronach & Glenglassaugh: 10 Uhr vormittags stand ein Besuch der Knockdhu Distillery an, nicht zu verwechseln mit Knockando. Da das aber in der Vergangenheit angeblich ein Problem war, beide Distillen zu unterscheiden, vermarktet Knockdhu ihre Single Malts seit Anfang der 1990er Jahre unter dem Namen AnCnoc (gälisch : ein Berg, Knockdhu : schwarzer Berg). Der namensgebende Knock Hill ist in der Tat ein großer schwarzer Hügel und ist weit in der Gegend zu sehen. Die Hinfahrt war vom Regen geprägt, der erste schottische Regen in diesem Jahr, als ich dort ankam waren die Scheibenwischer allerdings bereits wieder aus, mittlerweile ist das Wetter wieder so, wie ich es in Schottland gewöhnt bin… Genau wie bei Glenrothes habe ich diese Tour per Email mit dem Distillerymanager Gordon Bruce ausgemacht. Er nahm sich die Zeit und führte mich in alle Ecken dieser eher kleinen, recht wenig bekannten Brennerei. Das schöne an solchen Touren ist, das man die Augen für die kleinen Details geöffnet bekommt, von denen Tourguides von großen Brennereien nicht mal was wissen, aber was interessiert es auch den Laien, welche Art Kondensatoren es gibt… Anschließend ging es in einen kleinen Tastingroom und ein paar kleine Kostproben, aber auch diesmal nur wirklich kleine, bevor ich dann noch die Straßenseiten verwechsel… Ich hatte den Eindruck, daß das Team dort ein sehr familiäres Verhältnis miteinander hat und Gordon einer der nettesten Distillerymanager ist, die ich bislang kennenlernen durfte.

Ohne Glanz und Gloria... dafür sympathisch: Knockdhu...
...deren Whisky als anCnoc verkauft wird.

Als nächstes stand mit Glendronach eine Distillery an, die ich sehr schätze. Wer sherrylastigen Whisky mag, für den ist Glendronach der Petersdom der Whiskybrennereien. Die Tour, die ich zusammen mit 5 älteren Herren aus Aberdeen machte, war nett, aber nach der Privattour am Vormittag natürlich eher unspektakulär. In der Vitrine im Shop des Visitorcenters stehen ein paar Schätzchen… Hmmm, aber natürlich auch zu stolzen Preisen…

Hübscher Innenhof bei Glendronach
Stillleben mal anders...

Etwas vom Tag war noch übrig, so das es sich lohnte auch einer dritten Distillery einen Besuch abzustatten : Glenglassaugh. Die Brennerei, die ziemlich nahe am Meer ist, wurde erst vor ein paar Jahren nach langem Stillstand wiedereröffnet und gehört mittlerweile den gleichen Besitzern wie Glendronach und BenRiach. Glenglassaugh ist derzeit eine reine Baustelle, hauptsächlich Straßenarbeiten finden statt und auch einige Lagerhäuser erhalten neue Dächer, es war ein einziges Gewusel… Ich war mal wieder der einzige Tourgast. Für 7,50 Pfund (ich kann mich nicht erinnern, für eine Standardtour schonmal so viel bezahlt zu haben) wurde ich von einer netten Frau durch die Distillery geführt, wobei sich mir dort keine neuen Erkenntnisse erschlossen, außer der Feststellung, das auch dort die Brennblasen zwischen Mashtun und Washbacks liegen. Anschliessend gab es wieder etwas zum verkosten, und da nehme ich die Beschwerde ob des Unkostenbeitrages wieder zurück, es gab einen jungen 1st fill Sherrywhisky aus der The Chosen Ones Serie, den neuen 30jährigen und einen aus der nicht ganz billigen Massandra Collection aus den 1970ern.
Damit erhöhte sich das Konto der von mir besichtigten Whiskybrennereien Schottlands (nur die von innen besichtigten, nicht die, um die ich nur mal drumherum gelaufen bin…) auf mittlerweile 35, nicht schlecht, wenn man bedenkt, das die erste vor gerademal 3 Jahren anstand. Ich hatte das gestern abend mal nachrecherchiert, weil ich so oft danach gefragt wurde. Um mindestens 2 wird das Konto morgen anwachsen, geplant sind Glen Moray und BenRiach…

...nur zwei Brennblasen hat Glenglassaugh...
...und 'ne Menge Holz in der Hütte.

Abends unternahm ich dann noch die übliche Runde, essen im Stuarts Arms und dann noch ein paar Bier im Royal Oak, dort wartete heute ein alter Bekannter von mir : Willi aus Sulingen bei Bremen, ein Kollege von mir, der den dortigen Pub betreibt (wo ich allerdings nie war). Wir lernten uns letztes Jahr auf Islay am Frühstückstisch kennen, da wir die gleiche Unterkunft hatten. Leider war das letztes Jahr mein letzter Tag in Schottland. Durch ein quasi Missverständnis, ich erzählte gestern irgendwas von Bremen wegen eines Importeurs, hat John, der Wirt des Royal Oak irgendwas von Bremen aufgeschnappt, Willi kam heute nachmittag hier an, ging auf blauen Dunst ins Royal Oak, erzählte irgendwas von Bremen, und John sagte, achja, du kennst doch Lars, den Wirt aus Berlin, der hat gestern von dir erzählt… Willi war hocherfreut darüber…. Das ich ihn nicht meinte, erzähl ich ihm nicht, aber es ist mal wieder cool, wie klein die (Whisky)welt ist… Auf meine morgige Tour nehm ich ihn mit, er ist happy…, ich freu mich auch…

...auch nicht für makellose Schönheit berühmt: Glen Moray

Tag 5 – Glen Moray & BenRiach: Donnerstag, der fünfte Tag der Expedition und alles ist noch gesund… Gestern war der Tag, an dem ich meinen älteren Kollegen aus der Nähe von Bremen traf und heute sind wir zusammen auf Tour gegangen. Erstes Ziel war die Besichtigung der Glen Moray Distillery in … Moray. Glen Moray ist irgendwie so eine Distillery, die man schwer einsortieren kann, nicht wegen der Whiskys, die sind zumeist schon typisch Speyside, aber sie gehören keinen großen Konzern an, sondern dürfen einfach sein wie sie sind und das merkt man, wenn man dort mal zu Besuch kommt, irgendwie sehr nett und anders… Die Tour war sehr schön, eine Dame mit guten Deutschkenntnissen führte uns durch die Brennerei, in der es einige Sachen gab, die ich so noch nicht gesehen habe. Am Ende stand auch die erste Flasche im Kofferraum, die ich im Rahmen dieser Reise erworben habe. (Zum Vergleich… letztes Jahr waren es bestimmt schon 5…)

Willi beim kosten aus dem Underback
BenRiach von hinten

Nach dieser Tour, das Wetter war nach den 3 Grad heute morgen sonnig und warm… ging es erstmal kurz ins Zentrum von Elgin zu Gordon & MacPhail, der legendären Whiskyabfüllerbude…, anschließend zum Highlight des heutigen Tages : BenRiach. Diese Brennerei zählte nie zu meinen Lieblingen, zu unübersichtlich war die Flut an Abfüllungen in den letzten Jahren, das hatte beinahe schon Ausmaße wie einst Bruichladdich, etwas wirklich gescheites war aber nicht wirklich dabei. Das die aber was können, weiß ich natürlich auch, Einzelfassabfüllungen dieser Distillery, können absolut fantastisch sein, so z.B. das Faß von Tom (Anam na h-Alba), welches bei unserem letzten Whiskytasting Platz 1 belegt hat, trotz eines 34jährigem Glenturret… Ein Vorgeschmack auf zukünftige Einzelfassabfüllungen konnten wir uns auf der heutigen Tour holen, direkt aus dem Faß. Der erste Teil der Tour führte gewohnt durch die verschiedenen Produktionsstufen, nichts außergewöhnliches, außer das es Maltings gibt, die aber erst nächste Woche wieder in Arbeit gehen. Ein Besuch in den oberen Teil des Kilns war auch interessant und für viele das erste mal. 

Gerste werde zu Malz... BenRiach Maltings
Im Warehouse schmeckt es am besten...

Das besondere an dieser Tour war der ausführliche Besuch der Warehouses. Insgesamt hat Ronny, unser Führer, der leider seinen vorletzten Tag in der Firma hatte, glaub ich 5 oder 6 Fässer aufgemacht und mit dem Vaillinch, so eine Art Riesenstahlpipette in die Gläser verteilt, die sich ihm entgegenreckten wie hungrige Schnäbel von jungen Vögeln im Nest… Der erste war ein Knaller, 1975er Jahrgang, refill Sherrycask, danach müsste ich jetzt die Fotos abfragen, aber es war fast alles dabei, was man irgendwie mit Whisky und Fässern machen kann. Leider konnte ich immer mal dran nippen, da ich ja irgendwie noch fahren mußte, aber Willi hat es gefreut, wenn ich ihn meinen Whisky in sein Glas geschüttet habe. Danach fuhr ich den Wagen sicher nachhause und wir holten uns die Grundlage für das BenRiach Fasstasting hinterher in Form fester Nahrung im Stuarts Arms. Nach einer kurzen Pause ging es dann in das Restaurant A Taste Of Speyside, hier in Dufftown, da war heute ein Forumstreffen organisiert, an dem ich viele Gesichter zu bekannten Namen kennenlernen durfte. In dem Berliner Raum läuft man sich ja hier und dort mal überm Weg, Deutschlandweit ist das schon schwieriger. Besonders schön ist es natürlich, wenn man sich dann an der Quelle des gemeinsamen Interesses in Schottland trifft, kennenlernt und dann auch noch einen schönen Abend miteinander verlebt.
Anschliessend ging es nochmal kurz ins Royal Oak, wo ich erneut feststellen mußte, das Schottland längst von den Wikingern besetzt ist und nun ist aber Feierabend.
Morgen früh gibt es das nächste Highlight, das 5 Decades Tasting bei Glenfarclas. Später dann ursprünglich Benrinnes, das klappt wohl nicht und wurde kurzerhand von Cardhu ersetzt, wo ich ja vorgestern erst war, mal sehen was ich damit mache, warscheinlich werde ich Willi die Veranstaltung abtreten.

Tag 6 – Glenfarclas, Tastings & Stramash: Gestern startete für mich das Autumn Whisky Festival. Die erste Veranstaltung war ein 7 Decades Tasting in der Glenfarclas Distillery. Als Begrüßung gab es eine Abfüllung von 1997, wir machten dann die Tour und im Warehouse gab es aus Faßsamples Malts von 2000 und 2010. Nach der Tour ging es in den prächtigen Tastingroom, oder besser Saal und es folgten die fehlenden Jahrzehnte, vertreten von Abfüllungen von 1985, 1976, 1965 und 1957. jeder kann sich sicher vorstellen, das es sich hierbei um äußerst leckere Tropfen handelte, die natürlich auch ihren Preis haben, eine Flasche vom 1957er kostet eben mal 1600 Pfund… 

…die jüngeren Ferkelchen gab es in der Distillery und im Warehouse…
…präsentiert von Kate Watt
…solche alten Schätzchen liegen dort noch rum…
…die älteren Ferkel gab es im prächtigen Tastingroom der Brennerei…
…ich fand 1965 und 1976 am besten…

Danach ging es mit dem gecharterten Bus zurück nach Dufftown. Meine Tour nach Benrinnes, die ja durch Cardhu ersetzt wurde trat ich an Willi ab, der sich darüber freute. Ich ging mit Jan aus Hamburg erstmal gemütlich was essen und schloss mich dann später den Tastings BenRiach & Glendronach sowie Berry Bros. & Rudd an.

Beim Tasting Berry Bros. & Rudd

Als letzte Veranstaltung des Tages ging es dann zum Stramash, so ein Zwischending aus Konzert und Tanz der Einheimischen, das ist immer wieder nett und auch ein wenig putzig… Danach hatte ich dann doch den Kanal voll und bin auf direktem Wege ins Hotel und ins Bettchen, auf Schreiben hatte ich keine Lust mehr. Heute um 12 startet die legendäre Seven Stills Bus Tour durch alle Brennereien Dufftowns. Später gibt es dann ein weiteres Treffen mit den Forumsmitgliedern hier vor Ort, wir werden entweder in Aberlour oder Craigellachie essen gehen.

Stramash

Tag 7 – Seven Stills Tour, Highlander Inn Craigellachie: …so, die Hälfte der eh recht großzügig bemessenen Zeit in Schottland ist längst ‚rum, gesehen hab ich schon eine Menge diesmal, ich habe bislang 11 Distillen besichtigt, bei denen ich vorher noch nicht war und mindestens, warscheinlich deutlich mehr, Brennereien „von außen“ besichtigt, sei es drum ob ich nicht wollte oder das die nicht wollten. Bei den insgesamt 37 besichtigten Whiskyfabriken gab es bis gestern nur einen doppelten Besuch, das war letztes Jahr Ardbeg. Gestern kam mit Glenfarclas die zweite dazu und heute gleich fünf. Grund dafür war, das ich die Seven Stills Tour nochmals erleben wollte, wie vor zwei Jahren zusammen mit Jörg. Leider ist der erste Gedanke wenn es um die Tour damals ging, das Wetter, völlig untypisch für meine Schottlandaufenthalte, regnete es diesemTag Katzen, Hunde, Elche und weiß ich was noch…, es war nicht so optimal… Das Wetter heute war gut bis sehr gut, von dieser Seite drohte keine Gefahr. Der zweite Punkt der mir damals etwas unangenehm aufgestoßen war, das war das strenge Fotoverbot in den drei Diageo Distillen. Damals war ein junger Manager, der auf der Karriereleiter noch etwas Luft nach oben hatte, zuständig und bestand auch auf die absolute Einhaltung. Der heutige Manager, weit in den 60’ern, sah das deutlich gelassener und erlaubte Fotos ohne Blitz, bei der Verkündung dessen, hätte ich ihn beinahe geknutscht…

René Ramon von Dufftown 2000 präsentiert einen Pittyvaich dort wo einst die Brennerei stand…
Dufftown Distillery… Home of Singleton of Dufftown
Dufftown Distillery – Brennblasen

Nun zum Ablauf der Tour. Es waren 30 Leute im gecharterten Bus, es war (wie immer) schnell ausverkauft, Niels aus Wuppertal (samhain) und ich waren die einzigen Deutschen, der Großteil bestand wie üblich aus Skandinaviern und einigen „wichtigen“ US-Amerikanern. Erste Station war der Platz, an dem Anfang der 1990er Jahre die Pittyvaich Distillery stand, in der selten guter Whisky distilliert wurde, eher Versuche gemacht wurden. Eine vernünftige Abfüllung ist und bleibt die Flora&Fauna Abfüllung, die war unser erster Dram. Weiter ging es mit der Dufftown Distillery, es gab dazu den12jährigen Singleton of Dufftown, nicht gerade mein Ding, aber viele Originalabfüllungen dieser eher großen Brennerei gibt es halt nicht. 

Mortlach – oldest distillery in town…
…got a brandnew washback…

Station 3 : Mortlach. Wenn es mir eine Distillery in Dufftown angetan hat, dann ist es Mortlach, die älteste auch und die, in der Glenfiddich Gründer William Grant sein Handwerk erlernte. Bei Mortlach wird zur Zeit reichlich gebaut, wir konnten u.a. ein neuen Washback aus Holz sehen, der gerademal gebaut wurde und erst nächste Woche in Betrieb geht sehen. die Brennblasen waren eingerüstet weil auch da irgendwelche Wartungsarbeiten durchgeführt werden. Das interessanteste aber war, das ca. nächstes Jahr die Brennerei verdoppelt wird, soll heißen, die 3-4 Warehouses links neben dem Eingang werden platt gemacht und ein neues Brennereigebäude wird errichtet, mit originangetreuen Kopien der vorhandenen Brennblasen. Diageo gibt derzeit ganz schön Gas… 

…bei Glendullan wird überwiegend Whisky für Blends hergestellt…
Bei Parkmore steht die Produktion seit 1931 still

Danach ging es zu Glendullan, der dritten Diageo Distillery, wo es einen Singleton of Glendullan gab, von dem ich bis heute auch noch nichts wußte… Es folgte ein Stop auf dem Gelände der Parkmore Distillery, die seit den frühen 1930er Jahren nicht mehr produziert. Hier gab es Kekse und Käse. Es folgten mit Balvenie und Glenfiddich die letzten produzierenden Distillen des Tages, wobei der Besuch des Warehouses #8 schon schön war, zumal es etwas direkt aus dem Solerakessel gab, was extrem lecker war… …nicht unterschlagen möchte ich auch, das wir die Kininvie Distillery auf dem Glenfiddich Gelände auch besichtigt haben, die sind hauptsächlich für den Blend Monkeys Shoulder zuständig, ein 20jähriger Single Malt wurde dazu gereicht, ein Whisky, den man definitiv nirgendwo kaufen kann. 

Balvenie produziert einen Teil seines Malzes selbst…
Der Ofen zur Malzdarrung
Der Autor vor den Brennblasen von Kininvie

Es folgte die letzte Station : Convalmore, eine Distillery die seit 1985 geschlossen ist, und deren Gebäude heute von Glenfiddich als Lagerhäuser benutzt werden. Es wurde ein 1984’er Convalmore von Gordon & MacPhail (CC) gereicht und die Tour schien bereits vorbei, als plötzlich ein direkter Anwohner mit einer Flasche Glenfarclas erschien, die er einfach mal an uns verteilt hatte. Es handelte sich um eine Fassstärke von über 67 %, selbst abgefüllt, ohne Label und sehr lecker, sowas kann man nur in Schottland erleben, wenn überhaupt… Fazit der Tour ist auf jeden Fall, das es sehr viel Spaß gemacht hat. Es war viel besser als vor zwei Jahren und das lag nicht nur am Wetter.

…am Ende einer langen Tour…

Nach der Tour wurden Niels und ich von unseren Forumskollegen Martin nebst Freundin Carmen und Matthias eingesammelt und es ging in den Highlander Inn nach Craigellachie, wo Jan schon auf uns wartete, wir dann dinierten, tranken und stundenlang über unser gemeinsames Hobby, dem schottischen Landwein philosophierten. …ein wunderschöner Tag…

Nachts an der Craigellachie Distillery: Die dicken Dinger von Craigellachie

Tag 8 – Tomintoul & Robin Laing: Sehen wir mal vom Dienstag, dem Tag der Heimreise ab ist heute schon der vorletzte Tag. Zwei Veranstaltungen stehen für heute im Kalender: Tomintoul und abends das Konzert mit Robin Laing. Um 10 Uhr fuhr der Bus in Richtung Tomintoul Distillery ab, das Wetter einmal mehr traumhaft, die Landschaft einfach wunderschön, als ich mit dem Auto durch die Gegend gedüst bin, konnte ich nicht allzu viel davon genießen, heute schon. Ziel Nummer eins mit dem Namen Tomintoul war die Distillery (…mal was anderes ;)…) gleichen Namens wie die höchstgelegene Ortschaft Schottlands. Ich erlebte diese Tour bereits vor zwei Jahren und sie hatte mir so gut gefallen, das ich das noch einmal erleben wollte. Viel neues hat sich in der Brennerei nicht geändert, die Führung war sehr ausführlich, was ich etwas vermisst habe, war der Führer von damals, der hatte einen unheimlich netten Humor, der heutige war eher kein Entertainer.

Bei Tomintoul gibts auch keinen Schönheitswettbewerb zu gewinnen...
Die Technik aus den 60'ern funktioniert noch 1A...
...wiederum eine Menge Holz...

Danach ging es in den Ort Tomintoul, ca. 320 Einwohner auf einer Höhe von 345 m überm Meeresspiegel gelegen. Erster Anlaufpunkt war das Whiskycastle, einer der berühmtesten Whiskyshops Schottlands. Der Besitzer dieses Ladens, Mike Drury erinnert mich mit seiner Schrulligkeit etwas an Herrn Horn, dem leider mittlerweile ehemaligen Betreiber des berühmten Big Market in Berlin Britz. Ehe wir so richtig den Laden betreten hatten, hatten wir schon jeder ein Glas in der Hand und bekamen diverse Drams eingeschenkt (nicht das wir bei Tomintoul nichts bekommen hätten…), mit dem Ergebnis, das die zweite Flasche der Reise in meine Tasche wanderte, es handelt sich um eine Eigenabfüllung vom Whiskycastle von einer Distille, welche ich kürzlich besucht habe, die Auflösung gibt es demnächst beim Line-up des nächsten Offside Whiskytasting, welches gegen Ende Oktober geplant ist. Der zweite Anlaufpunkt nach dem Laden war das Restaurant Clockhouse, wo es ein Zweigänge Menü gab, welches in der Veranstaltung inclusive war, sehr lecker übrigens… Auf dem Rückweg bekamen wir es mit einer Horde Schafe zu tun, die die Straße schlichtweg für sich beanspruchten und es einige Mühe kostete, an denen vorbei zu fahren, ohne einen Braten mitzunehmen…

Im Whiskycastle Tomintoul

Nach der Tomintoul Geschichte war dann einige Zeit bis zum Robin Laing Konzert, die ich nutzte, um mal ein bischen garnichts zu machen, etwas Musik zu hören zum Beispiel. Die CD dieses Trips stand recht früh als Sieger fest, es handelt sich um die neue Veröffentlichung der kanadischen Sängerin Neko Case, schon länger so eine Art Lieblingssängerin, ihr neues Album „The Worse Things Get…“ kann ich nur wärmstens empfehlen. Apropos Musik, der Singer/Songwriter Robin Laing aus Edinburgh macht hauptsächlich Lieder über seine und meine Leidenschaft, dem Whisky. Heute bot er auch andere Lieder, von denen mir manche wirklich sehr gut gefallen haben, ein sehr sympatischer Mensch und Musiker, seine Stimme erinnert mich immer etwas an Ralph McTell („Streets Of London“…falls sich jemand erinnert…) dazu wurden auch noch 6 Whiskys gereicht, also 18 Pounds für ein Konzert mit 6 Malts, viel zu meckern hat man da auch nicht…

Robin Laing Live

Anschliessend, was dann auch schon halb eins war, ging es mit meinem Bekannten Eike aus Stuttgart, dem Betreiber der Website whisky-reisen.de, ausnahmsweise nicht ins Royal Oak, sondern ins Stuart Arms, wo wir Willi aus Bremen trafen, dem es heute gelungen war, sich auf dem Weg zwischen Aberlour und Dufftown dermaßen zu verlaufen (über den Berg), das er von der Dunkelheit überrascht wurde und ganz wo anders (8 Meilen von Dufftown) rauskam, zum Glück Handynetz hatte und dann irgendwann von seinem Vermieter abgeholt zu werden… Ich glaub der kann heute gut schlafen…
Morgen steht die Veranstaltung „A Mystery Bus Tour“ an, wohin es geht …ich habe keine Ahnung, werde es aber morgen auf jeden Fall kundtun…

Dufftown By Night

Tag 9 – Mystery Bus Tour: …so alles hat ein Ende… Würste mal ausgelassen, der letzte Tag jedenfalls, war schon nochmal ein Highlight. Auf dem offiziellen Programm standen heute zwei Sachen : Mystery Bus Tour und Drams Party. Die Busfahrt führte uns zuerst in die Glenrothes Distillery, wo ich mich freute, Eric Jefferson wiederzusehen. Wir bekamen eine Tour, die für mich jetzt nicht sooo interessant war, da ich das ja gerade erst letzten Montag gesehen hatte. 

Ein Wiedersehen mit Glenrothes

Die Fahrt zum nächsten Ziel hätte man eigentlich auch laufen können : Glen Spey liegt nur wenige Meter von Glenrothes entfernt. Die Diageo Distillery ist eine der kleineren ihrer Art, die aber auch 24/7 eine Menge Whisky produziert. Nach der Besichtigung dieser normalerweise nicht für die Öffentlichkeit zugänglichen Brennerei ging es erstmal ins Eastside Hotel von Rothes, wo es ein paar Sachen zu essen und auch zu trinken gab. 

Die Glen Spey Distillery in Rothes
Glen Spey – Stills

Letzteres gestaltete sich in Form von 4 verschiedenen Glenrothes Whiskys, zu denen auch Masterblender Ronnie Cox kurz erschien. Unser nächstes Ziel war dann die Inchgower Distillery in der Nähe von Buckie, was mich freute, da man dort auch nicht so einfach reinkommt. Die Brennerei, ebenfalls zu Diageo gehörend, wurde vor nicht allzu langer Zeit ordentlich renoviert und auch technisch modernisiert. Es durfte fotografiert werden und zum Schluß gab es einen 14jährigen Inchgower aus der Flora & Fauna Serie. Nachdem wir nach Dufftown zuckgekehrt waren, gab es im Royal Oak noch einen Inchgower von 1980 aus einem dunklen Sherryfaß, der ganz schön heftig war. 

Picknick mit Ronnie Cox
Im Stillhouse von Inchgower

Abends fand die legendäre Drums Party im Whiskyshop Dufftown statt. Bei dieser Party wird versucht, alle angebrochenen Flaschen der zahlreichen Tastings während des Festivals zu leeren, was selbstverständlich auch dieses Jahr nicht klappte, quasi sowas wie 2 Stunden Flatrate Whisky trinken… oder in diesem Falle eher saufen (?)… egal, man konnte sich mal querfeldein durchprobieren. Danach hieß es dann Abschied nehmen von John & Yvonne im Royal Oak, von Eike, Michael, Manfred, Martin und Carmen, Jan hatte sich schon früher Richtung Craigellachie abgesetzt. Das alles war bereits gestern, jetzt heißt es Koffer packen, in einer Stunde heißt es dann von Dufftown Abschied nehmen. Ich werde dann mit Willi, der zur gleichen Zeit wie ich von Aberdeen fliegen wird, noch eine kleine Runde drehen und dann Richtung Aberdeen fahren, Auto abgeben, Flughafen etc. und dürfte dann so gegen 23 Uhr zuhause eintrudeln.

Willi bei Glenfiddich

Tag 10 – Rückreise: …einen Tag schulde ich euch noch, und zwar den letzten. Nach dem Frühstück (jetzt reichte es dann auch mit dem britischen Kram… :naja: …), dem Bezahlen der Unterkunft, Sachen packen etc. traf ich mich nochmal mit Willi bei Glenfiddich, er war dort noch nicht und warum die Reise nicht damit ausklingen lassen, zumal die Tour ja für lau ist. Anschließend ging es mit Willi und allem Gepäck langsam Richtung Aberdeen, mit zwei kleinen Umwegen : Wir machten noch einen Schlenker zu Macallan für ein paar Fotos und fuhren denn über Keith, denn ich mußte kurz bei Glentauchers halten. Eine weitere Abweichung der schnellsten Strecke führrte uns nochmal über Oldmeldrum, da konnte Willi noch ein paar Bilder von Glen Garioch machen, für mich war es damit die erste und letzte Brennerei meiner Reise. Nachdem wir das Auto abgegeben hatten, hatten wir noch genügend Zeit, uns ein köstliches Steak zu gönnen, bevor wir dann verabschiedeten und im Abstand von 2 Minuten in verschiedene Richtungen mit unseren Fliegern abhoben.

Macallan Distillery… im Hintergrund der Berg Benrinnes
Die Pagoden von Glentauchers

Fazit der Reise : Es war sehr schön, die Zeit auch gerade richtig, das Wetter hat wieder einmal super mitgespielt, ich habe zich Distillen besucht und / oder fotographiert, ich habe viele nette Leute kennengelernt, einige auch aus diesem Forum. Kurzum : Eine Reise Güteklasse 1A.
Ich danke allen mit denen ich diese Zeit teilen durfte und freue mich auf zukünftige Begegnungen, denn kaum eine Welt ist so klein, wie die Whiskywelt… nicht zu vergessen der Dank an meine Freundin Nina die mir zuhause den Rücken freigehalten hat…
Hier enden die „knallharten ;) “ Berichte auch, aber ich verspreche, meine Eindrücke der nächsten Reise auch mit euch zu teilen… 

McLarsen in Erfurt (Oktober 2020)

2020… ein Jahr ganz sicher zum vergessen… Corona hält die Welt im Griff, aus allen Löchern des Planeten schlüpfen irgendwelche Schlaumeier aus der Brut des Halbwissens… und auch das Reisen ist kompliziert. Meine Deutschlandreise im Frühjahr fiel in den Lockdown, Schottland hatte ich auf Grund der Situation selbst gecancelt… zum ersten mal keine Schottlandreise seit 2009… Eine Bierwanderung mit Freunden in der fränkischen Schweiz mit anschliessendem Aufenthalt in Bamberg war das einzige was bislang 2020 geklappt hat. Die Pandemie spielt mittlerweile wieder mit den Muskeln und diverse Bundesländer erheben ein Einreiseverbot für Menschen aus Corona Hotspots wie eben das heimische Berlin Mitte… zum Glück macht Thüringen diesen Quatsch nicht mit und ich kann guten Gewissens in die Hauptstadt dieses Bundeslandes einreisen.
Warum Erfurt ? …nun ja… ich war noch nicht da… Erfurt hat eine sehr gut erhaltene Altstadt mit vielen Kirchen und anderen historischen Bauwerken… auch die Gastronomie sollte interessant sein, freilich nicht mit so vielen Brauereien wie neulich in Bamberg, aber gutes Essen können sie in Thüringen ganz sicher auch… ganz jenseits der Bratwurst (die ich nicht esse).
Vorab ein paar Fakten… Erfurt hat gut 213.000 Einwohner, liegt am Rande des Thüringer Beckens und ist von den größeren Städten die mittigste Stadt Deutschlands… die verschiedenen berechneten Punkte die die geographische Mitte Deutschlands darstellen sollen, sind nicht weiter als 50 km entfernt. Seit 1990 ist Erfurt erstmalig die Hauptstadt des Bundesland Thüringens, in der DDR war Erfurt Bezirksstadt des Bezirks Erfurt, dem auch die nicht minder bekannten Städte Weimar und Jena angehörten. Davor wiederum gehörte Erfurt zuletzt zu Preußen, in der Zeit des heiligen römischen Reiches war Erfurt nach Köln, Nürnberg und Magdeburg die größte Stadt ihrer Zeit. Der zweite Weltkrieg hat verhältnismäßig wenige bleibende Schäden in der Stadt angerichtet, so das heutzutage eine große Menge historischer Substanz erhalten ist.

Meine Unterkunft : das Haus in der Mitte…
…warum auch immer… aber der KiKa kommt aus Erfurt…
Blick von der Festung Petersberg… etwas eingeschränkt wegen Bauarbeiten…

So, kurz vor halb zwölf in den ICC gestiegen (…etwa 700 m von zuhause… muß ja mal damit angeben, wie verkehrsgünstig wir wohnen…) und nach beschaulicher Fahrt etwa halb drei in Erfurt ausgestiegen. Ich hab mich in der letzten Zeit einigermaßen auf diese Stadt vorbereitet und bin auch (normalerweise) in der Lage aus dem Gedächtnis der Karte mein Ziel zu finden. Am Anfang war das alles auch wie vermutet… immer der Strassenbahn nach und dann kommt man fast automatisch dahin… wenn die Strassenbahn allerdings unerwartet mehrere Optionen bietet, kann man sich irren… diese Gelegenheit habe ich genutzt und war plötzlich ganz wo anders… aber nicht schlimm… so groß ist das hier nicht, ein paar Minuten war ich am Ziel : Das Gasthaus Glücksmoment (ich als Pechmann kann das gebrauchen) in einer kleinen Altstadtgasse. Als ich dort ankam stand gerade eine Altstadtführung vor dem Haus… Das Zimmer ist wohl eher als Art Ferienwohnzimmer zu verstehen, sprich es gibt ein Zimmer, (es gibt mehrere) aber kein Hotel mit Frühstücksraum oder Rezeption etc. dazu. Ins Haus kommt man mit einem vorher gesendeten Code und dann liegt der Schlüssel im Briefkuvert… Das Zimmer ist völlig ok, alles ist sauber und wenn ich aus dem Fenster schaue, dann sehe ich die kleine aber dominante Allerheiligenkirche die irgendwie in diesen Strassenplan eingebaut wurde… 

Blick vom Dom auf die Altstadt
Krämerbrücke von aussen…
und innen… da siehts wie eine normale Straße aus…

…Der Wetterbericht lässt für morgen nichts gutes erahnen… sogar eine Regenwarnung zeigt meine App… noch nie gesehen… aber vorsorglich bin ich dann erstmal durch die Stadt geflitzt um von den wichtigen Sachen noch ein paar Bilder zu knipsen, die nicht in einer Regenwolke schweben… Dom und Severikirche… die Stars der Stadt (das wusste ich als Kind schon)… Krämerbrücke… eine bebaute Brücke die aussieht wie eine normale mittelalterliche Straße, nur läuft ein kleines Flüsschen drunter)… und Petersberg… der allerdings ist Großbaustelle und die berühmten Ausblicke gibt es gerade nicht… alles schnell fotografiert… 

In der Altstadtkneipe Noah…
…und von aussen…

Nach dem Frühstück um etwa 9:30 meldete sich mein Magen, das etwas Nahrung  vorteilhaft wäre… damit ging es dann in die Straße „Arche“… und wenn man da eine Kneipe hat (oder Restaurant etc.) …dann hätte ich diese auch Noah genannt. Ich hatte mir den Laden bereits vorher ausgesucht, sie haben eine große Auswahl an Bier, auch Whisky und bodenständiges, lokales Essen. Da ich nur wenige Minuten nach Öffnung auf der Schwelle stand, war es kein Problem einen Platz zu finden… zwei Bier und ein Rostbrätl später sah es schon schwieriger aus… der Laden steht dem Offside in seiner Gestaltung ziemlich nahe… kaum gibt es irgendeine freie Fläche an den Wänden… alles alte Bilder oder alte Werbung (allerdings ohne roten Faden… im Offside dreht sich zumindest im hinteren Teil alles um lokale Sachen… aber egal…) Das war alles gut, allerdings mußte man sich das nach gut britischer Manier alles selber bestellen und auch gleich bezahlen… kein Problem bei zwei Bier und einem Essen… aber einen ganzen Abend trinken… dann vielleicht doch nicht… Danach erstmal Pause… die 200 m bis zum Hotel… kurz geruht und dann noch was trinken. In Erfurt gibt es mindestens 3 Irish Pubs… Das Offside ist kein Irish Pub… auch wenn manche Leute es so sehen… wenn ich dann aber doch mal in der Fremde bin… dann interessiert es mich doch, wie es da aussieht… Ziel Nummer Eins war das Dubliners. Ein klassisches Irish Pub mit großzügiger Ausstattung und warscheinlich größerem finanziellen Background… sehr gepflegt und sehr empfehlenswert… Das Länderspiel Deutschland – Schweiz stand an und mein Plan war einfach ein paar Guinness und bisschen Fußball schauen… dann kam ein Karl Heinz … ein pensionierter Pädagoge im Alter meiner Eltern… nur deutlich schrulliger… Frage : „Spielt denn der Herr Löw da noch mit ? … Ich habe neulich in der Zeitung gelesen… der ist ja sehr sympathisch…“… das war nur der Anfang… es war schon ziemlich schräg… dann wollte er mir unbedingt einen Schnaps spendieren… Eierlikör ? …klar… kein Problem… ach gibt es nicht… dann zwei Sauerkirsch… klingt alles ziemlich obskur… aber der alte Herr hatte Spaß und ich auch… manchmal ist das so… man trifft sich einmal und alles ist gut.
Auf dem Rückweg machte ich noch diverse Nachtfotos mit Stativ, den Rest des Tages hab ich an diesem Blog geschrieben… mal sehen wie die Regenkatastrophe von morgen ausfallt… bis dahin… 

Dom und Severikirche spät abends…
Der Autor vorm Turm der Allerheiligenkirche…
Gleiche Straße, neuer Morgen
Kolumbarium in der Allerheiligenkirche

Das große Wetterwunder ist heute ausgeblieben… es regnete dafür nur einmal… es muß heute nacht begonnen haben und ich hoffe es hört wenigstens morgen mal wieder auf. Ok ich bin ja auch nicht gekommen um Pigmente zu haschen sondern die Stadt Erfurt kennenzulernen und das geht auch im Regen. Als erstes ging es über die Straße zum Bäcker und erstmal Kaffee und belegtes Brötchen hinter die Kiemen. Anschließend ging ich spazieren… die Strecke hatte ich mir grob ausgesucht. Start war die Allerheiligenkirche direkt gegenüber von meinem Fenster. Es ist eine kleine katholische Kirche die im Laufe der Jahrhunderte irgendwie an die Strassensituation angepasst wurde. Bemerkenswert ist ein Kolumbarium… das sind Stelen mit den Urnen Verstorbener (Christen und Nichtchristen). Wenn man Angehöriger ist, hat man eine Chipkarte und kann dort hinein, für die Öffentlichkeit ist der Bereich gesperrt. Weiter ging es ins Andreasviertel. Dieses kleine Stück Erfurt war früher eher von den ärmeren Bevölkerungsschichten bewohnt. In der DDR verfiel das Viertel zusehends, es gab fertige Pläne das Viertel komplett abzureißen und mit Plattenbauten zu versauen…äähm.. verbauen… Zum Glück war dafür Ende der 1980er kein Geld dafür da und nach der Wende wurde das Andreasviertel liebevoll saniert. An vielen der alten Häuschen stehen lustige Namen… schließlich gab es früher noch keine Adressen und Postleitzahlen. Der einzige Vorteil bei Stadterkundungen im Regen sind die fehlenden Touristen, so das ich in den kleinen Gassen fast alleine war und fotografieren konnte. Leider war das die Zeit der Müllentleerung, weshalb auf den Bildern mehr Mülltonnen als Häuser zu sehen sind. 

Impressionen im Regen…
…im Andreasviertel…
…sehr liebevolle Details…

Weiter ging es an der Gera (ich bemühe mich ja Gera nicht wie seinerzeit Nina Hagen mit Ä auszusprechen…), das ist der Fluß der durch Erfurt fliesst. Es folgte eine Stippvisite im Augustinerkloster in dem der junge Martin Luther 6 Jahre als Mönch lebte. Neben der Klosterkirche ist auch das Klostergelände bemerkenswert, weil es vielfach mit modernen Bauten ergänzt wurde. Weiter ging es durch die Altstadt und z.B. durch die Waagegasse, eine dieser verwunschenen Gassen wo man sich nur noch die keifenden Alten von damals und die Gerüche dazu vorstellen muß… die Kulisse steht schonmal dafür… Es waren viele Stadtführungen in der Gegend unterwegs welche ausschließlich aus Rentnern mit Riesenschirmen bestand… war nicht immer einfach…, es folgte die Besichtigung der Predigerkirche, einer ehemaligen Klosterkirche von beachtlicher Größe… Meister Eckhart (nein nicht der von Werner… der hieß Röhrich), ein berühmter Theologe und Philosoph seiner Zeit, wirkte hier. 

Augustinerkloster… alt & neu müssen sich nicht abstoßen…
Martin Luther lebte als Mönch dort…
Im Regen nix für glatte Schuhe… Mittelalterliches Pflaster in der Waagegasse…
…die dann auch nicht sonderlich breit ist…
…mehr Platz gibts in der Predigerkirche… sehr groß von innen…
…eher unspektakulär von aussen…

Dann Mittag, beim Fleischer zwei Häuser neben der Unterkunft eine Roulade mit Klössen und Rotkohl für 5€ eingesackt und im Zimmer gegessen. 14:00 war der einzige Termin des Tages : Führung im Dom. Den Teil der Führung der draußen ist wurde wetterbedingt auf nötigste reduziert. Im Inneren wurde viel erklärt und gezeigt, sogar etwas Orgelmusik war dabei… sehr schöne, interessante und auch wirklich große Kirche… das merkte ich vor allem als ich im Anschluß noch die benachbarte Severikirche besuchte… die ist höchstens ein Drittel so groß wie der Dom, obwohl die Kirchen vom weitem ähnlich groß wirken. 

Erfurter Dom nach Osten…
…das ist Wolfram… er ist ein Armleuchter… aber einer der ältesten Exponate des Doms (etwa 1160)
Die Törichten Jungfrauen… muß glatt mal nachschauen um was es da geht… die sehen ganz lustig aus…
TV im Mittelalter… was für Kunstwerke…
Im Inneren der Severikirche

Genug der Kirchen für heute dachte ich… aber es regnete immer mehr und ja… was tun mit dem angebrochenen Nachmittag (?) Shopping ? ok, warum nicht… rein in den Anger 1 (das ist das Einkaufscenter #1 von Erfurt)… ja… Karstadt… dies… das… brauch ich ja alles nicht… bin dann irgendwann Richtung Unterkunft gegangen und schrieb einen Großteil dieses Berichtes. Abends stand natürlich wieder die Guinnessversorgung der Thüringenmetropole an… gestern The Dubliner… heute Molly Malone. Das Molly Malone liegt sehr nahe an der Krämerbrücke, ich kam etwa 19:00 an und hatte einen guten Platz direkt an der Türe… etwa 15 min später kam dann der Karl-Heinz von gestern aus dem Dubliner (der mir noch gesagt hatte, er gehe nur alle paar Monate in die Kneipe…) …und ich hatte den gleichen grünen Pullover wie gestern an… „wir hatten ja eine sehr nette Unterhaltung neulich…“ …nun gut, das neulich war gestern und war auch ok… heute aber nicht… ich bin aber wohl nicht so richtig fit in der Behandlung von Problemfällen… irgendwann wusste ich nicht mehr wie ich aus der Nummer rauskomme ohne unhöflich zu sein und wechselte einfach die Location. 

Im Molly Malone (+KH)
Im Patricks

Das dritte Irish Pub, namens Patrick’s Pub war nur …naja 10 min entfernt und eigentlich noch besser… allerdings hab ich festgestellt das alle drei Pubs von einer Hand geführt werden… aber das ist halt was anderes als das Offside… funktioniert aber auch. Morgen werde ich eine kurze Bewertung der Pubs posten… Wer sich diesbezüglich keine Platte machen muss ist der Wirt von Johnny Worker… da wollte ich erst hin… hatte aber eine unfreiwillige Zwischenstation… irgendwie hatte ich die falsche Tür erwischt und war in der falschen Kneipe ohne das erstmal zu merken… ok Bier bestellt… dann… mmmpf… das ist nicht die Whiskykneipe… wat für ne Dumpfbacken da… aber war ja mein Fehler… Bier schnell ausgetrunken und ab zur richtigen Tür … zum Johnny Worker… ich hab mir vorgenommen, morgen nochmal hinzugehen und den meine Eindrücke zu schildern… bis dahin… Gute Nacht.

Im Johnny Worker Whisky Pub
Herbstliches Pflaster mit Dom… Stiftsgasse
Ehemaliger Kornhofspeicher (15.Jh)… heute Parkhaus

Meine Prophezeiung das der Regen ja irgendwann mal wieder aufhört ging wohl irgendwann heute morgen in Erfüllung. Heute war es allgemein grau aber trocken. Feste Termine gab es nicht mehr, also auf gut Glück ab durch die Stadt und noch hier und da ein paar Bilder schießen…  links am Dom vorbei in die Stiftsgasse… auch ein wenig verwunschen und eine andere Ansicht des Domes… dann an der Gera entlang, an der Ruine der Barfüßerkirche vorbei zum Anger… das ist sowas wie der Erfurter Kurfürstendamm… dann nochmal zur Krämerbrücke mit Enten… irgendwann kam ich dann wieder am Fleischer vorbei und nahm mir eine Suppe zum Mittag mit. Dann gab es erstmal eine kleine Pause…

Die Ruine der Barfüßerkirche
Anger
Kaufmannskirche mit Lutherdenkmal

später noch ein kleiner Erkundungslauf… viel passiert ist an diesem Nachmittag aber nicht mehr… irgendwann waren alle Hotspots abgelaufen, das Wetter hat einen auch nicht herausgefordert „komm raus du Stubenhocker“… außerdem ist das ja auch irgendwie Urlaub und kein Leistungssport. Gegen 19:00 Uhr ging es dann erstmal in Patricks Pub… Burger und Guinness waren angesagt… die drei Pubs sind alle zu empfehlen… die Leute denen das gehört haben gut investiert und das Personal war auch in allen Läden stets freundlich und kompetent. Das Dubliner ist das größte, bei Molly Malone war ich Dank Karl-Heinz nur kurz und im Patricks hat es mir irgendwie am besten gefallen. Zum Abschluss des Tages ging es dann nochmal ins Johnnie Worker. Mein Eindruck von gestern bestätigte sich definitiv… wäre ich wohnhaft in Erfurt… dann würde ich ziemlich oft beim Detlef sein… nicht nur wegen der hervorragenden Whiskyauswahl, sondern auch wegen dem netten Publikum… ich müsste nur von Guinness auf Murphys umsteigen (sic)…

…es gibt tatsächlich eine Schottenkirche… warscheinlich ohne Whisky…
Enten an der Krämerbrücke 1
Enten an der Krämerbrücke 2

…mittlerweile sitze ich wieder im Zug Richtung Berlin… etwas verschmitzt blinzelt die Sonne ab und zu durch… naja…. Es waren drei schöne Tage und ich kann Erfurt nur empfehlen. So viel Kunst und Geschichte in der Mitte Deutschlands gibt es selten auf einmal… Drei Tage für die Stadt sind großzügig bemessen… noch ein Tag wäre zuviel und einer weniger zu kurz. Was bleibt ist eine schöne Erinnerung.

Kirchgasse bei Nacht

McLarsen goes to Arran (2018)

Tag 1: Stranded In Ardrossan

September 2018 und es ist wieder soweit, ich bin mal wieder in Schottland und werde euch daran wieder teilhaben lassen. Der Plan ist es, eine Woche auf der kleinen Insel Arran zu verbringen… das ist recht üppig wenn man bedenkt, das es derzeit nur eine Whiskybrennerei dort gibt und die zweite noch gebaut wird. Aber der Whisky hat mich ganz sicher auf dieses Land gebracht, ist aber wirklich nur ein Baustein in diesem Puzzle. Das schöne Land und seine tollen Leute haben mich zum Schottlandjunkie gemacht. Freiwillig ist da wohl auch kein Ende in Sicht… auch wenn der Brexit vor der Tür steht… Diesmal ist es die Schottandreise No.13… mit Hinflug am 11. September… ob da alles so klappt wie immer ?…

…nun ja… nicht wirklich, es fing auf dem S-Bahnhof Bornholmer Straße an, wo ein nicht allzu schlauer Rollstuhlfahrer versucht hat Rolltreppe zu fahren, dann böse kopfüber runtergefallen ist und ziemlich übel hilflos auf der noch laufenden Treppe lag, genau in dem Moment wo ich auf der anderen Seite runtergefahren bin. So schnell wie ich konnte bremste ich die Rolltreppe, es kamen dann noch zwei andere Passanten, die mitgeholfen haben, irgendwann auch Bahnpersonal…, eine S-Bahn war dann weg, aber das machte nichts, da kurze Zeit später die Verspätungsmeldung des Fluges gemailt wurde… damit war ich wieder locker in der Zeit. Die Verspätung des Fluges nach Glasgow betrug 40 Minuten und ich dachte bei mir… gut das ich extra die späte Fähre gebucht habe, damit ich nicht hetzen muß. Die Autovermietung am Flughafen liegt etwas außerhalb, das da mit Kleinbussen transferiert wurde sah ich erst als ich dort war, insgesamt kostete das auch wieder Zeit. Als ich dann dran war, rief mich eine Dame von Calmac (das ist die Fährenbude in Schottland) an und teilte mir mit das die letzte Fähre gestrichen wurde, vielleicht schaffe ich ja noch die davor (18:00 Uhr):(es war 17:15 Uhr)… Als endlich alle Formalien vom Autovermieter abgeschlossen waren fuhr ich die kleine koreanische Eierfeile mit quietschenden Reifen vom Hof, vielleicht schaffe ich es ja noch… zum Glück hatte ich mir die Strecke gestern nochmal angeschaut, Navi stellen war nicht mehr… aber nun gut… der Verkehr war recht zäh und eine Baustelle mit Stau verhinderten meine pünktliche Ankunft, die Fähre war weg. Etwaige Schadensersatzdinge muß ich später klären.

...stranded in Ardrossan...

Da ich nun in Ardrossan gestrandet war, brauchte ich nun eine Unterkunft. An dieser Stelle lob ich mir die schöne neue digitale Welt, in der man mit dem Smartphone mit wenigen Klicks eine Bleibe findet. Diese heißt Victoria Guesthouse mit Strandblick in Ardrossan / Saltcoats. 

Der Name Saltcoats kommt aus der Zeit als hier aus dem Meer Salz gewonnen wurde, hauptsächlich für die Fischerei...
Die waagerechten Haare belegen die steife Brise...

Vielleicht wäre ich hier ja nie gelandet… und es ist sogar ganz hübsch hier. Endlich weiß ich auch wo sich der Regen, den wir in Berlin ja nur noch vom Hören und Sagen kennen versteckt hat… hier. Allerfeinstes schottisches Schietwetter begleitete meinen kleinen Strandspaziergang bevor ich dann zu Burger und Bier eingekehrt bin. Die erste Fähre um 7:00 Uhr darf ohne mich los, die zweite um 9:45 sollte mich dann aber an mein Ziel bringen…

McLarsen goes to Arran TAG 2 : BRODICK

…die gestrigen Abweichungen vom Plan sind vergessen. Heute hat alles geklappt und der erste Tag in Brodick hat Spaß gemacht. Die Überfahrt mit der Fähre dauert etwa eine Stunde und die hatte ganz schöne Wetterkapriolen zu bieten. Ich hatte streckenweise Angst, daß ich von Bord geblasen werde, so stark war der Wind. 

Aprilwetter auf der Überfahrt nach Brodick
...mit Besserung nach Ankunft... im Hintergrund der höchste Berg Arrans : Goatfell (874 m)

Bei Ankunft auf Arran wurde es dann aber zunehmend besser, von ein paar Schauern mal abgesehen. Ich habe keine festen Termine hier, aber zwei Ziele : einen Tag nach Kintyre rüber und einmal auf den Goatfell klettern. Für beides gibt es aber keine fixen Termine. Heute galt es erstmal die nähere Umgebung zu erkunden: Brodick, der Hauptort der Isle of Arran. Ich als schnöseliger Berliner hab mich ja bis jetzt immer auf den Hauptstädten der Inseln niedergelassen (Bowmore, Kirkwall, Portree, Tobermory) und so ist es auch diesmal die Haupt…stadt… ok, immerhin leben hier etwa 850 Einwohner… auf der gesamten Insel etwa 4600. Die Fläche von etwa 430 qkm ist vergleichbar mit der von Usedom, da leben laut Wikipedia 76.500 Einwohner… da ist aber auch plattes Land. Arran wird gerne als Schottland in Miniaturausgabe bezeichnet. Man muß wissen das Schottland in der Landschaft mindestens zweigeteilt ist… es gibt die hügeligen Lowlands und die teils krass beeindruckenden Highlands. Grund für diese Zweiteilung ist grob gesagt eine geologische Verwerfungslinie welche sowohl Schottland als Festland in High- und Lowland trennt und auch den Nord-und Südteil der Insel Arran unterscheidet… daher die Bezeichnung mit der Miniaturausgabe.

Isle of Arran - Brodick (Capital City)

Eingekehrt bin ich im Ormidale Hotel etwas abseits der Hauptstraße im Norden des Ortes. Es ist ein familiengeführter Betrieb mit Pub und allem Schnickschnack… genau danach hatte ich auch gesucht. Mein erster Eindruck ist sehr positiv, alles schön sauber und ein für eine Person recht üppiger Single Room. Wie das mit der Lautstärke ist… bin ich noch gespannt… Nach Erkundung der Hauptstraße mit diversen Geschäften Cafés etc. ging es dann aus den Dorfkern hinaus zum Arran Hertiage Museum. Eintritt kostet 4 £ und man erfährt viel von der geologischen Entstehung der Insel, über die Zeiten der Wickinger, Robert the Bruce, Highland Clearances und Weltkriege. Man besichtigt eine Schmiede, ein Cottage von etwa 18hundertirgendwas und kann jede Menge landwirtschaftliches Gerät inspizieren. Danach ging es zum Brodick Castle bzw. den umliegenden Gärten. Das Schloss ist bis nächstes Jahr wegen Renovierungsarbeiten geschlossen, die Gärten sind davon nicht betroffen. Ich machte eine Führung mit, die auch ohne Innenansichten des Castles viel über Geschichte und die Personen die dort gewirkt haben Aufschluß gibt. Der Garten beeindruckt mit seiner Artenvielfalt, die einer späten Regenten-gattin mit grünem Daumen zu verdanken ist. Besonders lohnenswert soll ein Besuch um Mai – Juni sein, wenn alles in Blüte steht.

Brodick Castle... teils Mittelalter, teils Cromwellzeit, teils Victoriazeit...
In den Brodwick Castle Gardens... jeder Botanische Garten wäre neidisch...

Gleich neben den Gärten befindet sich die Arran Brewery. Ich hatte ein wenig falsche Erwartungen diesbezüglich… ich dachte nach dem ganzen Gelatsche könnte man sich dort etwas an selbstgebrauter frisch gezapfter Ballerbrühe laben… aber der Shop ist eigentlich nur ein Verkaufsraum für Flaschbier und Merchandise… warum kein Biergarten ??? …nun gut, dann über den netten Fußweg namens Fisherman’s Walk der teilweise über den Golfplatz führt, zurück zum Strand von Brodick und ein dram aus der Jackentasche ins Glas, dabei die eintreffende Fähre im Visier bei mittlerweile standesgemäßem Wetter… is ja Urlaub…

...das Wetter vom Vormittag war wie der Schnee von gestern...

Abends wurde der Pub eine Etage tiefer getestet und für sehr gut befunden. Später gab es noch Pop Bingo… man hat mich fast genötigt mitzumachen, aber ich hab noch nie Bingo gespielt und weiß auch nicht wie das geht… bei der Musik kannte ich dennoch fast jeden noch so peinlichen Song mit Titel und Interpreten… Morgen… ist Donnerstag… der Rest ergibt sich… bis dahin…

McLarsen goes to Arran TAG 3 : ARRAN – NORTH

Kopfintern war ja eigentlich der Abstecher nach Kintyre für heute vorgesehen. Wenn ich jedoch in die weitere Interna meines Schädels eintauche, kann ich mich allerdings nicht ganz frei von dem Gedanken machen, das der Hauptgrund dafür in einer Brennerei mit angeschlossenen Whiskyladen der Treibstoff dafür ist… da gibt es schließlich so einen Käfig, wo arme Whiskyflaschen eingesperrt sind… und …ach die ärmsten… Naja nach einigen hin-und-her-überlegen beschloss ich zumindest heute nicht nach Kintyre zu fahren, vielleicht ja morgen oder übermorgen… Ein weiterer Punkt meiner innerlichen Absage war dann auch das Wetter. Währenddessen es in Berlin und Brandenburg weiter vor sich hin trocknet, hat es sich hier offensichtlich eingeregnet. Mein persönliches Schottlandwetter habe ich vermutlich bereits im Juni verbraucht als ich mit Hamburger, bayerischen und Mecklenburger Freunden die Westküste unsicher gemacht habe. 

 

Seit 1995 in Betrieb : die Isle of Arran Distillery.

Also Plan hin oder her… erstmal ins Auto und den Nordteil der Insel abklappern… erste Station : The Isle of Arran Distillery. Die aktuell einzige Whiskybrennerei auf Arran (ein Zustand der sich in den nächsten Monaten ändern wird…) war eine der ersten Brennereien die ich vor 8 Jahren besucht habe. An den Touren hat sich laut Website glaub ich nicht viel geändert, deshalb sparte ich mir das auch und wurde stattdessen im Shop fündig und zwei Distillery Only Flaschen (eine davon von 1996… man muß wissen…der erste Spirit floss hier 1995…) und ein Blechschild zum Arran Brodick Bay (einer limitierten Abfüllung die es im nächsten Offside Tasting geben wird), dürfen mit nach Berlin. Noch ein paar Fotos von außen, dann weiter zum Lochranza Castle was mich ein wenig an meinen Zahn erinnert, der mir neulich halb abgebrochen ist… von vorne noch einigermaßen ansehlich, aber von hinten kaputt und innen hohl. Nun ja, ich werde demnächst zum Zahnarzt gehen und das Lochranza Castle zum Castledoctor… (ich merke… ein paar Guinness machen beim schreiben albern…)

Lochranza Castle... bzw. was davon übrig ist...

Weiter ging es die Ringstraße um die Nordspitze der Insel zur Westseite, wo sich die Steinkreise von Machrie Moor befinden. Man läuft vom Parkplatz bis zu den Steinkreisen etwa eine halbe Stunde und zurück. Leider fing es da gerade an so richtig zu schütten, aber mit Wind von hinten… ich war später froh, eine zweite Hose mitgenommen zu haben… aber egal. Die Steinkreise von Machrie Moor sind etwa 4000 Jahre alt . 

Machrie Moor... 4000 Jahre alte Steinkreise

Vom größten Kreis stehen nur noch 3 Steine, die lassen aber ahnen, was hier mal abgegangen ist… sicher großes Kino für Fred Feuerstein & Co. Lustig war noch eine Truppe von Leuten, die irgendwelchen spirituellen Hokuspokus in einem Steinkreis gemacht haben… ich mußte mich zügeln, nicht ein unqualifiziertes „JEHOVA, JEHOVA“ zu rufen…

JEHOVA, JEHOVA !!!

Den Rest des Tages ist nicht mehr viel nennenswertes passiert, ich lobe nochmal die Bar in diesem Haus, die Betreiber haben sich viele nette Details ausgedacht, so klebt die nicht zu umfangreiche Speisekarte auf alten Schallplatten… und die Tische haben den Umriss der Insel Arran… gibt es sicher auch nicht im Möbelhaus… Beim Pubquiz hab ich heute nicht mitgemacht…das hat mir auch die Blamage erspart… erstens ist mein Englisch mangelhaft, zweitens… was hab ich für Ahnung von britischen TV Sendungen oder Moderatoren. Promis etc… Aber die Leute hatten Spaß… ich auch…

McLarsen goes Arran TAG 4 : KINTYRE

…zum Glück hat es heute nur einmal geregnet… es muß irgendwann heute morgen angefangen haben und … es regnet immer noch…, selten unterbrochen von einigen Minuten Wasserstillstand mit gelegentlichen Sonnensekunden. Was tun bei dem Wetter (?)… Also doch nach Campbeltown. Nach dem Frühstück die koreanische Eierfeile gesattelt und nach Lochranza geritten… das ist der zweite Fährhafen Arrans im Norden der Insel, wenige hundert Meter von der Arran Distillery entfernt. Selten habe ich eine Fähre so perfekt in Zeit erwischt wie heute, ich kam auf den Patz, wo man sich der Reihenfolge nach einreihen muß, hatte die letzte freie Nummer und mein Vorgänger rollte schon los, also rauf auf die Fähre… eine halbe Stunde dauert die Überfahrt, Preis für einmal hin und zurück mit Auto und einer Person : 25,20 £. 

Lochranza von der Fähre aus...
...ein Springbankier muß auch mal seine Filiale besuchen...

Zwecks Schnappschüssen aus dem Autofenster raus, fuhr ich die geografisch kürzere, straßentechnisch deutlich längere Single Track Road nach Campbeltown, gut eine Stunde ist man da unterwegs. In Campbeltown waren eh nur zwei Läden interessant : Cadenheads und der neue Distilleryshop bei Springbank. Wenn man das Hobby Whisky nicht ganz im Verborgenen betreibt, dann kennt man im Laufe der Jahre durch Foren etc. viele Gleichgesinnte, so war es auch kein Wunder bekannte Personen aus Deutschland bei Cadenhead zu treffen… bei dieser Gelegenheit… gute Weiterreise René… Zwei Flaschen aus dem Cage konnte ich befreien… beide 14 Jahre… ein Springbank und ein Longrow aus absichtlich eher hellen Sherryfässern. Nach der Befreiung aus dem Käfig werden sie vermutlich erstmal im Offside Keller auf dem Billardtisch eingekerkert werden… Pech(mann) gehabt… Bei (meiner Lieblingsbrennerei) Springbank war ich ja erst vor ein paar Wochen und im kommenden April habe ich ja schließlich Dank zahlreicher Gönner im Zusammenhang meines 50. Geburtstages einen Termin zum arbeiten… damit war das heute ein kurzer Termin… Eigentlich wollte ich dann ja noch zum Southend und zum richtigen Mull of Kintyre, das ist ein Leuchtturm etwa 20 km von Campbeltown entfernt…aber es hat derart gegallert, da wäre ich nicht ausgestiegen… also… auf der „großen“ Straße zurück nach Norden. Es gab Momente, da mußte ich 30 fahren, da ich vor lauter Wasser nichts gesehen habe… einmal dachte ich in einer tiefen Pfütze mit LKW Gegenverkehr, ich werde von der Piste gespült… am Ende war aber alles gut. Nächste Station : Skipness Seafood Cabin.

...ja Schatz... mir schmeckt es auch... Skipness Seafood Cabin...

Aus diversen Berichten von Leuten, die ähnliche Berichte schreiben wie ich… war es für mich Pflicht, diese gastronomische Perle zu besuchen. Wer jetzt irgendwas schnöselig hippes, vornehmes erwartet… vergesst es. Seafood Cabin heißt ja schon mal nicht Restaurant, wir Deutschen würden es wohl schnöde Imbiss nennen. Es gibt prinzipiell viele Sitzplätze, alle draußen, überdacht allerdings nur 3 Tische… beim heutigen Wetter ein entscheidendes Kriterium. Ich bestellte die berühmte Seafood Platter und ein Arran Bier aus der Flasche und war sehr glücklich damit… ich hätte sogar noch mehr vertragen, die Preise waren sehr fair, aber es sollte ja auch nur ein Imbiss werden. Lustig waren die teilweise bizarren Hühner die dort heimisch sind, eines setzte sich spontan mit mir zu Tisch… Gut das es nicht der Wienerwald war… Dann ging die Fahre zurück nach Arran und hier ist heute dann nichts mehr besonderes passiert. In der Bar meines Vertrauens läuft zur Zeit Karaoke mit der kompletten Dorfjugend… es war Zeit für mich zu gehen… Morgen… wenn das Wetter mitspielt… geht es bergauf…

Tag 5: Goat Fell

Eines meiner Ziele war wie bereits erwähnt der Aufstieg auf den höchsten Berg der Insel Goat Fell (874 m). In den vergangenen Tagen war das wegen des anhaltenden Regens zumindest ungünstig. Da die Wettervoraussage aber sowieso nicht gerade optimistisch war, musste ich warten, wann es mal geht. Die Kurzzeitprognose für heute sagte : entweder jetzt oder nie. Kein Regen bis etwa 15:00 Uhr… das ist zu schaffen. Also mit dem Auto etwas abgekürzt auf den Parkplatz bei der Arran Brauerei und ab ging es… ähmn… nein hoch natürlich. 10:10 Beginn des Aufstieges. Diverse Ratgeber sagen 4 bis 6,5 Stunden für hin und zurück voraus. Ich habe den letzten Berg glaub ich am Wandertag in der 2. Klasse bestiegen, wir waren in den Ravensbergen (etwa 110 m) bei Potsdam unterwegs und ich kann mich glaub ich auch an keine Details erinnern. Der Goat Fell ist zwar 874 m hoch, aber das klingt auch erstmal nicht nach Mount Everest. Man sollte aber bedenken das die Berge hier an der schottischen Westküste mehr oder weniger aus dem Wasser, also von Null beginnen. Sehen wir einen höheren deutschen Berg… ich sach mal den Brocken an… dann stehen wir bereits auf ein paar hundert Metern Bergvorland oder so… die Berge hier in Schottland, (oder auch ähnlich die noch krasseren Berge in Norwegen), haben zwar keine beeindruckenden Höhenzahlen, steht man aber davor… weiß man das das nichts zählt.

...erste Ausblicke auf die Bucht von Brodick...
...nur der Berg selber hüllt sich in Wolken...

 …ähmn… wir waren stehengeblieben: 10:10 Uhr Beginn des Aufstieges . Es folgte ein Waldweg , schon ziemlich aufwärts aber halt ein relativ ebener Waldweg. Was ich immer wieder dachte… so viele gute Pilze am Wegesrand… und ich hatte keine Verwendung dafür… Danach wurde der Weg schmaler und steiler… im Prinzip war es ein kleiner Bach, denn es floss ständig Wasser runter… Man konnte es durchaus geniessen, sich umzudrehen und Brodick Bay aus der Ferne zu bestaunen. So ging das eine Weile und ich hatte schon am Anfang Zweifel, ob meine Kondition das bis zum Ende mitmacht… schließlich trainiere ich seit über 25 Jahren Unsportlichkeit… und Ausdauer war auch in meinen sportlicheren Tagen nicht mein Benchmark. So schön wie der Blick zurück auch immer war, der Blick nach vorne war… vernebelt. Die Spitze der Berges war einfach in Wolken gehüllt und… irgendwann fiel mir eine Episode meiner Kindheit ein. Als Ein-bis-zwei-Bierkistenhoch bin ich in Leipzig aufgewachsen (quasi meine ersten 7 Jahre). Fernsehtürme kannte ich nur aus Büchern oder Fernsehen… ich war beeindruckt ohne je einen gesehen zu haben… Eines Tages ging es als Tagesausflug nach Berlin und da war klar… der Fernsehturm natürlich. Dummerweise war an diesem Tag dichter Nebel und ich war schon nicht begeistert, daß ich vom Objekt meiner Begierde nur so einen langen Stiel gesehen hatte. Ich nötigte jedoch meine Mutter so lange bis sie entnervt einwilligte, da hoch zu fahren. (es war nicht so, das sie mir verheimlicht hatte, das man bei Nebel von oben auch nichts sieht…) Naja… es kam wie es kommen musste… ich war stinksauer, warum man denn nichts sieht… Nun ja, das war ca. 1973 oder 74… heute stand ich dann auch vor der Entscheidung… wegen der schönen Aussicht lohnt sich der Aufstieg heute nicht… aber irgendwie hatte ich den Punkt überschritten, noch einen Rückzieher zu machen… ich wurde ständig überholt… von Rentnern, Kindern, Hunden… hätte nur noch einer mit’m Gipsbein gefehlt… Die Pauseninterwalle wurden kürzer und ich hab mich auch nicht ganz leicht getan… aber auch Dank guter Schuhe kam ich irgendwann oben an. Das Wetter da oben war eine Katastrophe, Wind, gefühlter Frost und Null Sicht… nun gut… ein Glas Arran Whisky wärmte ein wenig und nach 10 min ging es wieder zurück. 

Ein ganzer Held Dank guter Schuhe
Darauf einen Arran 21y von Scoma. war so... speziell, aber in diem Moment sehr gut.

Währenddessen beim Aufstieg Kondition gefordert ist, ist es beim Abstieg durch das ganze Granitdedöns Konzentration… immerhin geht es aber bergab und es bereitete mir keinerlei Mühe. Ich bin also warscheinlich eher der Bergabsteiger… (warscheinlich meiner bekennenden Warmduschermentalität geschuldet…)

Abwärts war das Wetter wieder als wäre man mit dem Flieger woanders gelandet...

Fazit : 15:10… genau 5 Stunden nach dem Start war ich wieder unten, unverletzt und ohne Skistöcker, die scheinen ja wichtig zu sein… Der Rest des Tages war der Entspannung gewidmet. Morgen ist der Südteil der Insel dran und das ist dann leider auch schon der letzte Tag auf der Insel… aber das ist erst morgen…

McLarsen goes Arran TAG 6 : ARRAN – SOUTH

…wenn es schon einen Artikel mit Arran North gibt, dann fallen jetzt sicher nicht alle vom Glauben ab das es in der Arrangolie auch noch eine Südvariante gibt. Mit etwas Muskelkater in den Hüften von der gestrigen Bergbesteigung ging es zur Erkundung des südlichen Inselteiles. Erste Station war Lamlash, ein Hafenort nur etwa 3 Meilen von Brodick entfernt und sogar mit ein paar mehr Einwohnern als die Hauptstadt. Imposant ist der Blick auf die Insel Holy Island direkt gegenüber vom Hafen. Buddistische Mönche sind dort ansässig.

Lamlash Hafen mit Holy Island
...noch eine Insel in der Ferne : Ailsa Craig

Das Wetter war zu meiner Ankunft etwas rau, es stürmte und der Regen peitschte, obwohl der Wetterbericht eigentlich nichts von Regen schrieb, die Straßen waren leer, die Einwohner in der Kirche und die Geschäfte zu. Sonntag halt. Also weiter… das Wetter beruhigte sich alsbald, es ging durch schöne Küstendörfer und immer wieder enge, kurvige Straßen, immerhin alle zweispurig. Nächste Station war die Baustelle der zukünftig zweiten Whiskybrennerei auf Arran : Lagg Distillery. So ziemlich an der Südspitze der Insel gelegen, soll sie ab Anfang nächsten Jahres rauchig-torfigen Whisky herstellen, errichtet wird das ganze von der Isle of Arran Distillery in Lochranza. Da es ja nicht recht erlaubt ist am Sonntag über Baustellen zu laufen um Fotos zu machen, konnte ich nur ein paar Schnappschüsse vom Rand aus machen. Die Warehouses sind wohl fertig, die Brennblasen wurden neulich geliefert (auf der Website der Arran Distillery gibt es ein Video davon)… den Rest werden wir sehen, wenn das Teil im Frühjahr aufmacht …selbstverständlich mit Visitorcenter und allem drum und dran…

Die Baustelle der Lagg Distillery

Nächster Programmpunkt war King’s Cave. Hierbei handelt es sich um natürliche Höhlen an der Westküste der Insel, wo angeblich mal König Robert the Bruce genächtigt haben soll. Die Historiker sind sich zwar ziemlich sicher, das das sehr unwahrscheinlich ist, aber als Spaziergang taugt die Strecke schon. Man kann einen Ringweg laufen, welcher 5 km lang ist und an den Höhlen (es sind mehrere) vorbeiführt. Das da auch wieder ganz gut schwieriges Gelände dabei ist erfuhr ich erst als es so weit war… aber wenn schon Muskelkater, dann richtig… Ich brauchte 1 Stunde und 20 Minuten für die Strecke und bin damit glaub ich nicht schlecht…

Die Höhlen an der Westküste...
...angeblich hat Robert The Bruce hier mal genächtigt...

Viel mehr Sachen über die es sich lohnen würde zu schreiben, gab es danach nicht mehr. Heute war der letzte Abend auf Arran und ich möchte an dieser Stelle nochmal das Ormidale Hotel empfehlen, sowohl für die Unterkunft, die Bar, das Essen und das Engagement was die Macher hier für die Anwohner auf die Beine stellen. Es gibt jeden Tag irgendeine lockere Veranstaltung… Pop Bingo, Pubquiz, Karaoke, Disco… heute war es Live Folkmusic Session. Die 4 Musiker, ich vermute 2 Ehepaare um die Mittsechziger, nicht gerade mit Coolnessfaktor ausgestattet, hatten nur 2 Fans dabei… ein Ehepaar im selben Alter. Dagegen dann der örtliche Fußballklub (die müssen gewonnen haben) mit der eigenen Idee von Partymusik… sprich… die armen Folkmusiker sind im Gegröle etwas untergegangen. …aber ich wollte noch was sagen zum Ormidale Hotel und Bar… das Anwesen wurde 1856 als Ferienhaus für den englischen Landschaftsmaler George Hering errichtet und wurde 1935 von der Familie Gilmore gekauft, die das Haus heute noch führt. Brodick auf Arran ist nun mal ein Dorf wo nicht viel los ist, aber hier ist man echt bemüht, für jeden etwas zu bieten. Respekt, hier macht man wirklich vieles richtig. Für Whiskyliebhaber gibt es auch eine gute Auswahl… sicher nichts Außergewöhnliches, aber eine solide Range mit natürlich etlichen Arran Whiskys.

Der Vorgarten vom Ormidale Hotel...unschwer zu erkennen, es war der einzige Sonnentag : Mittwoch

Morgen Vormittag geht die Fähre zurück nach Ardrossan, von dort zum Flughafen das Auto zurückbringen und der Rest gehört Glasgow… von dort oder aber auch einen Tag später von zuhause gibt es dann das letzte Kapitel… erstmal sehen was morgen abend so abgeht… 😉

Abschied von Arran

McLarsen goes Arran TAG 7 : GLASGOW

…so…alles hat ein Ende und der Urlaub gefühlt natürlich viel schneller. Gestern hieß es Abschied nehmen von Arran… garantiert war das nicht das letzte mal auf dieser Insel. Gestern ging es dann mit der Fähre nach Adrossan, dann das Auto am Flughafen abgegeben und mit dem Airport Link in die Glasgower Innenstadt. Dort checkte ich im easyHotel ein, also diese Schließkastenbuden von easyjet. Nun ja, 25 £, da darf man auch nicht viel erwarten, Fenster gab es nicht, der Koffer passte nur aufs Bett, W-Lan kostet 5 £ extra, Frühstück ist auch extra… Für eine Nacht nur schlafen ist es ok, für länger eher nix…, zumindest verkehrstechnisch ist es gut gelegen. Ich wollte es auch nur mal probiert haben. Dann ging es in die City shoppen… quatsch… erstmal in die Shilling Brewery und zwei von deren selbstgebrauten probiert, ein IPA und ein dunkles was wie Schokoladentörtchen geschmeckt hat.

Craftbeer bei der Shilling Brewing Company
...sieht schon geil aus, das Interieur vom Pot Still...

Dann weiter ins Pot Still. Als ich vor einigen Jahren das letzte mal da war, war dort laute Diskomusik und die Atmosphäre ziemlich mies, so das ich mir vornahm, hier erst mal nicht wieder zu kommen. Nach etwa 5 Jahren traute ich mich dann doch mal wieder und wurde nicht enttäuscht. Ein 1988er Rosebank für 15 £ (3,5 cl) war ein fairer Preis und vor allem sehr lecker. Dann erstmal etwas essen, damit der Abend nicht verfrüht beendet wird und danach ins Bon Accord, meinem Lieblingspub in Glasgow. Von Paul, dem Seniorchef wurde ich auch prompt wiedererkannt und hatte gleich einen raren Single Cask Highland Park im Glas. Danach gab er mir noch eine etwa 35jährigen Macallan von einem Fass was die da irgendwo rumstehen haben. Sehr viel Sherry, staubtrocken… und lecker. Er sollte aber vielleicht langsam aus dem Fass raus..

Glasgows bester Pub heißt Bon Accord. Bei mir zumindest...

Ein paar Pints später reichte es dann auch und es ging heimwärts in den Karnickelstall. Heute morgen dann wieder zum Flughafen, rüber nach Berlin, dort erstmal fast einen Hitzeschock bekommen… 18. September.. 30 Grad.. Hallo ?

Nette Impression auf dem Rückflug : Sylt, Föhr und Amrum von oben...

Nun ja, jetzt bin ich wieder zuhause und das ist auch gut so. Frau und Katzen freut es auch. An dieser Stelle vielen Dank für die zahlreichen netten Kommentare und vielen Dank fürs lesen. Der nächste Bericht kommt warscheinlich im April bei meinem Arbeitseinsatz bei Springbank in Campbeltown. …see you…

McLarsen im Land der tausend Biere I. Fränkische Schweiz & Bamberg (August 2020)

Prolog / Tag 1 : Anreise / Krug Bräu

2020… das Coronajahr… ich hoffe es bleibt dabei und man wird in Zukunft nicht vom ERSTEN Coronajahr sprechen weil es länger dauert… nun ja was ich sagen wollte ist das dieses Jahr bezüglich von Reiseaktivitäten ein schwieriges Jahr ist. Eine Schottlandreise war eigentlich für September geplant und auch schon komplett durchorganisiert… neulich hab ich alles abgeblasen, zu unsicher alles noch. Im April hatte ich bereits eine 10tägige Deutschlandreise geplant und ebenso komplett gebucht… Der Plan dieser Reise war in etwa : 2 Tage in : Erfurt, Bamberg, Freiburg, Koblenz und Paderborn. Warum diese Städte (?) sie haben alle eine interessante Geschichte und einiges an geschichtsträchtigen Gebäuden… dazu sind sie auch für regionale Spezialitäten im kulinarischen Bereich bekannt… sowohl im Bereich Speisen als auch Getränken… das ist ja dann schon mein Thema und dann…kam Corona… … das Offside mußte wie alle anderen Bars schließen, plötzlich war alles was man kannte und in den letzten Jahren machte auf dem Prüfstand gestellt… und unsere Katzen fragten sich bestimmt was mit uns nicht ganz richtig ist da wir den ganzen Tag in ihrer Wohnung verbrachten. Mittlerweile ist es Ende August, der Sommer so gut wie vorbei, das Offside längst wieder geöffnet und nun also zum ersten mal in diesem Jahr raus aus der Stadt, ab aufs Land… es geht in die fränkische Schweiz, mit Freunden zusammen eine Bierwanderung und im Anschluß noch ein paar Tage in Bamberg. Es handelt sich um ein paar Tage voller Bier,  gutem Essen, schöner Landschaft und netten Leuten.

…schon lange hörte ich mal was von Bierwanderungen und fand alleine das Wort cool… Wanderung = ich kann einigermassen gut geradeaus laufen und zur Belohnung gibt es ein regional gebrautes Bier… das ist durchaus korrekt… aber man tut gut daran in eine Gegend zu fahren, wo das Bier auch richtig gut schmeckt und das Drumherum wie Essen und Unterkunft auch hinhaut…
Ich war jetzt 10 Jahre fast ausschließlich in Schottland und Irland unterwegs… 19 x Schottland… 2 x Irland… in Schottland wage ich mir zu erlauben so etwa jedes zweite Dorf …naja… dritte oder vierte… zu kennen… aber wenn mich die Schotten immer gefragt haben wo ich her komme… klar Berlin Mitte… (nicht schlecht vielleicht)… aber wenn die Schotten dann erzählt haben wo sie mal in Deutschland waren, dann waren das entweder Orte wo sie mal als alliierte Streitkräfte stationiert waren oder irgendwelche Ziele wie Schwarzwald oder fränkische Irgendwas… Beim Fränkischen lässt sich sicher einiges finden… die Landschaft ist nicht spektakulär aber relativ immer schön… die Menschen sind entspannt und nicht so speziell wie in dem Teil des Landes was man Bayern nennt… Der Unterschied zwischen Bayern und Franken ist außerdem das man in Franken gutes Bier braut bzw. manche sagen sogar das die das da im Gegensatz zu Bayern überhaupt können… Ich möchte mich also auch „weiterbilden“ um besser Auskunft über mein eigenes Land geben zu können, sollte ich im Ausland mal wieder danach gefragt werden.
Die Gemeinde Aufseß (da gehören mehrere Dörfer dazu… insgesamt etwa 1300 Einwohner) hatte im Jahre 2001 die höchste Brauereidichte pro Einwohner weltweit (4 Brauereien / 1300 Einwohner)
… prompt gab es einen Eintrag in das Guinness Bier Buch der Rekorde… und das heißt für mich… kann so verkehrt nicht sein…
Alleine macht so etwas garantiert keinen Spaß… da sollte man schon mit Leuten hinfahren die man gut kennt und am besten schon mal mit ihnen unterwegs war… es traf sich gut das ich meinen besten Freund André (seit 1975) nicht lange überreden musste… meinen Freund Immo auch nicht, Matthias die ganze Aktion auch erstmal ins Spiel gebracht hatte und auch einen erheblichen Teil organisiert hat, Carsten als guter Freund von Matthias dabei war und Matthias’ Bruder Thomas noch aus Erlangen dazu stieß… ein gutes Team war also schnell gefunden…
Die Anreise erfolgte mit der Bahn von Berlin Hauptbahnhof via ICE nach Bamberg… gerade einmal 2,5 Stunden hat das gedauert, unterwegs gab es zur Einstimmung ein paar kleine Whiskys …ich hatte tags zuvor schließlich Geburtstag. In Bamberg angekommen ging es mit einem Taxi weiter, welches 5 Personen fassen musste. Der erste Wagen der das konnte und sich mit uns in Bewegung setzte war ein… gute Frage was war das überhaupt (?) jedenfalls kein Van oder so sondern ein Wagen mit einer Art Notsitz. Der Fahrer war ein älterer Osteuropäer namens Viktor, der vielleicht einen alten Rekord mit der Strecke brechen wollte… jedenfalls ist das Blech seines Autos was unter unseren Füßen war jetzt etwas eingedrückt… will sagen … der ist gefahren wie ein Wahnsinniger und ich hatte Momente wo ich mir ausmalte, wie die Presse dann später hätte berichten können „Es hätte ein schönes Wochenende werden können“. …aber naja… wir sind letztendlich gut in Breitenlesau angekommen, der Viktor war aber das ganze Wochenende ein Thema dieser Tour…

Eine Russenlinde... warum ? steht auf dem nächsten Bild...
...genau deshalb...

So… Breitenlesau (Gemeinde Waischenfeld / Landkreis Bayreuth) ist ein Dorf mit etwa 200-250 Einwohnern, einer Kirche, einer Russenlinde und einer Brauerei. Diese Brauerei heißt Krug Bräu und sollte für 3 Nächte unser Quartier sein. Die Familie Krug gründete die Brauerei bereits 1834, bis heute ist es ein Familienunternehmen und das Bier ist auch überregional bekannt und wird auch ins Ausland exportiert. Ähnlich wie bei bekannten Whiskybrennereien auf den britischen Inseln ist das Business von der Herstellung von Alkohol nicht mehr auf die Produktion dieses eingeschränkt, es bedarf heutzutage schon etwas mehr um sich nachhaltig zu empfehlen und wirtschaftlich unabhängig zu bleiben, sollte es einmal nicht so laufen wie geplant. Im Falle der Krug Brauerei zählt dazu eine große Gastwirtschaft mit Biergarten, Übernachtungsmöglichkeiten und ein Tanzcenter (wegen Corona war das nicht auf und ich durfte nicht tanzen). Unser Zimmer (#9) war ein Dreibettzimmer welches ziemlich modern und auch geschmackvoll eingerichtet war… es gab nichts was ich vermisst habe. Für knapp 40 € pro p.P. pro Nacht mit Frühstück durchaus ok, die Zimmer sind durchaus sehr gefragt. Nachdem nun das Quartier bezogen war konnte nun das Wochenende eröffnet werden, also die paar Schritte raus in den Biergarten und Krug Bräu Olé… natürlich nicht ohne die beste fränkische Küche… auf den Tafeln standen fast ausschliesslich Speisen die ich liebe und so gingen in meinen Bauch neben den ganzen Bieren noch eine Schinkenplatte und ein amtliches Schnitzel. Das Krug Bräu gibt es als Helles und (80% vom Ausstoß:) Dunkles Lager. Das alles war sehr lecker und natürlich hat es die Berlin/Potsdamer Abordnung geschafft, die letzten auf dem Platz zu sein… machte ja nix… das Bett war nur ein paar Schritte entfernt. Es folgten einige Stunden Schlaf…

Das erste Bier... ich will nicht spoilern...aber es wird nicht das letzte gewesen sein...
Breitenlesau - Nankendorf Avenue

Tag 2 : Eine Wanderung zum Üben

Das Frühstück im Hause Krug war eher schlicht… Filterkaffee aus der Thermoskanne und ein unspektakuläres, kleines Buffet. Unsere erste Bierwanderung ist kein offizieller Bierwanderweg sondern eine individuelle Strecke, die Matthias und Carsten schon einmal gelaufen sind. Bei schönem Wetter ging es die ersten 3,5 km von Breitenlesau nach Nankendorf zur Schroll Brauerei. Auch dieses Familienunternehmen gibt es bereits seit über 150 Jahren… es gibt einen Gasthof mit kleinem Biergarten. Wir waren die ersten Gäste, durften die Sonnenschirme öffnen und kurz nach 11 Uhr stand das erste Bier auf dem Tisch, es war ein klassisches Landbier und wir nahmen sicherheitshalber zwei davon.

Das erste Bier des Tages...
...in der Schroll Brauerei Nankendorf...

Weiter ging es dann in Richtung Waischenfeld… mit 3000 Einwohnern eine Nummer größer als die umliegenden Ortschaften. Der Weg führte über einen Berg der mir als ungeübten Wanderer einiges abverlangte. Zur Belohnung stand dann oben eine kleine Kapelle… nein keine Combo mit Blasmusik zur Begrüßung sondern etwas zum beten (oder auch nicht). Danach ging es wieder bergab und wir kehrten ins Gasthaus „Zur Sonne“ ein. Dort gab es Mittagessen und Bier von der lokalen Heckel Brauerei. Es mag am Wetter oder am Namen des Gasthofes gelegen haben… fortan hatte ich den berühmten Tomatenkopf Sonnenbrand.

Die Kapelle am Ende des Aufstiegs
Rast im Gasthof zur Sonne... und die war an...

Es folgte ein erneuter Aufstieg und ein teilweise etwas abenteuerlicher Weg ins Dorf Hubenberg wo es gutes dunkles Bier der Brauerei Held aus Oberailsfeld gab. Die Kneipe war zwar laut Öffnungszeiten auf, hatte aber kein Licht an und es dauerte ein wenig bis sich jemand fand der in der Lage war Bier zu zapfen… auf’m Dorf ist halt alles bisschen anders… Das Held Bier war aber ein sehr gutes Gebräu, was auch doppelt getestet wurde.

Held Bier im Gasthof Polster Hubenberg
Hubenberg liegt übrigens bei Saugendorf 😀

Inzwischen drehte sich das Wetter und es fing ordentlich an zu regnen… zum Glück nur Wasser so das es nicht zu schlimm war, das wir die 3 km nach Breitenlesau an der Straße laufen mußten. Zurück an der Unterkunft stieß Thomas als letztes zu unserer Gruppe und wir waren komplett. Danach gab es natürlich noch Bier und lecker Essen… ich für meine Person hielt es aber den Abend bescheiden, schließlich erwartete uns tags drauf eine Tour von über 20 Kilometern mit 4 Brauereien… eine solche Strecke sollte man tunlichst einigermaßen fit antreten…

...der Sechser ist jetzt vollzählig...

Tag 3 : Die große Tour zum fränkischen Ehrenbiertrinker Diplom

Mit dem 9 Uhr Gong des Kirchturms setzte sich die Kolonne in Bewegung, welche es anstrebte mit dem Diplom „Fränkischer Ehrenbiertrinker“ zurück zu kommen. Dieser offizielle Wanderweg ist 14 Kilometer lang und verbindet 4 Brauereien, die alle zur Gemeinde Aufseß gehören. Mit 1300 Einwohnern ergibt das einen Schnitt, der zu einem Eintrag im Guinness Buch der Rekorde führte.

Um auf den Wanderweg zu kommen mussten wir aber erstmal 3 km in das Nachbardorf Hochstahl laufen… auch hier gab es wieder abenteuerliche Abkürzungen übern Acker… aber egal, in Hochstahl angekommen erwartete uns die erste Brauerei des Tages : Reichold. Genau wie die Krug Brauerei bietet auch Reichold Plätze zur Übernachtung an. Die Gäste kamen gerade vom Frühstückstisch als wir eintrafen und unser erstes Bier orderten. Diese Leute, überwiegend Ü50, waren in größeren Gruppen organisiert und hatten meistens mäßig originelle T-Shirts an damit man sie voneinander unterscheiden kann… viele sahen wir im Laufe des Tages wieder.

Das erste Bier des Tages bei Reichold in Hochstahl
...auf dem Weg...

Das Landbier der Reichold Brauerei schmeckte ausgezeichnet, so das wir sogar 3 Töpfe davon nahmen, bevor es weiter ging… schließlich standen etwa 4,5 Kilometer bevor. Die erste Rentnergruppe mit komischer Kleidung war schnell eingeholt… dann gab es einen Pinkelvorsprung zu erlaufen… so hatte unsere Truppe einen ganz schönen Zahn drauf… es machte auch Spaß weil niemand damit überfordert war. Das nächste Ziel war die Brauerei Stadter in Sachsendorf. Am Ortseingangsschild stellten wir fest, das in unserer Gruppe 4 gebürtige Sachsen sind…

4 x Born In Saxon

Die Brauerei Stadter ist eher ein kleiner Laden, es war Mittagszeit und wir mussten einige Minuten warten bis wir einen Platz bekamen. Das Bier war… nicht schlecht aber im Vergleich zum Reichold Bier ein deutlicher Verlierer. Hier reichte uns auch ein Bier und weiter ging es in Richtung Aufseß, wieder eine Strecke von über 4 Kilometern. Die Geschwindigkeit war noch immer hoch, in der Mittagssonne konnten wir sie aber nicht mehr steigern… es reichte aber um noch ein paar Leute zu überholen.

In Aufseß bei Rothenbach

Die Brauerei Rothenbach ist wahrscheinlich die größte auf dieser Strecke, so wohl mit der Menge der produzierten Biere als auch mit ihrem Gasthof und Biergarten. Wir hatten Glück das wir einen guten Tisch bekamen und nutzten den Aufenthalt neben diversen Bierproben auch zum Mittagessen, in meinem Falle ein schöner Tafelspitz mit Kloß… das Essen in Franken lässt ja keine Wünsche offen… der Aufenthalt in Aufseß war sehr angenehm, aber eine Station gab es noch zu absolvieren : Kathie-Bräu in Heckendorf… zwar nur 2 Kilometer, diese aber fast ausschliesslich steil bergauf… ich war zeitweise etwas kurzatmig… Kathie-Bräu ist nicht nur eine Brauerei mit sehr großem Biergarten, sondern auch ein beliebter Treff für Biker. Die Gebäude sind recht alt und sehen auch so aus, was die Sache aber nicht unsympathischer macht… im Gegenteil… vom Flair gefiel es mir hier am besten. Das Bier war ein Dunkles und schmeckte auch sehr gut. Da wir die 4 Brauereien alle abstempeln haben lassen, bekamen wir dort auch unser Ehrendiplom… immerhin besser als ein Jodeldiplom und überhaupt… diese Art der Fortbildung lobe ich mir. Vom Kathis trennten uns noch 5 km bis nachhause zum Krug, wir hätten diese direkt ansteuern können oder aber aufgeteilt in einmal 2 km zurück zum Reichold nach Hochstahl und von da aus die 3 km nach Breitenlesau… wir wählten die Version 2 und kamen nochmals in unsere erste Brauerei zurück um dort noch eine Rast mit Bier zu machen. Inzwischen kamen uns auch dann einige schräge Typen entgegen die schon viel getankt hatten und schlechtestenfalls noch mit lauter Schlagermusik bewaffnet waren… ein wenig Ballermann in Franken ließ sich nicht leugnen… insgesamt ging das aber… außerdem war Samstag.

...bei Kathie
...ähnlich... aber schon zurück beim Reichold...

Ohne Abkürzungen ging es dann zurück zum Krug und dort… ja… ihr ahnt es (?)… richtig, wir haben noch ein paar Bier getrunken. Danach haben wir alle sehr gut geschlafen… es war so einer der besseren Tage im Leben… ich denke ich spreche da für alle in der Gruppe.

Das Jodeldiplom

Tag 4 : Regentag in Bamberg

Der Zug der Rückreisenden André, Immo und Karsten fuhr um ca. 13:30 von Bamberg, das ließ noch Zeit um ganz in Ruhe zu frühstücken und danach… nun gut… was will man machen… man wartet auf das Taxi was für 12:00 Uhr bestellt war und was soll man inzwischen machen (?) …in einem Brauereigasthof (?)… richtig, ein gepflegtes Krug Bräu trinken. Der Taxifahrer hatte durchaus einen deutlich angenehmeren Fahrstil als Viktor… und Matthias weiß jetzt auch alles über die Gegend, seiner Familie und Nachbarn. Am Bahnhof Bamberg stiegen die Rückfahrer aus, Matthias und ich fuhren noch bis zum Hotel. Das City Hotel Bamberg ist ein sehr neues Hotel, es ist erst ca. 1 Jahr auf. Es handelt sich um ein umgebautes altes Bankgebäude und ich muß schon sagen, nicht nur der erste Eindruck ist positiv auch alles andere passt.

Das City Hotel
Domplatz im Regen

Der Regen wurde immer stärker und laut App war auch nicht zu erwarten das sich das noch ändert. Da aber auch dieser Regen nur aus Wasser war gingen Matthias und ich dann ins erste Brauhaus am Weg Sternla. Dort gab es lecker Bier und für mich einen amtlichen fränkischen Sauerbraten… Regen (?) mia doch egal…

Erstes Bamberger Bier im Sternla

Danach ging es ein wenig stadteinwärts, vorbei an dem berühmten Rathaus welches mitten im Fluss errichtet wurde und in der Liste der schönsten historischen Rathäuser Deutschlands ganz sicher eine Top 10 Platzierung hat, bis zum Domplatz. Schnell merkten wir das es im strömenden Regen keinen Spaß macht um die Schönheiten der Stadt zu erkunden… zum Glück gibt es ja nicht nur schöne Äußerlichkeiten sondern auch jede Menge „innere Werte“… Bamberg hat nämlich etwa 10 Brauereien mit angeschlossenen Gasthäusern. Leider sind die meisten davon entweder Sonntags oder Montags geschlossen, aber ein paar haben wir schon kapern können.

Im Ambräusianum

Da waren noch das Ambräusianum direkt neben dem Brauhaus Schlenkerla… das war so… eher lala und dann noch zur Brauerei Spezial, wo es uns sehr gut gefallen hat und wo es auch das erste Rauchbier auf unserer Reise gab. Wir schafften es wieder einmal die letzten zu sein, was aber 21:00 Uhr auch nicht weiter verwunderlich war. Es reichte ja auch und der Regen erstickte auch den größten Elan im Keim… also ab ins Hotel und in die Heia…

Brauerei Spezial
Die typische Handbewegung dieser Tage...

Tag 5 : Eine Bamberger Erkundungstour

 

Blick vom Michelsberg gen Nordosten
Blick vom Michelsberg Richtung Dom

Der erste Blick aus dem Fenster am Morgen brachte die Gewissheit : der Regen ist vorbei. Dann also das gute Frühstück im Hotel genossen und ab in die Stadt. Durch diverse Gassen und Straßen liefen wir zuerst auf den Michelsberg wie ihm die Einheimischen nennen (offiziell Michaelisberg) Bamberg steht wie Rom auf 7 Hügeln… auf zweien davon befinden sich Kirchen… der Dom und die Michaeliskirche mit ihrem dazugehörigen Klosterkomplex. Die Kirche wird gerade aufwändig restauriert, eine Besichtigung ist nicht möglich… der Ausblick den man von dem Berg hat ist allerdings frei… und sehr lohnenswert. Nach kurzen Stopps an Sehenswürdigkeiten wie dem Rosengarten war es Zeit für eine erste Rast… und die gab es in dem bekanntesten Brauhaus der Stadt : Schlenkerla.

Im Rosengarten
Klein-Venedig

Um die Mittagszeit war dort noch nicht so viel los, so das wir die Gelegenheit nutzten das weltbekannte Schlenkerla Rauchbier zu verkosten. Meine erste Begegnung mit diesem Bier war eher unangenehm… wenn man nicht darauf vorgewarnt ist was da gleich kommt, dann verzieht man doch erstmal das Gesicht. Nun ja, diesmal wußten wir was uns erwartet aber Fans werden wir von diesem Rauchbier wohl nicht mehr werden… Rauch im Whisky passt einfach besser. Schinken zu Schinken, Bier zu Bier…

Im Schlenkerla : Rauchbier...
...und Bamberger Zwiebel

Weiter ging es u.a. am Ufer der Regnitz mit dem schönen Ensemble alter und schiefer Häuser namens Klein Venedig und der Fußgängerzone (welche von den Geschäften her natürlich auch in Gera oder Wanne Eickel stehen könnten, aber die Häuser hier sind schöner) zur nächsten Brauerei : Fässla. Dort konnte uns das süffige Lager durchaus überzeugen und auch das Pils war nicht schlecht. Anschließend hatten wir einen Termin zur Domführung. 2 x am Tag gibt es öffentliche Führungen durch den Kaiserdom… sie kostet 5 € und beinhaltet einige Dinge, die dem individuellen Besucher der Kirche nicht zugänglich sind wie z.B. die Krypta und den Altarraum. Ich fand es sehr interessant und man könnte sicher noch viele Stunden durch das über 1000jährige Bauwerk wandeln… aber Kirchen kommen bei mir in den nächsten Tagen nochmal vor.

Dom - Blick zum Ostchor
Dom - Ostchor
Dom - Details vom Chorgestühl
Dom - Der Bamberger Reiter
Dom - Westchor
Dom - Altar von Veit Stoß

Nun hieß es erstmal Mittagessen und weil es so nahe war, ging es nochmal ins Schlenkerla… dort hatte ich von der Bamberger Zwiebel gehört und das klang durchaus lecker. Es handelt sich um so etwas ähnliches wie Kohlrouladen, nur nicht mit Kohl ummantelt sondern die Hackfleischmasse wird in eine große ausgehöhlte Zwiebel gefüllt. Es hat gut geschmeckt war aber auch nicht die Erleuchtung. Nach der Zwiebel und einem Rauchbier gab es dann erstmal eine kleine Pause im Hotel. Danach ging es weiter… ursprünglich wollten wir in ein Lokal namens Zapfhahn… einem nicht ganz so traditionellen sondern eher alternativen Laden… leider bekamen wir dort keinen Platz. Nicht weit von dem Laden ist ein Irish Pub… und wir dachten es kann nicht verkehrt sein ein wenig den Eisengehalt im Blut aufzufrischen und zwei Guinness zu trinken. Weiter ging es ein ganzes Stück weg von da zur Mahr’s Brauerei. Dort wurde um 21:00 geschlossen, weshalb wir nur ein Bier probieren konnten. Es war nicht so schlimm… das Mahrs Lager schmeckte uns beiden nicht… da war eine dominante Bananennote im Spiel. Wenige Meter von Mahr’s entfernt liegt die Brauerei Keesmann… deren Sternla Lager hat uns dann wieder geschmeckt… aber auch da war bald Feierabend und der zweite Tag in Bamberg ging zu Ende.

...Ausklang bei Mahrs...
...und Keesmann.

Tag 6 : Die Bamberger Erkundungstour wird fortgesetzt

Dieser Dienstag, 01.09.2020 war der Tag der Tour an dem ich als letzter übrig blieb, Matthias musste nachmittags zurück fahren. Bis dahin war aber noch ein wenig Zeit und wir machten da weiter, wo wir tags davor aufgehört hatten… durch die Stadt laufen und gelegentlich ein Bier trinken. Als erstes ging es ein wenig bergauf im Nordwesten der Stadt… dort kann man vorbei an gerade geschlossenen Biergärten und der Produktionsstätte von Schlenkerla laufen (das war nicht der direkte Weg) und sich dann mit einem Bier der Brauerei Greifenklau belohnen.

Die Brauerei Greifenklau
...und es schmeckt schon wieder...

Das Bier… es war ein Lager und wenn mich nicht alles täuscht ein Märzen war durchaus empfehlenswert. Das Wetter war wieder etwas unbeständig, es nieselte erst, dann wurde es doller… ok nicht so schlimm wie am Sonntag, aber …hmpf… Wir liefen noch ein paar Stationen ab um Sachen zu fotografieren die wir noch nicht hatten… dann wurde es aber doch Zeit für eine erneute Einkehr und zwar ins Klosterbräu… das war nun eine der letzten Brauereien die wir noch nicht besucht hatten. Neben Bier (Helles, Dunkles, Rauchbier) kam auch ein ordentlicher Gulasch zum Mittag auf den Tisch.

...Gulasch...
...und Bier im Klosterbräu... das letzte Prosit Bild zu zweit...

Als wir dann gingen hatte es aufgehört zu regnen, wir gingen zum Abschluss nochmal zur Fässle Brauerei (die nächstgelegene vom Bahnhof) und etwa 17:00 ging es für Matthias in Richtung Heimat. Ich ging erstmal ins Hotel und schrieb große Teile dieses Blogs… es ist ja nicht immer leicht sowas zu schreiben wenn mehrere Personen unterwegs sind, alleine nimmt man sich eher die Zeit. Später hatte ich erstmal genug von Bier und Schweinebraten, ich ging zum Italiener direkt neben dem Hotel und es gab Nudeln, Wein und Wasser. Damit war auch dieser Tag Geschichte.

Goodbye Matthias...

Tag 7 : Bamberger Kirchenwanderung

Die protestantische St. Stephanskirche...
...mit angenehm hellen, im Vergleich eher schlichtem Interieur...

An dieser Stelle muß ich erstmal kurz meine Beziehung zu sakralen Bauwerken erklären. Ich war zu keiner Zeit meines Lebens irgendeiner Religion verbunden und habe auch sonst keinen Draht zu spirituellen Sachen. Allerdings habe ich seit meiner Kindheit ein Interesse an sakralen Bauwerken und deren Kunstschätzen… das war zeitweise schwierig, zu Zeiten der DDR war es nicht immer gerne gesehen wenn man sich zu oft in Kirchen rumtreibt… aber es sind ja auch nicht nur Kirchenbauten, sondern im Prinzip alles was aus alten Steinen gebaut wurde, bereits als 13jähriger habe ich in den 1980ern schon als Führer im Schloß Sanssouci etwas Geld in den Ferien verdient…Leser meiner Schottland Blogs wissen ja das ich dort gerne Castles besichtige, auch wenn sie nur noch ein Haufen voller Steine sind.

Die Obere Pfarre mit ihrem gotischen Umgangschor...
...und recht üppigem Inneren...

Bamberg ist natürlich eine sehr katholische Stadt wie überhaupt ganz Franken oder Bayern. Da diese Stadt im zweiten Weltkrieg ziemliches Glück hatte von größeren Zerstörungen verschont zu werden, gilt Bamberg als die größte vollflächig erhaltene Altstadt Deutschlands… mit entsprechend vielen Kirchen. Die größte und bekannteste ist natürlich der Dom… 1000 Jahre Geschichte und immer wieder Veränderungen machen ihn schon zu einem sehr beeindruckenden Bauwerk. In seinem Schatten gibt es aber auch noch etliche andere bemerkenswerte Kirchenbauten. Ich hatte mir auf der Karte ein paar ausgeguckt und bin diese in wenigen Stunden abgelaufen und habe ziemlich viel fotografiert.

Das Karmelitenkloster
...wartet auf Spenden das es mit der Restaurierung weiter gehen kann...

Begonnen habe ich bei St. Stephan. Das einzigartige dieser Kirche ist, das sie von einem Papst geweiht wurde… nun gut, das gibt es in der Tat häufiger… aber man muß schon dazu sagen, das es eine evangelische Kirche ist… das allerdings erst seit gut 200 Jahren und als Papst Benedikt VIII. diese Kirche weihte, war an Luther oder Reformation noch lange nicht zu denken. Viel aus der Zeit ist heute eh nicht übrig… das jetzige Kirchengebäude entstand im 17. Jh in einem Stilmix aus Spätrenaissance und Frühbarock. Seit der letzten großen Renovierung erstrahlt das Innere der Kirche in einem strahlenden Weiß, was wirklich sehr gut aussieht. Ich war ganz alleine in dem großen Raum… eine ganz besondere Stille war das…

St. Jakob vom Michelsberg... im Hintergrund die Altenburg
St. Jakob innen... der romanische Kirchenstandard um 1100

Von schlichtem Weiß und Ruhe konnte in der nächsten Kirche keine Rede sein, es ging wenige hundert Meter in die Pfarrkirche zu unsere lieben Frau… im Volksmund einfach „Obere Pfarre“ genannt. Die katholische Kirche (ab jetzt sind alle weiteren katholisch) entstand im Zeitalter der Gotik im 14. Jahrhundert. Der Chor wurde etwas später als das Langhaus gebaut, was besonders außen gut zu erkennen ist. Das Innere des Bauwerks ist sehr reichhaltig ausgestattet, was meistens von der Barockisierung Anfang des 18. Jh stammt, aber auch viele Schätze früherer Epochen z.B. ein großes Bild von Tintoretto…. die zweitgrößte Kirche der Stadt ist von der Ausstattung deutlich prächtiger als der Dom… an dem wurde in den letzten 200 Jahren zu viel rumgedoktort…

St. Martin in der Innenstadt...
...mit barocker Ausstattung...
...und einer Kuppel die nur so tut als wäre sie eine...

Deutlich kleiner war dann die nächste Kirche : Das Kloster St. Maria & St. Theodor am Karlsberg, auch Karmelitenkloster genannt wurde im 12, Jh als Frauenkloster gegründet, im Laufe der Jahrhunderte war es Heimat verschiedener Orden. Die heutige Kirche ist ein Barockbau von Leonhard Dientzenhofer, die Originalausstattung ist weitestgehend nicht mehr existent… was heute zu sehen ist wurde Anfangs des 20. Jh im neobarocken Stil errichtet.

St. Gangolf im Gärtnerviertel
...im Kern ebenfalls spätes 11. Jahrhundert.

Ebenfalls nicht sonderlich groß ist die St. Jakobskirche unweit vom Dom. Sie ist eine romanische Basilika mit Querschiff und Holzdecken… so in etwa muß man sich auch den ursprünglichen Dom vorstellen. Die Westfassade erhielt einen barocken Giebel und auch der Turm erhielt sein heutiges Aussehen in dieser Zeit. Die Kirche ist Teil des Jakobsweges.
Mein Weg führte mich nochmals auf den Michelsberg, das Wetter war großartig und so konnte ich noch ein paar Bilder bei schönem Wetter machen. Die nächste Kirche war St. Martin am grünen Markt mitten in der Fußgängerzone der Stadt. Die Kirche ist ein Barockbau von den Gebrüdern Dientzenhofer und wurde zwischen 1686 und 1696 errichtet. Bemerkenswert ist eine Scheinkuppel… also eine Art optische Täuschung an der Gewölbevierung.
Eine Kirche hatte ich noch auf dem Plan und das war St. Gangolf im Westen der Stadt, die die Gärtnerviertel genannt wird. St. Gangolf hat auch einen romanischen Kern, ähnlich wie St. Jakob, wurde auch häufig umgestaltet.

...nach 6 Kirchen nun aber genug der Abbitte... ein Bier auf der Altenburg...
Sensationeller Blick auf Bamberg von der Altenburg

Das sollte es für diesen Tag zum Thema Kirchen gewesen sein, es war aber gerade mal früher Nachmittag und die Altenburg, ein in der Stadt gut sichtbares Gebäude reizte mich… nur nicht so recht der Anstieg… also beschloss ich ein Taxi zu nehmen und mich für den Preis von 3 Bier da hoch fahren zu lassen. Ich nahm den Wagen der als erster in der Reihe am ZOB stand und merkte nach ein paar Momenten… das ist doch Viktor (!), der Karmikazepilot der uns von Bamberg nach Breitenlesau gefahren hatte… was für ein Zufall, aber er hat mich nicht erkannt und die 10 min Fahrt waren auch weniger gefährlich als beim ersten mal.
Die Altenburg ist hauptsächlich ein Bauwerk vom Anfang des 20. Jahrhunderts, allerdings gab es durchaus ältere Vorgänger. Auf der Burg befindet sich ein Biergarten der u.a. Weyermann Bier ausschenkt, das ist Bier aus dem Gebäudekomplex einer markanten Malzfabrik unweit vom Bahnhof Bamberg. Wie alle anderen gastronomischen Stätten die ich in den letzten Tagen besuchte, wurde auch hier sehr genau auf die Abstandsregeln und sonstigen Coronamaßnahmen geachtet… hier vielleicht noch ein wenig mehr… aber das machte nichts, das Bier war nicht so meins, es hätte gut irgendein Dünnbierpils aus einer Industriebrauerei sein können. Das große Ding dieser Location war natürlich der Ausblick auf die Stadt… und die war wirklich großartig. Leider wurde es von der anderen Seite bedrohlich finster und es schien wohl klar das es gleich einen Regenguss geben würde… also ging ich wieder bergab Richtung Stadt, der Regen war eher kurz und dann durfte es auch erstmal eine Pause sein… etwa 15 km hatte ich schon in den Beinen. Abends brauchte es nochmal Schäuferla und Sternla Bier zum Abschied dieser tollen Tour… die nächsten Tage wird es garantiert wieder kalorienärmere Speisen geben und das Bier wieder erst abends… so viel steht fest 😉

...das letzte Abendmahl... (war wohl in zu vielen Kirchen heute 😉 Schäuferla (Schulterstück vom Schwein) ist DAS fränkische Gericht...

Tag 8 : Rückreise & Fazit

Bamberg im Sonnenschein

In diesem Moment sitze ich noch im ICE Richtung Berlin. Aus irgendwelchen Gründen fuhr heute kein ICE von Bamberg sondern ich mußte erst nach Würzburg juckeln und dieser ICE ist auch deutlich langsamer unterwegs als der beim Hinweg mit 2,5 h… nun egal…
Ich habe ein paar schöne Tage hinter mir und freue mich das alles so gut geklappt hat. Es war schön mit Freunden zu wandern und Bier zu trinken, es war auch schön auf eigene Faust die Gegend zu ergründen… richtig teuer war das auch nicht, Bier und (gutes) Essen sind im fränkischen wirklich nicht teuer… ich kann es nur empfehlen…

Rücblick... meinte eigentlich was anderes 😉