McLarsen

Islay 2012 – McLarsens erster Reisebericht (10th Anniversary Remaster)

Vorwort

Hier lest ihr meinen ersten Reisebericht aus dem Jahr 2012. Es war meine dritte Schottlandreise und die erste die ich alleine machte. So etwas wie ein Reiseblog oder ähnliches mag es damals (vor 10 Jahren mittlerweile) zwar schon gegeben haben, in meiner kleinen Welt jedoch noch nicht. Das ich meine Eindrücke trotzdem aufgeschrieben habe, lag am Interesse mancher Whiskyenthusiasten aus dem Cutty Sark Whiskyforum. Dort las ich seinerzeit gern die Schottlandberichte von anderen und wollte die Gelegenheit nutzen auch einen Beitrag dazu zu leisten. Der Bericht erfreute sich hoher Beliebtheit und somit sollte es der Anfang einer beliebten Serie von Berichten aus Schottland sein. Anlässlich der Tatsache das dieser Bericht nun 10 Jahre alt wird, habe ich ihn etwas aufgehübscht und nochmal veröffentlicht… viel Spaß dabei…

Empfang mit Regenbogen : Glasgow Airport

ANREISE : Teil eins meiner Reiseberichte startet zuhause, im Offside, ca. 13.30 Uhr, da es mein Verein Hertha BSC letzte Saison nicht geschafft hatte, in der ersten Fußballiga zu bleiben, sind dieses Jahr halt Termine wie der heutige an der Tagesordnung : 13.30 Uhr : Hertha gegen Aalen…soll wohl irgendwo im schwäbischen liegen…, nun ja, genug geärgert, den Halbzeitstand von 0:0 mit auf die Reise genommen, und los ging es, ab zum S-Bhf Bornholmer Straße, eine Stunde gefahren, mittlerweile den Endstand von 2:0 wohlwollend zur Kenntnis genommen… und schon ist man mitten auf dem alten Schönefelder Flugzeugplatz, daneben wird ja fleißig rumgebaut, angeblich soll der neue Flughafen ja noch in den nächsten Jahrzehnten vollendet werden. Flugzeuch hoch Fluchzeuch runter… Nix besonderes passiert, gute Musik via iPhone im Ohr, (besonders hervorzuheben Stars (die heißen wirklich so einfach) mit dem Album „The North“), und schon ist man in Glasgow. Letztes Jahr wurde ich hier, zusammen mit Jörg mit einem amtlichen Regenguss begrüßt, wie es sich für eine Stadt geziemt, die sich inoffiziell „Raintown“nennt. Heute konnte ich vom Flugzeug gerade noch so einen Regenbogen fotografieren, ansonsten ist hier das gleiche schöne Wetter, wie in Berlin, bzw. wie immer, wenn ich Schottland bereise…(dreimalaufholzklopf…). So, Hotel hatte ich wie immer in der Renfrew Street gebucht, da man von da aus einerseits gut zum Busbahnhof kommt, anderseits in die Gegend guter Bars abseits des Citymainstreams…. (was ’n Unwort…)… Vor vielen Wochen recherchierte ich dann mal zwecks Whiskybars in dieser Gegend, in den letzten Jahren war ich nie zufrieden mit den großen Namen wie z.B. das „Pot Still“, da bin ich als Betreiber einer eigenen Whiskybar dann doch vielleicht kritischer als andere… Nun gut, die Wahl fiel auf eine Bar namens „Bon Accord“, etwa 10 Fußminuten von hier, direkt an Schottlands meistbefahrener Autobahn, der M8 gelegen (die dort allerdings eine Etage tiefer fährt…)

Im Bon Accord

Ich kam in die Bar, bestellte mir ein local beer, fragte nach fester Nahrung und wurde erstmal enttäuscht… keine Küche mehr… Im Laden waren etwa 6 schottische Ureinwohner um die 60 und älter, so das ich einen Moment lang Plan B (Ben Nevis Pub 10 min weiter) in meinem Kopf durchexerzierte. Dann kamen zwei Herren ins Lokal, die ich schnell als Landsleute identifizieren konnte. Wir kamen relativ schnell ins Gespräch, wenn man Deutsche in Schottland trifft, sind es ähmmm, zumindest recht häufig Leute mit Whiskymigrationshintergrund..(sicher das Whiskyunwort des Jahres, vielleicht sollte ich es mir vorsichtshalber patentieren lassen…).. Björn und Ralf aus Essen waren beruflich hier und, natürlich im Whiskybusiness…, wir hatten eine gute Unterhaltung. Zwischendurch war ich mal nebenan beim Inder was essen, was übrigens ganz vorzüglich war, dann kamen zwei Herren in den Laden, den meine Gesprächspartner kannten… Ich wurde schnell aufgeklärt : der eine ist Angus von einer Whiskyauktionsfirma deren Namen ich jetzt nicht im Kopf habe, der andere ist Carsten Ehrlich, der Macher der Whiskyfair Limburg und der Whiskylabels Whisky Agency und Liquid Library etc…, für alle, die hier nicht so viel über Whisky Bescheid wissen…Leute, die man nicht einfach so mal trifft…und schon gleich gar nicht in einer (mir noch) unbekannten Bar an der M8 in Glasgow… Wir hatten ein paar Bier und zwei-drei Whiskys, einige Fachgespräche, dann ging es aber ab ins Bett, schließlich klingelt um 7.30 der Wecker…

Impressionen aus dem Busfenster - Landschaft bei Arrochar
Am Pier von Inveraray
Auf der Fähre Kennacraig - Islay

…so geschehen heute morgen, mittlerweile ist es Montag und ich befinde mich in Kennacraig auf der Fähre nach Islay, welche just in diesem Moment ablegt. Immer wieder ein Erlebnis: die Fahrt von Glasgow bis hierher. Solche beeindruckenden Landschaften bekommt man in Europa höchstens noch in Norwegen geboten. Luftlinie ist es ja gar nicht so weit, aber die zerklüftete Westküste mit ihren hunderten Seen und Bergen, die einfach mal so von null auf achthundert in die Höhe wachsen, machen die Fahrt zur Zickzacktour. Beeindruckend ist auch, mit welcher Geschwindigkeit die schottischen Busfahrer diese Strecken langbrettern, aber die machen das ja öfters, ich wäre warscheinlich mit Tempo 30 da langgekrochen… Sehr schön anzusehen sind auf der Strecke, welche am westlichen Stadtrand Glasgows auch die Auchentoshan Distillery streift, der ewig lange Loch Lomond, der ja Gegenstand einer der bekanntesten Songs der schottischen Nationalschlagerhelden Runrig ist. (ok, das mit dem Schlager nehm ich zurück, ist aber nicht sooo weit entfernt…), der kleine Hafen von Inveraray, wo der Bus 15 Minuten Pause macht, genau wie die kleinen Straßen des kleinen Ortes, ein kurzer Abstecher in den dortigen Whiskyshop, aber die Zeit ist zu kurz zum stöbern, den Bus verpassen wäre ja schon grober Unfug… Das Wetter ist so, wie man es an der Westküste gewöhnt ist, Sonnenschein und Regen im wechselnden 10 Minuten Rhythmus…

In Bowmore angekommen...

…mittlerweile in Bowmore angekommen. Das Quartier bei Rena Omand in der Jamieson Street bezogen, ich habe 4 Betten, quasi ein Doppelbett und zwei einzelne zur Verfügung.. Platz ist also.. So, dann ein kurzer Überblick über die Hauptstadt der Insel Islay… 20 min… Dann mal kurz zur Bowmore Distillery ins Visitor Center, nur um mal zu schauen, was es da so schönes gibt…, Bowmore selbst steht ja erst nächsten Dienstag auf der Tagesliste… dann Hunger, Restaurant… Lochside Hotel… Naja, ich geb den noch ne zweite Chance, aber heute war nicht so der Tag Lochside vs. Mclarsen…
Viel besser dann später im Bowmore Hotel, die Bar, die auch die Einheimischen nutzen, ich hatte viel Spaß, gute Whiskys, und jetzt aber den Kanal voll für heute. Morgen steht Lagavulin an, ich bin hier schließlich nicht zum Vergnügen, wir hören bzw. Lesen morgen weiter, wenn ihr wünscht…. Good.night..

Lagavulin Distillery vom Dunyvaig Castle

LAGAVULIN: Tag 2 wachte ich gegen 7 von Geräuschen auf, die mich daran erinnerten wie es klingt, wenn man mit dem Auto durch eine Pfütze fährt. Es gallerte wie aus einem Guß an Fenster und Dachschräge, 5 Minuten später zeigte sich dann aber schon wieder die Sonne. Es folgte die erste Unregelmäßigkeit auf meiner Reise, bei der bis hierher alles wie am Schnürchen geklappt hatte. Der Busfahrplan, der an der Bushaltestelle hängt, deckt sich nicht mit dem in meinem Kalender, statt 9.45 Uhr kam der Bus Richtung Ardbeg erst 10.20, die gebuchte Warehouse demonstration bei Lagavulin beginnt aber 10.30, naja, dachte ich, dann komme ich eben zu spät, die Schotten haben es eh nicht so mit Pünktlichkeit. Verpasst hab ich schließlich nicht viel, außer, das eben genau ein Stuhl gefehlt hat, so das ich stehen mußte, was mich nicht störte. Eine derart volle Demonstration habe ich noch nicht erlebt, es waren ca. 50 Leute da, mindestens die Hälfte davon ein Seniorenwhiskyclub aus Dänemark. Vortragender war die lebende Lagavulin Legende Ian MacArthur, auch Pinky genannt, über 40 Jahre im Geschäft und nie um einen Scherz oder Schabernack verlegen.

...mit dem Valinch aus dem Fass... Ian MacArthur bei der Arbeit...

Es gab direkt aus dem Faß : ein New Make (das ist das Zeug, wie es aus der Brennblase kommt, nicht gereift und völlig klar, darf sich auch nicht Whisky nennen, das nämlich erst nach 3 Jahren Fassreifung), das war harter Tobak am frühen Morgen… warscheinlich gut geeignet zum Fensterputzen. Danach kam ein 8jähriger aus dem Sherryfaß, ein 12jähriger aus dem Bourbonfaß, ein 14jähriger aus dem Sherryfaß und zur Krönung ein 30jähriger Bourbonfassgereifter, der natürlich erwartungsgemäß das Highlight war. Da alle Gläser immer sehr gut befüllt wurden, war man dann gegen Mittag schon ein wenig „heifitelititi“ wie meine Mutter sagen würde. Produziert wird bei Lagavulin übrigens derzeit nicht, deshalb gab es auch keine Führungen. Die Brennblasen sind eingerüstet und es werden die Kondensatoren ausgetauscht. Danach ging ich fotografieren was das Zeug hielt, nicht aber, ohne mir noch mal im Visitor Center versichern zu lassen, das danach auch noch eine Flasche Lagavulin Jazzfestival Abfüllung für mich da ist. Gegenüber der Distillery befindet sich, halb im Meer schon, eine Burgruine, oder sagen wir mal, die Reste der Ruine. Unter Einsatz meines Lebens kletterte ich auf die nassen, glitschigen Felsen und wurde mit einem Top Ausblick und tollen Fotos belohnt.

Dunyvaig Castle von Lagavulin aus gesehen
...lange her das hier mal die gute Stube war...

Dann ging ich zurück ins Visitor Center, kaufte die Flasche, wartete einen Regenguß ab und ging dann zu Fuß Richtung Port Ellen, an Laphroaig vorbei, wurde unterwegs böse mit Wasser begossen, aber der stürmische Wind trocknete die Sachen relativ schnell. In Port Ellen machte ich noch ein paar Fotos von der Mälzerei, auf dem Gelände befand sich früher die Port Ellen Distillery, die 1983 geschlossen wurde. Als einzige Lokalität mit fester Nahrung (um diese Zeit), erwies sich das Cybercafe als Glücksgriff. Gutes Essen für ein schmales Geld von einer sozialen Einrichtung für die Dorfjugend, sehr zu empfehlen.

Lagavulin Distillery vom Bootssteg
...das Wetter wirkte gelegentlich bedrohlich...
...auf nach Port Ellen... Bye Lagavulin
Port Ellen : Reste der Brennerei, Strand und Maltings

Nach den ganzen Outdoortätigkeiten taten anschliessend 2 Stunden rumgammeln, Emails gucken etc. ganz gut… dann pünktlich zur Champions League ins Bowmore Hotel auf der anderen Straßenseite. Im Pub war heute überhaupt nix los, Gottseidank war zumindest die zweite Halbzeit von Real – M.City recht ansprechend, sonst wäre mir ja beinahe langweilig geworden. Apropos Pub, mir ist heute aufgefallen, das das Waschbecken der Herrentoilette im Bereich des Sitzklos ist…, also hinter dessen Tür… der Trockner ist aber schon wieder wo anders, etwa 6 m entfernt…(nein, ich hab nicht zu viel Bier gehabt…)
So, das wars für heute, morgen liegt die große Ardbeg Tour mit Wasserquelle, Lunch und allem pipapo an, da gibt es später sicher viel zu berichten…..

...eigenwillige Anordnung der sanitären Anlage...
Empfangskommitee bei Ardbeg

ARDBEG… ist die erste Distillery, die ich zum zweiten mal gesehen habe, das nicht weil sie meine Lieblingsbrennerei ist, aber es hat sich vor zwei Jahren so ergeben, das ich dort schonmal war. In der Planungsphase dieser Reise beschloß ich, wenn möglich immer die Touren zu buchen, die das meiste zu bieten haben, wo man auch etwas mehr sehen kann, als der gemeine Durchgangstouri. Die besondere Tour bei Ardbeg nennt sich „walk to the water source“‚ dauert 4 Stunden, kostet 35 pounds und führt zu einer der beiden Quellen, aus denen das Wasser für den Ardbeg Whisky stammt.

Slainte
Unser Tourguide Dougie

Einen Fehler machte ich gleich zum Anfang. Es wurden Gummistiefel angeboten, aber da ich momentan ziemlich viel Rücken habe und Schuhe oder Socken anziehen ziemlich anstrengend finde, dachte ich mir, geht schon so und ließ meine Docs an. Bereits nach einigen hundert Metern bemerkte ich meinen Irrtum, es regnete ab und zu und die Wege wurden immer schlammiger, es war schon ein Geschicklichkeitsspiel, den Weg immer 2 Meter im Voraus abzuscannen und dann nach links, rechts oder in die Mitte zu springen, um es vorweg zu nehmen, am Ende sah ich aus wie eine Sau, aber egal. Unterwegs gab es den einen oder anderen Ardbeg Dram, beginnend mit dem „Very Young“, dann ein letzter Rest vom „Kildalton“, das ist eine 24jährige Abfüllung von 1980, gefolgt vom ungetorften „Blasda“, einem Sample eines Fasses von 1995, welches wohl anlässlich der Feierlichkeiten zum 200 Jubiläum 2015 abgefüllt werden soll, dann folgte das neueste Produkt des unbegrenzten Ardbeg Hypes, der „Galileo“. Später, zum Schluß der Veranstaltung wurde noch ein „Uigeadail“ gereicht.

Loch Iarnan
Torfstechen

Nach einer Weile kamen wir am Loch Iarnan an, das ist die eine Quelle, die andere heißt Airigh Nam Beist, vor ein paar Jahren Namensgeber einer mittlerweile sehr begehrten Ardbeg Abfüllung. Dort angekommen, wurde ein Lunch gereicht, bestehend aus Lachsbaguette, Nektarine, Kuchen, Walker Crisps und Limonade. Danach ging es auf dem gleichen Weg zurück, unterwegs berichtete unser Guide Dougie, ein cooler Typ Mitte 50, wie es früher so war, er ist nämlich ein waschechter Ardbeganer, lebte bis vor einem Jahr in England und kehrte dann zurück. Ich fand seine Geschichten sehr interessant, es würde jetzt aber den Rahmen sprengen, die hier noch aufzuschreiben. Nicht unterschlagen möchte ich auch, das er uns unterwegs an einem Torffeld gezeit hat, wie das Torfstechen geht, man konnte sich auch selbst daran versuchen. Zurück in der Distillery gab es mit den ehemaligen Malzböden etwas zu sehen, was sonst nicht in den Führungen gezeigt wird. Die Räumlichkeiten werden heute für Anlässe wie z.B. Hochzeiten genutzt. Der Rest der Distillerytour bot das übliche, Malzmühle, Mashtun, Washbacks, Stillroom. Zum Abschluß ging es dann auf den Bootssteg wo der letzte Whisky genommen wurde. Fazit: das war verdammt viel für 35 Pfund, ich kann nur jedem empfehlen, wer mal Mittwochs auf Islay ist und etwas über den Tellerrand schauen mag, der sollte diese Tour machen…..und Gummistiefel ausleihen. Ein großes Kompliment nochmal an Dougie, unserem Tourguide. Danach machte ich noch ein paar Fotos, dann wurde noch etwas eingekauft, (z.B. Galileo). Zurück wurde ich von 4 sehr netten Leuten aus Mönchengladbach mit dem Auto mitgenommen, die haben ihr Quartier ein paar Häuser weiter.
…so, jetzt ein Stündchen Ruhe und dann mal ein, naja vielleicht auch 2,3… Bier zum Fußball…

...man beachte Schuhe und Hose 😉

BUNNAHABHAIN… (sprich Bunna-hawen). Von dem heutigen Tag wußte ich im Voraus, das gewisse Abläufe schwierig werden. Ich wollte unbedingt die Managers Tour machen und diese findet nur Donnerstags um 14 Uhr statt. Bunnahabhain ist neben Kilchoman die einzige Distillery auf Islay, die man nicht mit dem Bus erreichen kann. Also heißt es rechtzeitig so weit wie möglich mit dem Bus ranfahren und dann laufen, Google prophezeite 1 Stunde, 15 Minuten Fußweg, Punkt 13 Uhr bog ich auf die Straße ein und legte mit Stechschritt los. Dieses Tempo versuchte ich zu halten, auch wenn es gefühlt nur bergauf ging. Ausgerechnet heute war der gesamte Himmel mit einer grauen Suppe zugekleistert, welche ständig Wasser von sich gab, das Vergnügen unter Zeitdruck einen Minimarathon zu laufen, war also gering. Etwa auf der Hälfte wurde ich dann erlöst. Das erste Auto, was mich überholte, hielt an und zwei nette Kanadier, welche auch diese Tour gebucht hatten, namen mich mit. Wir drei waren dann auch die einzigen Besucher der Tour, was ja immer nicht schlecht ist, wenn es wenige Leute sind.

Tom, Andrew Brown & Murray
Bunnahabhain - Die große Mashtun

Distillerymanager Andrew Brown nahm uns dann für ca. 2,5 Stunden unter seine Fittiche und wir besichtigten die Brennerei. Auffällig waren die Brennblasen, welche alle verschiedene Formen haben, relativ ungewöhnlich angeordnet sind und die richtig dunkel sind, man kann nur noch ahnen, das sie aus Kupfer sind. Danach ging es noch an der Faßabfüllung vorbei, in eines der insgesamt 8 Warehouses, leider ohne eine Probe aus einem Faß. Zu guterletzt ging es dann noch in einen Raum, wo es dann noch was zu trinken gab : Darach Ur (ohne Altersangabe in neuen Eichenfässern gereift), Bunnahabhain 12 (der Standard), Bunna 18 (mein Favorit), Bunna 25 (schon lecker, aber nicht für das Geld…) und zum Abschluß noch einen Toitech (getorft und ohne Altersangabe).

Die Brennblasen von Bunnahabhain
...viele Abläufe sind Computergesteuert...
Grünspan... oder warum der Vorlauf nicht verwendet wird.

Meine Einschätzung : die Managerstour von Bunnahabhain lohnt sich nicht unbedingt, ist aber Ok. Wir haben wohl das gleiche gesehen, wie andere Besucher auch, nur das der Manager geführt hat und ungefähr doppelt so viel dazu erklärt hat. Leider ist Andrew Brown kein guter Entertainer und selbst die beiden Kanadier haben nur die Hälfte verstanden. 5 Whiskys sind OK, wenn auch die Standards nicht aufregend waren. Fazit : Die Tour kann man machen, muß man aber nicht. Tom und Murray, so heißen die beiden Kanadier, die übrigens in Tokio und Shanghai leben, nahmen mich dann noch bis Bridgend mit und die letzten 3 Meilen lief ich dann nach Bowmore zurück, das war nicht ganz ungefährlich auf der engen, vielbefahrenen Strasse, aber es gab keine Alternative, Busse fahren um die Zeit nicht mehr. So, gleich gehts nochmal in den Pub, heute mal ins Lochside Hotel, wo ich Hans aus Göttingen treffen werde. Morgen geht es weiter mit Laphroaig, ebenfalls eine große Tour mit Besichtigung der Wasserquelle, ich bin gespannt…

Bunnahabhain - Fassabfüllung
...das könnte ein schöner Tag werden...

LAPHROAIG:  …so, es ist Freitag, der 21. September, Tag 5 auf Islay und damit etwa die Hälfte… und ich bin mir relativ sicher, heute das Highlight der Reise erlebt zu haben… alles was jetzt noch kommt, muß sich an den heutigen Tag messen lassen…und das wird schwierig. Laphroaig war das Thema bzw. die Distillery des Tages, die Tour nennt sich Water to Whisky Experience…, im Prinzip so ähnlich, wie am Mittwoch die Tour bei Ardbeg, nur etwas exorbitanter…
…Fangen wir mal mit den äußeren Umständen an… das Wetter,… war das grausam gestern, gerade im Süden von Islay muß es ja besonders geschüttet haben, das Feld, wo bei den Friends Of Laphroaig die Fähnchen stecken (rein juristisch gehören mir da auch theoretisch ein paar Quadratzentimeter)… war ein einziger See, der Wald rund um die Straßen noch Ardbeg/Lagavulin/Laphroaig war ein Wasserbiotop. Von Augenzeugen wurde mir berichtet, das Ardbeg so sehr geflutet wurde, das man kurz vor Abbruch der Produktion war, da das Wasser durch das Stillhouse lief…
Nun gut, heute erwachte der Tag mit blauen Himmel und jetzt (kurz vor 7 Ortszeit), scheint die Sonne noch immer…klappt doch…

Die Wasserquelle von Laphroaig
Picknick
Kompott
Fernsicht... vorne Lagavulin, hinterm Wasser Kintyre, die Berge sind auf Arran

So, nun zu Laphroaig. Die Ausgangslage : in meiner Top 3 aller Distillerys jederzeit gesetzt, genau wie Springbank, das sind die beiden, auf die ich nichts kommen lassen will…, die Nummer drei wechselt immer ein wenig, Aberlour, Tomintoul, Ben Nevis besetzen den Platz schon mal, aber auch Exoten wie Benrinnes gehört das Interesse…egal…ich will nur damit sagen, das mein Verhältnis zu Laphroaig ohnehin ein gutes ist. Der heutige Besuch könnte die Brennerei unsterblich gemacht haben.
Auf Grund des Busfahrplanes war ich schon etwa 90 Minuten zu früh da, das war auf Grund des guten Wetters kein Problem. Ich meldete mich im Visitor Center an, bei Jenny, die wie sich später rausstellte unsere Führerin war. Ich schaute mich ein wenig im Shop um, ging raus und machte schöne Fotos von der Distillery unter blauen Himmel, von Weitem und über Stock und Stein… Der erste Whisky des Tages war nicht ganz freiwillig, obwohl, quatsch, falsches Wort, er war aus Versehen. Aus irgendwelchen Gründen sollte für irgendwem eine Flasche Laphroaig Cairdas 30 Jahre geöffnet werden und der Korken ging beim Öffnen kaputt. Soweit nichts besonderes, mir ist das auch schon öfters passiert, jedoch nicht bei einer solchen Flasche, keine Ahnung was die kostet…, die beiden Leute, die etwas mit der Flasche zu tun hatten, drückten den Restkorken in die Flasche und da es jetzt eine Flasche mit Macke war, wurden den Leuten, die gerade in der Nähe rumstanden… (gottseidank steh ich manchmal auch richtig…), ein dram davon gereicht … Laphroaig 30 Jahre, dunkles Sherryfaß… Einfach mal so, …kostenlos…der Tag fing gut an und er ging gut weiter…unsere Gruppe bestand aus mir, Paul und Murray (die beiden Kanadier von gestern) und Peter, ein uriger Typ Mitte 60 aus Canberra, Australien. Unsere Tourguidin (ok, das Wort gibt es wohl nicht, aber ihr wisst, was ich meine…) Jenny, eine junge Frau Anfang 20 mit Angst den Bus zu fahren (kein Reisebus, nur VW Van), machte ihren Job von Anfang an sehr gut. Wir fuhren zur Wasserquelle von Laphroaig, welche ungefähr gegenüber der Distille vielleicht 1,5 km auf dem Berg liegt. Dort gab es erstmal Lunch : verschiedene Sandwiches, Suppe, Käse (Laphroaig Flavour) etc…. jedenfalls alles sehr lecker…, natürlich auch Laphroaig, 10 years old, CS Batch # 4. Als die zwei Wurstfinger breit eingegossenen Drams alle waren, wurde nochmal nachgegossen… Das Wetter war traumhaft, man konnte die ganze Gegend genießen, freier Blich auf den Mull of Kintyre und bis rüber nach Irland. Jenny meinte irgendwann… don’t be shy… Und schenkte nochmal zwei wurstfingerbreit nach… Langsam wurde es lustig und ich merkte, das ist ein guter Tag… 

...heute besser mit Gummistiefeln...
Trecker fahrn...
Torf stechen...
Laphroaig trinken...

Wir fuhren dann auf ein Torffeld zwischen Port Ellen und dem Flugplatz. Nach abenteuerlichen Hinweg, nur wenige hundert Meter, aber gefühlt 5 Meter tiefen Schlamm, kamen wir an der Torfstechstelle von Laphroaig an und versuchten uns in diesem Handwerk mehr schlecht als recht…, es gibt übrigens nette Fotos davon…achso, begleitet wurde das ganze von mindestens …3 Triple Wood…, zurück in der Distillery, wurden erstmal die Gummistiefel ausgezogen, (ja… Ich habe gelernt, ohne die wäre ich wohl auch versunken…), dann wurden wir durch die Distillery geführt. Die Führung war interessant, bot sie doch auch einen Blick auf Maltingfloors, ein Blick in den Kiln, der grad nicht an war und in den Kiln, der gerade das Malz toastete, die Körner genascht, sehr leckeres Knusperzeugs… Selbstverständlich nichts für Leute, die mit Rauch nichts zu tun haben wollen. Mashtun, Washbacks, Stillhouse… Alles bekannt von anderen Brennereien, die Brennblasen, sieben (!) an der Zahl beeindrucken schon, wie sie so an einer Reihe stehen… Danach hatten wir noch einen kurzen Blick in die Fassabfüllung und es ging in das Warehouse #1.

Laphroaig - Stillhouse

Es ist Teil der Tour aus drei Fässern zu kosten und dann eine 0,25 l Flasche vom Favouriten abzufüllen, für zuhause… Es gab ein 1997’er Faß, ein 1999’er, und ein 2003’er, ich entschied mich am Ende für das 1997’er, Nicht ganz so torfig und der absolute Rest vom Fass, es musste schon gekippt werden, damit da noch was rauskommt, in der Flasche ist jetzt auch sehr viel Holz, mal sehen, ob ich das nochmal filtere, oder es so naturbelassen mitnehme… Danach war Schluß, wir verabschiedeten uns von Jenny, die einen sehr guten Job machte, ich verabschiedete mich von Paul und Murray, die heute noch ihren Rückweg antreten, und Peter und seine Frau Robyn waren so nett, mich nach Bowmore mit dem Auto zu fahren. Das war der Tag 5, ……Lou Reed hat einen Song darüber : Perfect Day…
…und morgen … Kilchoman…

...noch schnell was zum mitnehmen abfüllen...
Urlaub auf dem Bauernhof ? Kilchoman !

KILCHOMAN: So, es ist Samstag und das Abenteuer geht in die nächste Runde, heute stand Kilchoman im Mittelpunkt. Um da erstmal hin zu kommen reservierte ich mir im Voraus ein Mietauto, was ich bis Montag behalten werde um die Stellen der Insel anzusteuern, wo es mit Bus oder zu Fuß schwierig wird. Das mit der Reservierung hat alles prima geklappt, wie alles andere bislang auch (ich bin begeistert…) und so kam heute meine Jungfernfahrt auf der anderen Straßenseite, ich hatte bislang noch keine Gelegenheit, das auszuprobieren. Das Auto ist das gleiche wie zuhause auch, ein Polo, nur das alles falschrum ist… Ich habe mich erstaunlich schnell an den Linksverkehr gewöhnt, Islay ist ja auch ein gutes Testpflaster, so viel Verkehr ist halt nicht. Nur bei den Single Track roads mußte ich mir ab und zu daran erinnern, das ich rechts sitze, wenn der Schotter schon auf der linken Seite spritzte…
Kilchoman liegt als einzige Brennerei der Insel nicht am Meer, oder am See, sondern am Arsch der Welt. Wenn man Richtung Bruichladdich fährt, muß man über eine Single Track Road, also eine einspurige Straße mit kleinen Buchten zum Ausweichen von Gegenverkehr, etwa 4 Meilen ins Landesinnere fahren. Dann folgt man einem kleinen Schotterweg und kommt auf das Gelände einer Farm, auf der sich die Distillery befindet.

In einer Art Garage wird selbst gemälzt
Der Produktionsraum

Die kleinste Distillery Islays ist zugleich auch die jüngste, sie wurde erst 2005 eröffnet und produziert im Jahr so viel, wie Caol Ila an drei, vier Tagen. Der Whisky von Kilchoman schmeckt Islay-typisch sehr rauchig, ich bin gespannt, wie reifere Abfüllungen schmecken werden, die derzeitigen Whiskys können ja nicht älter als sechs, sieben Jahre alt sein. Die Distillerytour war unspektakulär, das hatte ich auch nicht anders erwartet, es ist halt alles ziemlich winzig, im Vergleich zu den großen Fabriken der letzten Tage.

Keltenkreuz neben der Kirchenruine vom Dorf Kilchoman
Militärfriedhof Kilchoman

Danach fuhr ich zur Kirchenruine auf dem Friedhof von Kilchoman, hier gibt es auch ein Keltenkreuz und sehr alte Gräber. Über einen Acker gelaufen erreicht man den Militärfriedhof von Kilchoman, für die Opfer der Schiffskatastrophe des Schiffes HMS Otranto, das 1918 in Sichtweite des Friedhofes sank. Die Katastrophe kostete übrigens 431 Menschenleben. Ich fuhr danach mit dem Auto etwas näher ans Meer, parkte und spazierte gut eine Stunde am menschenleeren Machir Bay, einen wunderschönen Sandstrand, welcher von teils bizarren Felsformationen begrenzt wird. Ständiger Begleiter war auch heute die Fotokamera und die Kopfhörer, der Sound der aktuellen Platten von The Raveonettes und Smashing Pumpkins untermalten die Landschaft hervorragend. Danach fuhr ich nochmal in die Distillery, bzw. in das Cafe von Kilchoman um einen Happen zu essen. Somit blieb dann noch Zeit für einen Abstecher ins Islay Museum in Port Charlotte. Auch das war sehr interessant, man kann auch dort einiges über die Schiffskatastrophe der Otranto erfahren. Danach machte ich noch ein paar Bilder in Bruichladdich, man muß das Kaiserwetter ja nutzen, und fuhr dann nachhause.
So viel zu heute, morgen liegt keine Distillery an, morgen ist Sonntag, ich werde wohl mal über die ganze Insel kreuz und quer fahren…

Machir May...
...ein herrlich einsamer Strand auf Islay...

ISLAY KREUZ UND QUER: Heute war kein Besuch einer Whiskydistillery angedacht, sondern eine Vermessung der Insel von West nach Ost, Süd nach Nord, kreuz und quer und wo man sonst noch so hinfahren kann. Dafür, das es erst mein zweiter Tag als Geisterfahrer ist, habe ich mich ziemlich schnell an die linke Straßenseite gewöhnt, fast schon, als wäre ich nie anders gefahren. Ich startete Richtung Kildalton Cross, das ist eines von mehreren keltischen Kreuzen aus dem Frühmittelalter. An den drei Süddestillen Laphroaig, Lagavulin und Ardbeg vorbei, sieht das auf der Karte gar nicht so weit aus, der Weg zieht sich aber dermaßen lang hin, das man schon ins Grübeln kommt, ob man nicht ausversehen schon vorbei gefahren ist.

Kildalton Cross in der Morgensonne
...aus der zweiten Hälfte des 8. Jh n.C.... ganz schön alt...

Als ich mir am Dienstag überlegte, was ich nach Lagavulin machen sollte, hatte ich mal kurz mit dem Gedanken gespielt, da hin zu laufen… Das wäre wohl ein böses Erwachen geworden… Endlich angekommen, freute ich mich besonders darüber, das weit und breit keine Menschenseele zu sehen war, die Morgensonne strahlte über den kleinen Friedhof und die Ruine der kleinen Kapelle, ein schöner, ruhiger Moment. Nach ein paar Fotos ging es zurück, ein letzter Blick auf die drei Whiskybrennereien der Südküste geworfen, freundlich innerlich Adieu gesagt, fuhr ich jetzt durch Port Ellen, an der Mälzerei vorbei auf die Halbinsel The Oa.

Halbinsel Oa ... eher schlicht....
...abgesehen vom American Monument...

Wenn mir die Lage des Kildalton Crosses eben noch vorkam wie das Ende der Welt, so sah ich mich jetzt gezwungen, das zu revidieren… das Ende de Welt ist eindeutig hier… Früher lebten wohl um die tausend Menschen hier, heute sind es ca. 40… Den Gipfel der völlig kahlen Berg- und Tallandschaft bildet das American Monument, ein gar nicht sooo großer Turm, der aber durchaus riesig wirkt, weil er auf dem Gipfel der kahlen Landschaft steht. Er wurde zu Ehren der Amerikaner gebaut, die im ersten Weltkrieg bei Schiffsunglücken um Islay ums Leben gekommen sind.

Kilnave Cross
...griechisches Fischerdorf ? Portnahaven !

Nach dem südlichsten Teil der Insel ging es nun genau andersrum… in den Norden. Der Ardnave Point ist zwar nicht die Nordspitze der Insel, aber schon ziemlich weit nördlich… Man kann ziemlich nahe mit dem Auto ranfahren, bis zur Spitze ist es allerdings ein Fußmarsch von ungefähr einer Stunde, darauf verzichtete ich dann doch. Stattdessen inspizierte ich das nächste Steinkreuz, das Kilnave Cross, ebenfalls neben der Ruine einer Kapelle gelegen, sieht man bei diesem Kreuz aber deutlich, wie der Zahn der Zeit am Stein genagt hat, alles was mal eckig war, ist jetzt rund… Dann meldete sich langsam mein Magen, ich fuhr nach Port Charlotte und genehmigte mir einen Burger. Weiter ging es dann zur Westspitze der Insel, dieser Teil Islays nennt sich übrigens Rhinnes Of Islay und war warscheinlich ganz früher mal eine seperate Insel. Vorbei an den Resten der ehemaligen Port Charlotte Distillery, immer geradeaus geht die Straße nach Portnahaven, auch die zieht sich länger hin, als gedacht, ich mußte schon wieder ans Ende der Welt denken. Portnahaven ist ein sehr malerisches Dorf, mit niedlichen kleinen Häuschen, die einen kleinen Hafen umranden, gekrönt wird die Ortschaft von einem gewaltigen Leuchtturm. Von da aus begab ich mich wieder in den Osten der Insel, nach Bunnahabhain. Als ich am Mittwoch da war hatte es wie blöde geregnet und ich war froh, das ich mit dem Auto mitgenommen wurde, somit war keine Zeit übrig, Fotos zu machen, das wollte ich heute nachholen. Auf dem gesamten Brennereigelände war heute kein Mensch zu sehen, ich konnte in Ruhe knipsen. Rechts neben der Distillery, am Ufer entlang über Felsen und Steinen vorbei liegt das Schiffswrack der Wyre Majestic, die 1974 auf Grund lief. Da die Gewässer sehr kompliziert sind, verzichtete man auf eine Bergung und ließ sie einfach dort liegen. Der Rost von 38 Jahren hat schon gute Arbeit geleistet, man kann aber noch vieles erkennen, schöne Bilder sind das geworden, die Klettertour hat sich gelohnt.

Bunnahabhain Distillery ohne Menschen
Wyre Majestic... im Hintergrund die Paps Of Jura...

Zum Abschluß des heutigen Inselcrossings stand dann noch Finnlaggan an. Whiskyfreunde kennen den Namen von einer Whiskyabfüllung gleichen Namens, welche von irgendeiner Islay Distillery stammt.
Geschichtsliebhabern dagegen fällt dazu als erstes „Lords Of The Isles“ ein (darauf hin könnte man wieder kontern : oh ja, das war ein guter Ardbeg…)… nun kurz, diese Lords waren die Herrscher der Inseln im Mittelalter, und die Gebäuderuinen auf einer Insel im Loch Finlaggan, war ihre Geschäftsstelle. In den letzten Jahren hat man das alles ein wenig präpariert, mit Visitor Center und Ausstellung. Ich war wiederum der einzige weit und breit und genoss auch dort die Ruhe und die gewisse Magie solch historischer Orte. Auf dem Rückweg kam mir Familie Flodder mit kreischenden Kindern, Kegeln und Hunden entgegen… puh, Glück gehabt….
Morgen steht Jura auf dem Plan. Allerdings gibt es für morgen eine Sturmwarnung, so das es möglich ist, das die Fähre nicht übersetzen kann…hoffen wir mal das beste…

Finlaggan... einst Zentrum der Lords Of The Isles... schon bisschen her...
Isle of Jura... Craighouse in der Ferne

ISLE OF JURA & CAOL ILA – Tag 8, langsam neigt sich die Reise ihrem Ende entgegen, heute stand ursprünglich nur Jura auf dem Zettel, ganz spontan hab ich allerdings Caol Ila mit auf die Tagesordnung gesetzt, aber der Reihe nach. Die Sturmwarnung von gestern entpuppte sich als harmlos, es regnete zwar nicht gerade wenig, Wind an und für sich war durchaus auch genügend vorhanden, aber das war alles kein Problem für die Islay – Jura Fähre. Da ich aber auf Nummer sicher gehen wollte, fuhr ich etwas früher los und setzte um halb 10 über. Gerade mal 4 Minuten dauerte die Überfahrt, kostete aber hin und zurück stolze 16 Pfund. Ich war wieder einmal der einzige, ich hatte sozusagen eine Privatfahrt.

Isle Of Jura Distillery
Jura Distillery - Stillhouse

Drüben angekommen ging es Richtung Craighouse, den Hauptort der flächenmäßig gar nicht so kleinen Insel. Auf 366 Quadratkilometer (das ist immerhin doppelt so groß wie die Ostseeinsel Fehmarn), kommen gerade einmal 180 Einwohner. In Craighouse befindet sich auch die Whiskydistillery Jura. Die Tour startete um 11 und war ausnahmslos deutsch besetzt, neben meiner Wenigkeit nahm auch mein Göttinger Bekannter und quasi Ex-Berufskollege Hans und seine von ihm geleitete Whiskyreisegruppe aus Chemnitz teil. Die Tour war so mittelmäßig interessant, mittlerweile kennt man die Abläufe ja schon auswendig, lediglich ein paar Zahlen waren für mich interessant, ich hätte z. B. nicht gedacht, das die ja eher kleine Brennerei über 2 Mio. Liter jährlich herstellt. Zum probieren gab es am Schluß einen aus der Standardrange, den man sich aussuchen konnte, ich nahm den 12jährigen Jura Elixir, den kannte ich noch nicht, traf aber überhaupt nicht meinen Geschmack, irgendwie kam er mir extrem sprittig daher… Nach der Tour gingen wir noch zusammen einen Kaffee trinken und ich machte mich dann auf und fuhr einmal die Insel hoch und runter, verfahren ist fast ausgeschlossen, es gibt nur eine Straße. An den Haltebuchten machte ich häufig kurz Pause und fotografierte, oft aus dem Autofenster, schließlich regnete es.

Landschaft mit den Paps Of Jura

Danach beschloß ich ganz spontan, auf dem Rückweg Caol Ila auch noch aufzusuchen. Eigentlich war die Brennerei erst für Donnerstag auf dem Rückweg vorgesehen, aber ich dachte mir, mit dem ganzen Gepäck und so, ohne Auto, ist es besser heute. Im Nachhinein sehe ich das so, das ich es mit Sicherheit richtig gemacht habe. Die Touren einer großen Diageo Distillery sind für den Liebhaber immer ein kleines Ärgernis. Besonders das strikte Fotografierverbot nervt. Von der Sache her war es trotzdem interessant, es ist ja alles recht modern dort, die Mashtun ist eine der größten, die ich je gesehen habe und der Stillroom mit dem berühmten Blick aufs Wasser und die Paps von Jura haben selbstverständlich was. Auch hier konnte man unter 4 Standards zum Probieren wählen. Ich nahm den mir noch unbekannten 12jährigen Caol Ila Unpeatet Style mit über 64%, und es schüttelte mich zum zweiten male am heutigen Tag, ich musste glatt noch um einen Schluck von der Distillersedition bitten, um den Geschmack wieder loszuwerden… Danach ging es nach Bridgend und es galt Abschied von dem Auto zu nehmen, als Erfahrung nehme ich auf jeden Fall mit, das es völlig easy ist, auf der anderen Seite zu fahren und das nächste mal werde ich wohl komplett mit Auto touren. Mit dem Bus ging es dann zurück nach Bowmore, wo sich dann auch der morgige Tag abspielen wird, Quasi als Heimspiel ist die Craftman’s Tour in der Bowmore Distillery angesagt.

Die Caol Ila Distillery von der Fähre aus...
...vom Näheren wirds auch nicht hübscher...
Bowmore Distillery - Malzboden

Tag 9 : Heimspiel in BOWMORE. Nachdem ich jetzt schon eine Woche hier verweile, wurde es auch langsam Zeit, die Bowmore Distillery zu besichtigen. Vom Bowmore Whisky kann ich ja durchaus sagen, das dieser so eine Art erste Liebe für mich ist und ihn auch heute noch größtenteils sehr gerne mag. Meine erste Flasche Bowmore war ein 15jähriger Mariner, noch mit dem Aufdruck direkt auf der Flasche, es folgten andere Standards, ich finde, auch heute kann man den ordinären Bowmore 12 Jahre noch gut mal trinken. Ich war also sehr gespannt, wie es da wohl so ist…
Für den ersten Scherz des Tages sorgte ich selbst, als mir direkt vor dem Visitor Center die Mütze vom Kopf flog und es auch bestimmt putzig aussah, wie ich ihn wieder eingefangen habe, die Damen im Visitor Center hatten glaub ich Spaß…. Ich wurde bereits erwartet… You must be Lars… Ich war tatsächlich der einzige, der die Craftmans Tour gebucht hat. Meine Führerin hieß Lynda, eine hübsche, junge Frau mit rotem Haar und Sommersprossen. Zuerst parkte sie mich an der Bar mit einem Bowmore 12 und lies mich damit 5 Minuten alleine. Danach gingen wir zu den Malzböden. Mir wurden diverse Arbeitsgeräte vorgeführt, erstmals durfte ich auch einen elektrischen Gerstewender bestaunen.

Das was aussen so aussieht...
...sieht von innen so aus und ist quasi ein getarnter Schornstein...
in dem Gerste zu Malz gedarrt wird.

Die nächsten Stationen war der Kiln, der war gerade dabei, das Malz nach dem Räuchern zu trocknen. Lynda zeigte mir alles, was ich sehen wollte und ich durfte auch fotografieren, so viel ich wollte. Auch wenn ich bereits zum 23. mal eine Whiskydistillery besuchte, so erschlossen sich für mich einige Sachen heute ganz neu. Nach Mashtun, Washbacks und Stillhouse ging es dann in das berühmte #1 Vault Warehouse, in dem wir gemeinsam zwei Fässer öffneten, ein Bourbonfaß von 2000 und ein Firstfill Oloroso Sherryfaß, was 17 Jahre alt war. Direkt aus dem Faß ins Glas ist ja für mich immer wieder ein wenig wie Weihnachten und Geburtstag auf einmal, so auch heute wieder, der erste war sehr schön, aber der aus dem Sherryfaß war eine absolute Granate. Hinter der Scheibe sah ich, wie die Leute der regulären Tour neidisch zu uns schauten, wie wir mitten in den heiligen Hallen einen gepflegten Dram zu uns nahmen. Achja, der Vollständigkeit sollte ich noch das Glas New Spirit erwähnen, was ich aber nur zu Schnüffelzwecken benutzte. Ich hätte mich gerne noch ein paar Stunden dort rumgetrieben und hätte gerne noch ein paar weitere Fässer probiert, aber immer wenn es am schönsten ist, soll man ja aufhören… Wir gingen zurück an die Bar und hier konnte ich jetzt noch probieren, was ich wollte.

Bowmore... im legendären #1 Vault Warehouse

Der Bowmore 25 Jahre war nach den faßstarken Whiskys aus dem Warehouse jetzt viel zu mild, sicher etwas Perlen vor die Säue, wenn man bedenkt das der 200£ kostet…, am besten hat mir die Stillmans Edition gefallen, das ist eine weitere Sherryt_nte in Faßstärke, die es nur hier zu kaufen gibt. Die neue Abfüllung Springtide halte ich für 150£ für völlig daneben und der neue 17jährige konnte mir schon gefallen. Mehr wollte ich dann nicht, man soll ja nicht übertreiben. Nach zweieinhalb Stunden galt es nun Abschied zu nehmen, Lynda machte einen großartigen Job, alle Arbeiter die wir unterwegs trafen waren sehr nett und ein kleiner Plausch war immer drin, landesüblich hauptsächlich über das Wetter. Vor einiger Zeit habe ich häufig negatives über Bowmore bzw. dessen Visitorcenter gelesen, ich kann rein gar nichts negatives sagen, vielleicht haben sie sich ja auch gebessert. Für mich war die Tour neben der bei Laphroaig der Höhepunkt meiner Reise, bis dato zumindest. Bowmore ist jetzt für mich genau wie früher, etwas besonderes.

Wie eine Glucke thront die Kirche über Bowmore...
...sie ist rund, damit sich der Teufel nicht in der Ecke verstecken kann...

Nach den ganzen Leckerlis am Morgen, stärkte ich mich dann mit einem Sandwich aus dem Supermarkt und pausierte erstmal zuhause, ist ja heute schließlich Heimspiel. Das Wetter war heute übrigens eine Zumutung, Regen und Sturm und umgekehrt… Als dann wenigstens der Regen pausierte, schnappte ich mir nochmal die Kamera und nahm die berühmte runde Kirche ins Visier. Tagsüber ist deren Tür unverschlossen und ich konnte, mal wieder mutterseelenalleine in der 1769 gebauten Kirche fotografieren. Es heißt, man hat die Kirche rund gebaut, damit der Teufel keine Ecke zum verstecken hat. Draussen tobte immer noch der Sturm und die Geräusche, die er mit der Kirchentür veranstaltete, klangen von innen als würde jemand die Tür eintreten wollen…spooky… Draußen lagen dann auch einige Mülltonnen kreuz und quer, quasi vom Winde verweht.
So, morgen kommt die letzte Distillery in meiner Raupensammlung : Bruichladdich. …schaun wer mal…

Bruichladdich - Stillhouse...
...mit Ugly Betty....
...selten : eine offene Mashtun...

BRUICHLADDICH: Heute morgen zum Frühstück lernte ich Willi aus Sulingen bei Bremen kennen. Wir fanden schnell heraus, das wir Kollegen sind, auch er ist Gastwirt und hat eine Menge Malts im Angebot. Ebenfalls recht schnell stellten wir fest, daß wir heute den gleichen Termin bei Bruichladdich haben. Wir fuhren zusammen mit dem Postbus hin und machten die Tour, die von Raymond, einem jungen Mann, recht witzig geleitet wurde. Das fotografieren war überall erlaubt, die Tour war gut. Als Besonderheit fiel mir die nach oben hin offene Mashtun auf, auch eine Lomond Still namends Ugly Betty, die zur Herstellung des „The Botanist“ Gin benutzt wird, unterscheidet die bis vor wenigen Wochen unabhängige Brennerei von anderen bereits gesehenen. Als Probierdram gab es lediglich den Laddie Ten und bei allem, was ich immer so über Bruichladdich gehört und gelesen habe, war ich unterm Strich etwas enttäuscht. Man möge mich nicht verkehrt verstehen, ich kann nichts negatives sagen, aber etwas besonderes empfand ich bei diesem Besuch nicht. Wenigstens eine Flasche PC10 zum vernünftigen Kurs konnte ich erstehen, das ist doch auch was. Nach der Tour liefen Willi und ich nach Port Charlotte. 

Das Wetter heute ist das genaue Gegenteil von dem von gestern, statt Regen und Sturm gab es heute Sonne satt, allerschönstes Spätsommerwetter. Wir kamen am Port Charlotte Hotel vorbei, die tatsächlich zwei Tische draußen stehen hatten. Willi meinte, es wäre doch ein tolles Foto, mit einem Guinness in der Sonne zu sitzen…, ich fragte dann, wer uns daran hindern sollte (?)…gesagt getan, ein gepflegtes Bier in der Mittagssonne, wer weiß, wann man dazu das nächste mal kommt. Willi hatte um 14 Uhr noch einen Termin bei Kilchoman und hatte Glück, das ein englischsprachiges Pärchen mit Auto in die Bar kamen und ihn mitnehmen konnte. Ich nutzte dann die Gunst der Stunde und nahm einen Happen Mittag zu mir (feste Nahrung), nahm den nächsten Bus nach Bowmore und setzte mich dann noch eine Stunde am Hafen in die Sonne, hörte Musik (heute besonders zu empfehlen : Grizzly Bear mit dem Album „Shields“, kein easylistening, aber sehr gut…) Später werd ich noch was festes zu mir nehmen und den letzten Abend mit einem Getränk meiner Wahl beschliessen. Morgen um 15.30 legt die Fähre in Port Askaig ab und wird mich langsam wieder Richtung Heimat bringen.

...mit Willi in Port Charlotte... Slainte !
Goodbye Islay... Port Ellen mit Rindviechern

RÜCKREISE: Nun hat ja alles mal ein Ende, auch diese Reise. Der Tag bis zum Nachmittag stand im Zeichen der Rumgammelei, die Fähre ging erst um halb vier. Etwas Zeit brauchte ich für das Packen des Koffers, irgendwie hatte sich mein Gepäck augenscheinlich vermehrt und ich benötigte eigentlich einen Elefanten, um den Koffer zu schließen…
Nachdem ich das irgendwann geschafft hatte, konnte ich nur hoffen, das es mich trügt, das mir das Gewicht des Gepäckstückes deutlich über 20 kg vorkam… Die Rückfahrt war unspektakulär, auch wenn die Strecke rückzu immernoch sehr schön ist, am Ende des Urlaubs sieht man alles nicht mehr so euphorisch wie hinzu. Halb zehn checkte ich in Glasgow ein und machte mich gleich nochmal auf
die Socken ins Bon Accord. Diesmal war deutlich mehr los als letztes mal, ich hatte gerade noch so einen Stehplatz an der Bar ergattern können. Da gestern Arthur Guinness Tag war, fiel mir die Getränkewahl recht leicht, was es bei den zich Biersorten in diesem Pub sonst nicht so ist. Nach einer Weile wurde mir
einfach so ein Dram gereicht (Pulteney 17y). Es kam vom Seniorbesitzer der Bar, Paul McDonagh der zufällig neben mir saß und mit dem ich dann sofort ins Gespräch kam, unter Kollegen quasi. Es hat viel Spaß gemacht, er spendierte sogar noch einen Dram, einen Springbank von der Scotch Whisky Society, sehr leckeres Tröpfchen. Sein Sohn, ebenfalls Teilhaber des Ladens, arbeitete hinter der Bar und nahm an unserer Unterhaltung rege teil. …das war es also wieder mit dem Vorhaben, höchstens 2 bis 3 Bier zu trinken und pünktlich im Hotel zu sein… schließlich ist der Wecker auf Punkt 5 gestellt… Egal, es hat viel
Spaß gemacht und ich denke, ich werde via Email und Facebook mit den beiden in Verbindung bleiben. So, dann eine Mütze Schlaf, zum Flughafen gefahren, den Koffer aufs Band gelegt…. und natürlich nachzahlen müssen… Grummel… Aber was soll man machen… Der Flug war ganz normal, der Weg nachhause auch und nun bin ich wieder hier.
Als Fazit dieser gelungenen Reise stelle ich fest : zwei bis drei Tage weniger hätten gereicht, der Anspruch, jeden Tag nur eine Distillery zu besuchen, ist bei Touren wie der von Ardbeg, Laphroaig und
Bowmore zwingend, nicht aber zu Touren wie Caol Ila oder Bruichladdich, zwei mal eine Stunde Besichtigung mit einem Standarddram ist durchaus drinne. Ich habe 1188 Fotos gemacht, viele nette Locals kennengelernt, mit vielen Whiskyenthusiasten gesprochen, tolle Leute aus aller Welt kennengelernt, auch wenn das alles unterm Strich nicht gerade ein Billigtrip war, es hat sich voll gelohnt und bleibt bis ans Ende meines Lebens in meinem Herzen und wenn ich nicht dement werde, auch in meinem Kopf.
Bedanken möchte ich mich zuerst bei meiner Freundin Nina, die in der Zeit hier die Stellung gehalten hat
und die ganze Arbeit für mich mit machen mußte. Weiterhin möchte ich Rena für ihre Gastfreundlichkeit danken, Danke an alle, die dabei waren, Danke an alle, die meine Ergüsse täglich gelesen haben und sie schon kommentierten. …bis zur nächsten Reise.

Bon Accords McDonagh's und ein kleiner (nur 1,77) Deutscher....

McLarsen in Bremen und bei den Ostfriesen (Juni 2022)

Das Jahr 2022 nähert sich der Mitte… Zeit für den dritten Ausflug… dieses mal wieder in den Norden der Republik. Als mich der Whiskyclub „Regulars“ aus Leer in Ostfriesland fragte, ob ich dort wieder ein Whiskytasting abhalten könnte und ich das bejaht hatte, war klar das ich das noch mit einer Stadterkundung verbinden würde… und was bietet sich dazu besser an als eine Stadt auf dem Wege zum Meer… die alte und ehrwürdige Hansestadt Bremen. Zuletzt war ich hier vor ziemlich genau 30 Jahren mit meiner damaligen Freundin auf dem Weg zurück von ein paar Tagen an der Nordsee… an das meiste kann ich mich schlicht nicht mehr erinnern, so das eine Auffrischung meiner Bremen-Kenntnisse durchaus gefragt ist.

Weitwinkel sei Dank: Liebfrauenkirche, Rathaus, Dom

Jo… Bremen… mit gut einer halben Millionen Einwohnern elftgrößte Stadt Deutschlands… kleinstes Bundesland und an der Weser gelegen… welche 60 km weiter bei Bremerhaven in die Nordsee mündet. Wie alle Hansestädte war Bremen besonders im Mittelalter sehr reich und gesamteuropäisch gesehen auf jeden Fall eine große Nummer. Später wurde Bremen auch ein bedeutender Industriestandort… 1817 wurde in Bremen das erste Dampfschiff auf deutschem Boden gebaut… noch heute sind Firmennamen von teils ehemaligen Industriestandorten bekannt : Bremer Vulkan (Werft), Focke-Wulf (Flugzeuge), Borgwarth (Autos), Beck & Co. (so’ne Plörre… ähmn Bier) oder Kaffee Hag vom hier sehr bekannten Unternehmer und Mäzen Ludwig Roselius. Fussballfans wissen Bescheid wenn es grün ist und nach… ämn ihr wisst schon…
Nachdem es in den vergangenen Tagen auf Deutschlands Bahnstrecken hoch her ging (Stichwort : 9 Euro Ticket) und ich die Rückreise meiner letzten Exkursion auch noch nicht ganz vergessen habe… war ich sehr erfreut, das es heute keinerlei Probleme bei der Anreise gab. Meine Unterkunft heißt Bremer Haus von der Kette Novum Hotel… ist nicht weit von Bahnhof, Altstadt und Szeneviertel entfernt… die nahe Gegend ist zwar weniger schön, aber man kann nicht alles haben… das Zimmer ist auf jeden Fall ok und übers Frühstück kann ich erst morgen berichten.

...muß ja nicht immer Gotik sein... Expressionismus in der Böttcherstraße

Nach dem Einchecken ging es erstmal in die Altstadt. Das Wetter war trocken, aber bewölkt… ein weiteres blaues Album ist also nicht in Sicht. Ich ließ mich zwei Stunden durch die Innenstadt treiben… ohne Besichtigungen (die hebe ich mir für den angekündigten Regen in den nächsten Tagen auf)… vorbei am Marktplatz mit dem prächtigen Rathaus und seiner Renaissancefassade… meiner Meinung nach das markanteste Bauwerk der Weserrenaissance… dem mächtig gewaltigen Dom St. Petri mit seiner Doppelturmfront (welche aber noch nicht sehr alt ist)… die Böttgerstraße… eine Straße im Stil des Backsteinexpressionismus aus den 1920-30er Jahren… auf dem Grundriss mittelalterlicher Gassen… gestiftet vom Kaffeemäzen Roselius.

Enge Gassen im Schnoorviertel
Alternatives Gewächshaus im Schnoor

Weiter ging es durch das niedliche Schnoorviertel… enge Gassen, kleine Geschäfte und Gastronomie… in Lübeck und Lüneburg gibt es ähnliche Viertel… zum Glück im Krieg verschont worden… was man definitiv nicht von der ganzen Stadt behaupten kann. Der Spaziergang ging dann an der Weser weiter, dort gibt es eine Art Biergartenpromenade namens Schlachte… ich kann mir gut vorstellen, wie voll das dort in den letzten Tagen war (Pfingsten und schönes Wetter… achja… und 9 Euro Ticket). Heute war tote Hose, ein Weizenbier gönnte ich mir trotzdem… hatte ja ca. 500 Sitze an der Weser für mich…

An der Weser
Der Bremer Roland... mach Abzug der dicken Wolken

Danach ging es erstmal zurück ins Hotel und einiger Text dieses Berichtes entstand ebenda. Später kam doch tatsächlich noch die Sonne raus und ich konnte noch ein paar „Blaue Fotos“ machen… Ab 20:00 wurde die gastronomische Seite Bremens erforscht… da ist natürlich viel zu entdecken. Für heute und meinen hungrigen Bauch hatte ich als erstes das Brauhaus Schüttinger unweit des Marktplatzes ausgesucht. Mittlerweile hat ja jede mittelgroße Stadt so ein Brauhaus… das ist ja auch in allen Blogs meiner deutschen Entdeckungsreisen nachzulesen… dieses Gasthaus war auch nicht anders… vielleicht mit Baujahr 1990 eines der älteren… ich kann nichts negatives schreiben… das Bier war gut aber nicht bemerkenswert gut… das Essen üppig (Das Schnitzel ragte fast über den Tisch hinaus…), aber auch nichts wo ich jetzt sagen würde… das war ja mal toll… vielleicht bin ich ja verwöhnt. Sehr weit musste ich nicht zur nächsten Lokalität laufen, sie war direkt auf der anderen Straßenseite, hieß Cottons Pub und hatte Guinness. Es ist ein eher kleiner Laden mit Aschenbechern auf den Tischen, 80er Jahre Musik und einer für die Größe der Bar gute Auswahl an Whiskys… nicht weniger… aber auch nicht mehr.

Rathaus und Dom zur blauen Stunde

Es wurde langsam dunkel (sind ja gerade mit die längsten Tage… und dann auch noch im Norden) und ich machte mich auf einige Nachtaufnahmen zu fotografieren. Danach hatte ich eigentlich vor, im Little Marys Pub den Absacker zu nehmen… aber erstmalig mußte ich mir selber den Spruch anhören den viele Offside Nachteulen zu hören bekommen: Sorry… letzte Runde ist durch… Nun gut… Unterhopfung wird mein Problem heute eh nicht mehr… dafür konnte ich noch etwas an dem ersten Bremen Bericht schreiben… den ihr gerade gelesen habt.

Zu später Stunde an der Weser

Tag 2: An der Weser
Nach der ersten Nacht und dem ersten Frühstück kann ich immernoch nix negatives zum Hotel sagen… hatte wohl mal wieder ein glückliches Händchen… die Auswahl war ungleich größer als bei den letzten, kleineren Städten. Die Planung der heutigen Aktivitäten waren geprägt vom Wetterbericht… eigentlich sollte es spätestens ab Mittag regnen… Stand 17:30 Uhr ist es immer noch trocken… Als erstes war der Dom dran… genauer noch der Turm vom Dom… obwohl ich eine Wurst geworden bin was hohe Aufstiege angeht, lasse ich mir solche Gelegenheiten ungern entgehen… erstens gibt es schöne Aussichten, zweitens seltene Einblicke in das Innere alter, ehrwürdiger Bauwerke. 265 Stufen, knapp 60 Meter gab es zu bezwingen… oben angekommen etwas außer Atem (Atemlos im Turm… war das nicht mal von Helene Jäger ?) Der Ausblick war nicht so toll wie z.B. der von St.Petri in Lübeck oder der Marktkirche in Halle… viel Drahtvorhang und Gitter störten die freie Sicht… dennoch lohnenswert für ganze 3€.

...und etwas flussabwärts an Tag 2
Die Aussichtsplattform Südturm des Doms in etwa 60m.
Der Marktplatz mit Roland von oben

Danach besichtigte ich die Kathedrale, welche einige architektonische Seltenheiten bietet. Schön war das wieder jemand Orgel geübt hatte… wiederum bin ich nicht sicher ob alles so sein sollte wie es klang. Die Ausstattung des Doms ist eher bescheiden… die verschiedenen Gewölbearten behalte ich als auffälligstes Merkmal des Bauwerkes in Erinnerung.

Dom St.Petri - Inneres nach Westen
Verschiedene Gewölbearten aus verschiedenen Bauphasen

Nach der Besichtigung der größten Bremer Kirche ging es an den größten Fluß der Stadt. Die Weser an und für sich hat keine eigene Quelle… sie entsteht vom Zusammenfluss der Werra und der Fulda im südniedersächsischen Hann.Münden, sie ist etwa 450 km lang… Bremen ist mit Abstand die größte Stadt welche sie durchfliesst… etwa 60 km nach Bremen mündet sie bei Bremerhaven in die Nordsee… aber das hatte ich ja gestern schon erwähnt. Heute ging es erstmal flussabwarts… es gibt eine wunderbar ausgebaute Weserpromenade… mit Fischgrat-backstein für Fußgänger und Radfahrer. In Höhe von der Kellogs Fabrik hört sie ziemlich plötzlich auf und man befindet sich plötzlich auf einer Großbaustelle a la Potsdamer Platz anno 1996. Das Großprojekt heißt Überseestadt und verwandelt ehemaliges Industriegebiet in urbane Nutzung… und zwar gefühlt an allen Ecken… ich war etwas überrascht… ich starte an einer grünen Fußgängerampel und stehe am anderen Ende vor einer Baugrube… bevor ich eine Lösung für das Problem hatte, kamen von überall Autos… nicht ganz optimale Planung…

Schuppen Eins mit fahrtüchtigen-
- und unfahrtüchtigen Borgward

Apropos Autos… ich bin ja nach wie vor ein großer Freund historischer Automobile, auch wenn ich kein eigenes mehr will… der Schuppen Eins ist eine kostenfreie Ausstellung alter Schätzchen, besonders auch der fast schon vergessenen Epoche „Made In Bremen“… Stichwort Borgward, Lloyd, Goliath oder aber auch die T-Modelle von Mercedes der 123er Reihe (habe ich lange gefahren). Manchmal überlege ich was gewesen wäre, hätte man Borgward damals gerettet… die Automobillandschaft sähe heute anders aus… vor allem nicht so süddeutsch. Im Gebäudekomplex befinden sich auch viele Werkstätten welche sich auf Oldtimer spezialisiert haben… insgesamt super Konzept. Rückzu vermied ich die kuriose Ampelkreuzung… trotzdem war es streckenweise schwierig zu Fuß da wieder rauszukommen… aber geschafft.

Ostertorsteinweg im "Viertel"

Es folgte eine Pullerpause und eine Portion frischer Erdbeeren von einem Marktstand in den Wallanlagen… danach ging es Weseraufwärts… aber erstmal auf der Straße, durch die Stadtteile Ostertor und Steintor, zusammen das Viertel genannt, sowas wie das Kreuzberg oder das Scheunenviertel der Stadt… mit allen Klischees… sehr schön allerdings. Mittagessen gab es um halb 3 in einem Laden namens Suppkultur, den ich mir auch vorher ausgesucht hatte… Blumenkohl-Mandelcremesuppe mit Sahne für 4,20€… was soll da schief gehen… Klasse. Noch ein wenig weiter dann rechts abgebogen stand ich dann vorm Weserstadion, welches direkt an der Weser liegt und wo es wenige Meter daneben sehr beschaulich aussieht. Es folgte der Rückweg an der Weserpromenade, nicht ohne nochmal kurz zwei Bierchen an der Schlachte genommen zu haben… Haacke-Beck ist zwar jetzt nix besonderes… aber in Sichtweite der Brauerei am anderen Flußufer zumindest … bekömmlich…  (eines der dämlichten Geschmacksbeschreibungen… aber wenn einem nix Gescheites einfällt…)

Das Weserstadion...
...und wie es dort mit 180 Grad Drehung vom gleichen Standpunkt aussieht

Nach einer Pause ging es ab 8 wieder in die Gastronomie… heute hatte ich mir zwei Sachen ausgesucht, die ziemlich nahe beieinander sind… nämlich im Schnoorviertel. Der Name „Gaststätte Kleiner Olymp“ lässt griechisch vermuten … der Name kommt aber woanders her… Gastronomie gibt es hier seit 1963… das Haus ist deutlich älter… man vermutet, das die Barockfassade vor ein deutlich älteres Haus gesetzt wurde… Geschichte atmet man in diesem Haus in jedem Winkel… es gibt 3 Etagen… ich war nur im Erdgeschoss und war schon beeindruckt… Es gibt Schnoor Bräu… ein Bier ungenannter Herkunft… dunkel und leicht… sehr gut… das Essen war auch sehr gut… ich hatte Bremer Labskaus… für mich sowas wie Hefeweizen… schmeckt mir einmal im Jahr… dann ist wieder gut… die Bedienungen im kleinen Olymp waren auch außergewöhnlich freundlich… und ich erlebte in Bremen noch nie jemand unfreundliches… Danach ging es ein paar Meter weiter ins Little Marys Pub… wo ich gestern zu spät kam. Erst störte mich das Murphys doch extrem anders als mein Lebenselixier Guinness schmeckt, dann fand ich es doch sehr gut dort… nicht zuletzt wegen Ken’s superber Musikauswahl… jetzt ab ins Bett… 32.333 Schritte… tausend mehr und ich hätt’n Schnaps… achso… etwas genieselt hat es später auch noch…

Im Schnoor ohne Touristen

Tag 3 : Im Grünen und ein wenig Gastro…
Da ich ja gestern so umtriebig war, konnte ich es heute etwas ruhiger angehen lassen. Nach dem Frühstück erledigte ich ein paar Sachen am Laptop und schraubte noch etwas an der Präsentation für das Whiskytasting von morgen. Dann ging es nochmal in die Innenstadt… da schaute ich mir die Wallanlagen an, ein Parkähnlicher Grünzug in der Innenstadt mit Gewässern, Brücken, Windmühle und Blumenmeer aus Studentenblumen… recht überlaufen allerdings. Ganz anders war das dann im Bürgerpark Bremen, nördlich vom Hauptbahnhof. Dort konnte ich bestimmt anderthalb Stunden schlendern ohne vielen Leuten dabei begegnet zu sein. Neben einigen Attraktionen wie Tiergehege, Meierei, Spielplätze und Gastronomie darf sich die Natur dort weitestgehend frei entfalten, also viele Wildwiesen und waldige Abschnitte. Mit etwas Musik auf den Ohren hat mir der Spaziergang viel Spaß gemacht… das war Abschalten pur…

Loriot Platz am Wall ...selten allein...
Naturlandschaft Bremer Bürgerpark I.
Naturlandschaft Bremer Bürgerpark II

Auf dem Rückweg gab es zum Mittag wieder eine Suppe von der Suppkultur, die dort in der Nähe eine Filiale haben. Es folgte eine Pause… bin ja nicht beruflich unterwegs… der Plan war das ich dann ab etwa 18:00 Uhr drei gastronomische Punkte abklappere und danach warscheinlich gesegnet ins Bett falle… Bei Station 1 hat das auch hervorragend geklappt… das Ahlenfelder hätte ich mir nicht besser ausdenken können… Wolf-Dieter Ahlenfelder (1942-2014) war ein Schiedsrichter der vor allem mit seiner Entscheidung nach 32 min zur Halbzeit zu pfeifen (im Spiel Werder Bremen – Hannover 96 am 08.11.1975)… dann nach Protesten noch bis 90 Sekunden vor der Halbzeit hat nachspielen lassen… später gab es dafür seinen legendären Spruch „Wir sind Männer… wir trinken keine Fanta…“ Wer mich aus dem CuttySark Whiskyforum kennt, weiß das dieser Spruch bei mir hinterlegt ist… Das Ahlenfelder führt Biere der Union Brauerei Bremen und kann gut Burger machen… ich hab beides kontrolliert… das Bier (Helles, Keller, Rotbier) war überzeugend, der Chili-Cheese-Burger auch… bleibt nur das beste Kompliment was der Berliner machen kann : „Kannste nich meckern…“ Aus Versehen hatte ich bereits vier Union Biere intus…

Union Bräu Helles im Ahlenfeller
Im Hegartys Pub.. aber was im Gedächtnis bleibtist :
...ein professionelles Kotzbecken...

das nächste Ziel war das Bonanza Pub etwa 15 min entfernt… das hatte dann aber aus irgendwelchen nicht irgendwo vermerkten Gründen nicht auf… entgegen aller Vorzeichen… nun ja… das eigentliche Ziel No. 3 – Das Hagerties Irish Pub an der Szeneviertelmeine war das nächste… immerhin auf… immerhin lecker Guinness aber null Empfang oder Wi-Fi und Personal was anhand der geringen Besucherzahlen betont gelangweilt war… nö… das war dann nach zwei Guinness auch vorbei. Zwei Adressen hatte ich noch gespeichert von denen ich dachte, das könnte was sein : „Die Fliege“… ich bin nicht sicher wo ich es gelesen hatte… aber ich hatte Guinness erwartet… und bestellt… die (warscheinlich noch relativ neue) Bardame sagte mir dann… aber erst kurz vor dem Zapfhahn, das es ja gar kein Guinness mehr gibt… aber im Prinzip heißt das ja jetzt nur anders… Bremer Union… ist auch schwarz und noch teurer (5,90€ a 0,5l)… nun gut… eins reichte… zumal da auch interessant schräge Typen waren… aber egal… die letzte Adresse die noch war hieß Paddys Pit Irisch Pub. Es gab Murphys… und nein… das schmeckt nicht wie Guinness, sondern wie… egal… immerhin war das Personal auf dem Posten und die Musik war ok… aber letztendlich war der Abend für’n Arsch… durch die ganze Stadt gelaufen und nur eine gute Kneipe gewesen… immerhin muß ich mich jetzt nicht fragen, wie wohl die restlichen Pubs aus der Liste waren…

Morgen ist Abreise… aber nicht nachhause, sondern nach Leer… schließlich ist ja im Titel dieses Blogs auch was mit Ostfriesland dabei…

Windmühle in den Wallanlagen zu späterer stunde...
Der Hafen von Leer

Tag 3&4 – Bei den Ostfriesen

In Leer hatte ich den einzigen festen Termin dieser Reise: Ein Whiskytasting bei der privaten, nicht kommerziellen Vereinigung von Whiskyliebhaber:innen aus dem Raum Ostfriesland. Bis dahin… es sollte 19:30 starten, hatte ich nach Ankunft und CheckIn erstmal Zeit, Leer etwas zu erkunden. Leer, ca. 35.000 Einwohner… ist nach Emden und Aurich die drittgrößte Stadt Ostfrieslands. Sie hat einen Binnenhafen und eine schöne Altstadt mit einer unvermeidbaren, großen Fussgängerzone… auf der auch gerade richtig Betrieb war… in den Seitenstraßen war es beschaulicher und mit einer Nudelbox vom Asiaten pflegte ich am Hafenufer zu speisen. Später gab es noch ein paar Guinness im Darrys Pub… 15:00 und schon Bier… aber es sollten auch die letzten für heute sein.

Leer - Altstadt mit Fussgängerzone
Leer - Rathaus
Kirchturm der großen Kirche... statt Kreuz oder Wetterhahn ein Schiff

Um 18:00 holte mich Seb, der Organisator der Regulars ab und wir fuhren zum Veranstaltungsort: dem Versammlungssaal der Freiwilligen Feuerwehr von Leer-Loga. Wir stimmten noch Kleinigkeiten ab und richteten die Technik ein… bald kamen auch die ersten Gäste und es ging los. Das Tasting war auf 25 Plätze limitiert und schnell ausverkauft. Mein Thema waren Whiskys von den schottischen Inseln Arran, Skye, Raasay, Mull, Orkney, Jura und Islay… mit Zusatzzahl Campbeltown in der Nachspielzeit. Nach etwas aufräumen und so ging es dann zu später Stunde (es war schon Samstag) zurück ins Hotel und dort auch sofort in die Horizontale. Es war ein schönes Tasting mit sehr netten Gästen und wirklich sehr engagierten Gastgebern… allen voraus Seb, der wirklich alles für gutes Gelingen dieser Veranstaltungen gibt… quasi ehrenamtlich.

Man mag es mir ansehen... es gibt schlimmere Jobs als Whiskytastings...
...das scheinen die Teilnehmer des Tastings zu teilen...
...wenn du auf der schottischen Landkarte bei Inverness rumfuchtelst und hinter dir Nessi im Nacken hast... der Bauch ist übrigens auch Nessis Schatten 😉

Für den nächsten Morgen war erstmal ein kurzer Gang zum benachbarten Bäcker notwendig denn Frühstück gibt es in dieser Herberge nicht. Danach ging es zum Bahnhof… das Kaiserwetter forderte eine Stippvisite ans Meer regelrecht heraus… Ziel war Norddeich… das Tor zu den ostfriesischen Inseln. Durch meine Facebook Posts welche ich bei meinen Reisen verstärkt absetze, wurde ein alter Freund aus Schulzeiten aufmerksam. Mit Lehmi war ich von 1975 bis 1985 10 Jahre in einer Schulklasse, seit über 20 Jahren lebt er mit seiner Familie jetzt in Ostfriesland und ließ es sich nicht nehmen, mich diesen Nachmittag mit dem Auto durch Ostfriesland zu kutschieren.

...da wo man vormittags sieht, wer nachmittags zu Besuch kommt... Pilsumer Leuchtturm
...seit 47 Jahren befreundet... Lehmi und icke...

Wir hielten beim Pilsumer Leuchtturm, bekannt vor allem durch die Filme mit Otto Waalkes. Weiterhin inspizierten wir den schiefen Kirchturm von Suuhusen… angeblich der schiefste Kirchturm der Welt… man wartet wohl auf den Guinness Rekordbuch Eintrag (meine Guinness Rekorde sind eher anderer Art…) und auch Lehmis Residenzstadt Esens… von der ich bis dahin noch nicht einmal wußte, das es sie gibt, haben wir inspiziert… eine nette kleine 7000 Seelen-Kleinstadt mit Rathaus aus dem 18. Jahrhundert und spätbarocker Fassade. Zwischendurch fuhren wir kreuz und quer durch Ostfriesland, quatschten über alte Zeiten und was wir heute so machen… wie das so ist, wenn man sich viele Jahre nicht mehr gesehen hat. Das war ein Nachmittag den man nicht kaufen kann… einfach nur Klasse… Danke Andreas Lehmann aka Lehmi.

der schiefste Kirchturm der Welt... vom Nahen weniger gut zu erkennen als aus der Ferne : Kirche von Suuhusen
Das Rathaus von Esens... Lehmis Residenzstadt

Der Rest des Tages war dann unspektakulär… ich war noch was essen und hab noch ein paar Guinness im samstagabendlichen Trubel in der Fußgängerzone verdrückt.
Das Hotel 24/7 Selfcheckin… der Name ist Programm, hier habe ich noch nicht eine Menschenseele gesehen, einchecken muß man am Computer hinterm Haus… alles ziemlich neu hier und die Zimmer sind sehr unterschiedlich. Für 65€ pro Einzelzimmer ohne Frühstück… ok aber kein Schnapper. Die Rückfahrt war dann weitestgehend problemlos… mal abgesehen von der Überfüllung bis Hannover inklusive Schulklasse (10-11 Jahre) 🙄… Jetzt macht die McLarsen Reiseabteilung erstmal zwei Monate Pause… dann gehts im August wieder südwärts… vielen Dank fürs Mitlesen.

...ein schnödes Guinness als letztes Bild ?... das kann nicht sein...
Die Nordsee bei Norddeich... schon besser 😉

McLarsen an Rhein, Mosel und Lahn (April 2022)

Meine zweite Reise des Jahres führt mich in eine von mir noch komplett unerschlossene Gegend : Rheinland-Pfalz… mit einem kleinen Abstecher nach Hessen (Whisky Fair Limburg)… eine Ecke Deutschlands in der hauptsächlich Wein serviert wird und alles noch ein wenig deutscher als Deutsch ist… meine Residenzstadt ist Koblenz… eine der ältesten Städte im Land und schön soll es dort auch sein…
Dann ging startete ich heute etwas früher, da ein paar mehr Kilometer als zuletzt zu reisen sind… 8:25 vom Gesundbrunnen ging es los… via Köln… mit komplett überfüllten Zug, fehlenden Wagen, technischen Störungen unterwegs das der Anschlusszug in Köln nicht mehr zu erreichen wäre… der hatte aber auch 30 min Verspätung und alles war wieder gut… schon Abenteuer aber letztendlich angesichts der Probleme auf der Welt… in den Skat zu drücken.

...treffen sich zwei Flüsse... Vater Rhein (rechts) und Mutter Mosel
Das Wort Kaiserwetter wird eher Enkel Wilhelm II. zugeschrieben...egal

Hier angekommen ging es in das bahnhofsnahe Hotel Jan Van Werth… 5 Nächte mit Frühstück für 310€… dazu noch eine strategisch sehr gute Lage… dachte ich mal nicht viel falsch machen zu können… und (Stand abends)… hab ich wohl auch nicht… kein Luxus (was soll ich damit) aber klein, fein und sauber. Danach ging es los zur ersten Erkundungsrunde… aber nach 10 min ging es erstmal zurück ins Hotel… die Kleiderordnung mußte dem Wetter angepasst werden… Jacke aus und Mütze auf… die Sonne brezelte so richtig los… es folgte ein Spaziergang durch die Fußgängerzone (gähn)… zur Mosel, auf die Balduinbrücke… benannt nach einem zumindest für seine Zeit (1285-1354) recht progressiven Erzbischof und Kurfürsten… am Peter Altmann Ufer (hat nix mit dem Ex-Wirtschaftsminister zu tun) zum deutschen Eck. Das Deutsche Eck ist eine Art künstliche Mole am direkten Zusammenfluss der Flüsse Rhein und Mosel… dominiert von einem gigantischen Reitermonument von Kaiser Wilhelm I. Der Name Deutsches Eck kam aber viel früher… als es ein Deutschland im weitesten Sinne noch nicht gab… als der Deutsche (Ritter)Orden dort eine Niederlassung erwarb. Bei so viel Kaiser (Wilhelm) konnte auch das Wetter nicht viel anders als sich dem anzupassen… das wird dieses Jahr das zweite blaue Album werden.

Basilika St. Kastor... atommüllfrei übrigens...
Im Inneren eines sehr alten Bauwerkes

Nach dem Wilhelm seinem Eck ging es an den ältesten Ort der Stadt: die Basilika St. Kastor… prominentes Beispiel der Romanik im Rheingebiet… Ursprünge bis ins 9. Jahrhundert… ganz schön alt… drinnen übte jemand mit der Orgel… ich bin nicht sicher ob alles so sollte… es waren interessante und fast psychedelische Momente dabei… der Reiz bei diesen alten romanischen Sakralbauten ist die relativ bescheidene Größe im Gegenteil zu spätromanischen oder gar gotischen Bauten des späteren Mittelalters. …raus aus der Kirche, rein in den Biergarten… der stand da halt rum und ein Hefeweizen hat den Vorteil das es einmal im Jahr lecker ist und ich kein zweites brauche…rülps… und weiter durch die Stadt und erstmal wieder ins Hotel frischmachen.

...gefühlt war das ein Kubikmeter Essen... und zwar leckeres... Altes Brauhaus

Dann zum Thema Gastronomie… für heute hatte ich mir das „Altes Brauhaus“ ausgesucht… zwar wird dort entgegen meiner ursprünglichen Annahme kein Bier gebraut, dafür aber lokales Bier ausgeschenkt und dazu noch äußerst zünftiges Essen gereicht… puh… der Bauch war voller leckerer Biere und Speisen… durchaus zu empfehlen. Ein Absacker war noch drin… gleich nebenan in einem Pub namens Schiffchen… und da wurde ich seltsam melancholisch… der Laden hatte alles wie das Offside vor etwa 15 Jahren… verqualmt, Dart, gut 100 Whiskys, die Musik rockig und etwas zu laut, etwas zu dunkel… aber sehr herzlich… da muß ich nochmal rein… heute passte nix mehr in den Bauch… und morgen ist ja auch noch ein Tag… da wird Koblenz genauer untersucht, fürs erste sieht es aus als ob wir Freunde werden könnten…

Nostalgischer Absacker im Schiffchen...

McLarsen an Rhein, Mosel und Lahn Tag 2

Nach der ersten Nacht und dem ersten Frühstück gibt es noch immer nichts zu beanstanden was das Hotel angeht… war eine gute Wahl… Etwa 10 Uhr ging die Tagestour los… als erstes ging es Richtung Rheinufer wo das Kurfürstliche Schloss dominiert. Das Schloß wurde im Stil des französischen Frühklassizismus Ende des 18. Jahrhunderts erbaut. Es ist deshalb etwas seltenes, weil nach der französischen Revolution kaum noch größere Adelshäuser gebaut wurden… Im zweiten Weltkrieg wurde das Schloß schwer getroffen und später im Äußeren originalgetreu rekonstruiert. Die Innenräume werden heute überwiegend als Büroräume von Bundesbehörden genutzt. Sehr gelungen sind die Wege hinterm Schloß entlang des Rheins mit alten Denkmälern und einigen etwas albernen Statuen neuerer Zeit.

Das Kurfürstliche Schloß mit Joseph Görres Denkmal
Das Preussische Regierungsgebäude

Das nächste Gebäude was auffällt ist so eine Art historistische Trutzburg… wie man zu Zeiten Kaiser Wilhelms halt gebaut hat… man ließ gerne die deutsche Vergangenheit wieder aufleben… heraus kam in diesem Falle das preußische Regierungsgebäude… erbaut 1902-1905… also in der Zeit von Wilhelm II. Sein Großvater Wilhelm I. lebte übrigens viele Jahre (bevor er König und Kaiser wurde) in Koblenz… er war hier Generalgouverneur der rheinischen Provinz… somit bekommt das Reiterstandbild am deutschen Eck etwas mehr Bedeutung als die meisten der tausenden Wilhelms-Denkmäler die damals in ganz Deutschland errichtet wurden. Nach dem protzigen Regierungsgebäude (was übrigens nicht zerstört wurde) kam dann das nächste Ziel des Tages : die Seilbahn über den Rhein zur gegenüberliegenden Festung Ehrenbreitstein. Leider war die Schlange zu lang für mich (meine Zeit mit Anstehen erledigte ich in meinen ersten 21 Jahren in der DDR… heute brauche ich das nicht mehr 😉 …einfach in einer Stunde nochmal schauen war der Plan.

Liebfrauenkirche von außen...
...und innen...

So ging ich stattdessen noch ein wenig in die Altstadt spazieren und besichtigte z.B. die Liebfrauenkirche, welche im Kern wie die Kastorkirche sehr alt ist. Die heutige Erscheinung ist romanisch (Schiff), gotisch (Chor) und barock (Zwiebeltürme). Die Kirche würde schwer zerstört und wieder aufgebaut, das Interieur jedoch für eine katholische Kirche fast schon schlicht. Gegen 12 machte ich den nächsten Versuch mit der Seilbahn aber statt weniger waren es nun deutlich mehr Interessenten am Ticketschalter… da erinnerte ich mich das man Karten online kaufen kann… also Planänderung… erstmal Mittagessen bei einem Laden namens Salatbar in der Nähe des Bahnhofs… es gab Minestrone und Saft (damit hier nicht der Verdacht aufkommt ich verbrauche bei meinen Entdeckungsreisen Herden von Tieren)… sehr lecker, der Laden hat nur von 11 bis 3 geöffnet und freut sich bei den Einheimischen höchster Beliebtheit. Danach kurz ins Hotel was eh auf dem Weg lag, schnell eine Online Karte gekauft und damit ohne anstellen zur Seilbahn.

Interessantes Mauerwerk auf der Festung
Das Deutsche Eck von oben

Die Überfahrt dauert etwa 5 Minuten… ein Return-Ticket kostet 13,90€, legt man noch 4€ drauf ist der Eintritt für die Festung Ehrenbreitstein mit dabei. Bei schönstem Wetter war das heute eine sehr gute Idee, ich verweilte länger auf dem Gelände der Festung ohne mir aber die zahlreichen Ausstellungen anzusehen. Dann ging es wieder abwärts… ich habe das übrigens auch gefilmt.

Nach noch etwas Schlendern durch die Altstadt und einem Eis von einer Bude wo immer viele Leute anstehen (das hab ich auch damals gelernt… wo Leute anstehen muß es etwas gutes geben)…und das Eis von eGeLosiA ist in der Tat sehr lecker… man kann auch in den Produktionsteil schauen…

Das Tagesprogramm war damit auch erledigt und ein großer Teil dieses Artikels wurde dann im Hotel verfasst. Das Abendprogramm sah ab 20:00 Uhr eine Verabredung im Irish Pub Koblenz vor… vorher mußte noch feste Nahrung her. Die Wahl fiel heute auf eine unkonventionelle Pizzeria mit Craftbeer Ausschank: 3 Hefen. Es gibt dort Bier der Vulkan Brauerei und anderen kleinen Herstellern. Die Pizza „Bella Burn“ mit u.a. saueren Zwiebeln und hausgemachter Chilisauce war eine der besten Pizzen der letzten Jahre… auch wenn ich kurz vorm Abbruch wegen der Schärfe war… das Bier war gut… der Service…ähnm… ausbaufähig… nix gegen die (einzige) Bedienung, aber in der Zeit hätte ich locker drei Bier mehr geschafft (die hatten nur 0,3l Gläser)… und… naja… es war dafür lecker.

Niederländisch/Deutsch/Irisch Pub Verbundenheit... mit Hubertus Winkelmolen und Shay Dywer

Mein Date im Irish Pub war mit Organisatoren einer Informationsplattform für Betreiber von Irish Pubs in Deutschland… im Irish Pub Koblenz ist Mittwochs Karaoke… war egal… ich wurde empfangen wie ein Staatsgast und wir hatten einigen Spaß abseits der wilden Party… ich fühle mich sehr geehrt… das muß dazu reichen… Danke Hubertus und Shay…
…war’n schöner Tach heute… morgen gehts nach auswärts…

Mit dem Bummelzug an der Mosel..

McLarsen an Rhein, Mosel und Lahn Tag 3 – Trier

Für meinen heutigen Ausflug nach Trier war schon der Weg dorthin ein Erlebnis. Etwa 90 Minuten rollte der Regionalzug von Koblenz nach Trier… besonders in der ersten Hälfte stets parallel zur Mosel… verschlafene Dörfer, Burgen und Weinberge so weit das Auge reicht… wenn ich zwischen Koblenz und Cochem täglich pendeln müsste… ich würde es wohl als Privileg verstehen.

Porta Nigra zu Trier

Vom Hauptbahnhof der 110.000 Einwohner zählenden Stadt Trier sind es dann nur wenige hundert Meter bis zur wohl bekanntesten Sehenswürdigkeit der Stadt : das römische Stadttor Porta Nigra. Trier kann sich mit einigen Attributen schmücken was hohes Alter angeht… so ist Trier die wohl ÄLTESTE Stadt Deutschlands… 100%ig wasserdicht ist diese Behauptung wohl nicht, aber durchaus möglich… erwiesen dagegen ist die Tatsache das Trier etwa 16 v.C. von den Römern errichtet wurde. Unter den Römern blühte die Stadt auf und im 4.Jh n.C. war Trier die größte Stadt nördlich der Alpen. Im Laufe der nächsten Jahrhunderte gehörte die Stadt verschiedenen Machthabern… bereits seit dem 3. Jh. n.C. war Trier Bischofssitz … die Stadt wurde häufig zerstört und wieder aufgebaut.

Porta Nigra - andere Seite
Im Inneren der Porta Nigra

Zurück zur Porta Nigra… dieses Tor wurde ab 170 n.C. als eines von vier Stadttoren gebaut aber nie vollendet. Die anderen Tore verschwanden nach und nach, die Porta Nigra verdankt ihr Überleben einem Mönch der in dem Bau wohnte. Als dieser Mönch Simeon 1035 verstarb wurde er vom Papst heilig gesprochen und Porta Nigra zu einer zweistöckigen Kirche umgebaut. Dieser Umstand war es, das der antike Bau quasi in der Kirche konserviert blieb. Unter französischer Herrschaft in der ersten Hälfte des 19.Jh. wurde der Kirchenbau abgetragen und nach und nach das originale antike Bauwerk freigelegt. Man kann dieses besichtigen, Eintritt 4€… wandeln auf 3 Geschossene vor fast 2000 Jahren aus Sandstein und Metallklammern errichtet wurden… wunderbare Ausblicke auf die Stadt inklusive… sehr zu empfehlen.

Dom und Liebfrauenkirche zu Trier
Trierer Dom - Inneres gen Osten

Niemand sollte aber denken das diese Porta Nigra jetzt das absolute Highlight in Sachen Geschichte Architektur und Kunst war… nein… der Dom zu Trier ist die ÄLTESTE Bischoffskirche Deutschlands…(manche gehen so weit zu behaupten es wäre das ÄLTESTE Bauwerk Deutschlands… ohne Garantie allerdings)… etwa 310-320 n.C. wurde es unter dem römischen Kaiser Konstantin gebaut… davon ist heute nicht mehr viel übrig… aber immerhin… überlegt mal wie lange das her ist… seinerzeit war es die größte Kirche Europas… ich lehne mich nicht weit aus dem Fenster und behaupte (im 4.Jh n.C.)… der WELT ! Die Anlage wurde natürlich im Laufe der Jahrtausenden (!) häufig verändert, umgebaut erweitert etc…. wer meinen Blog kennt, weiß das ich für Sakralbauten eine Menge übrig habe (ohne je einer Religion angehört zu haben)… und ich hab auch schon eine Menge gesehen, aber der Trierer Dom hat mich heute schwer beeindruckt… er macht nach außen nicht viel her… viel Stückwerk aus vielen Jahrhunderten… aber was es da alles zu sehen gibt… seien es nur die Toten… der olle Balduin liegt da… in einer Art Zeitkapsel der letzte Rock vom Jesus (vielleicht zumindest), dann ein herrlicher Kreuzgang den man betritt und alles ist so still… (bis dann irgend ein Kind blägt…aber egal) der Dom zu Trier… ein Erlebnis.

Der Kreuzgang zwischen Dom und Liebfrauenkirche
Beeindruckende Gewölbewelten in der Liebfrauenkirche

Dann gibt es direkt daneben bzw. mit Kreuzgang verbunden und überhaupt… quasi angewachsen die Liebfrauenkirche… deutlich jünger und kleiner… ich hatte nicht mehr viel erwartet nach dem Dom… aber diese Liebfrauenkirche ist ja noch der Oberhammer… auf einem Grundriss eines Kreuzes als Art Zentralbau mit sehr hohen Gewölben und bunten Fenstern… von außen eher das hässliche Entlein… von innen äußerst ungewöhnlich…gut gelungen… stilreine Frühgotik.

Konstantinbasilika... für die Baustelle kann ich nix 😉
Im schlichten Inneren des antiken Bauwerks

Man sollte meinen das wars aber jetzt mit altem Kirchenkram (?).. nö… es gibt noch die Konstantinsbasilika. Dieser Bau ist zumindest das ÄLTESTE Gebäude in Deutschland, was als Kirche genutzt wird. Erbaut wurde sie im 4.Jh n.C. als römische Audienzhalle, erst seit 1856 dient das Gebäude als protestantische Kirche. Eine Basilika ist es auch nicht, eher ein Saalbau… da hatte sich wohl mal jemand vertan…

Das Kurfürstliche Palais mit der Konstantinbasilika und Schlosspark
...nur so über'n Zaun fotografiert... die Kaiserthermen
Marktplatz in Trier... ein Hauch von Italien...

Direkt an diesem sehr alten Bau ist das Kurfürstliche Palais für die feinen Wasserpredigenten Bischöfe zu bewundern… ein Rokoko Schloss wie es auch hätte in Potsdam stehen können… Park inklusive… geht man diesen bis zum Ende kommt man zu den Kaiserthermen… wiederum Zeugnisse römischer Herkunft… da bin ich heute aber nicht rein… vielleicht nächstes mal… stattdessen ging es zurück in die Altstadt… erstmal Mittagessen… draußen… war lecker und ich hatte ein italienisches Feeling… Trier hat durchaus etwas südländisches… Danach schlenderte ich noch hier und da etwas rum… aber das sollte es auch gewesen sein… etwas früher als geplant fuhr ich dann nach Koblenz zurück… die gleiche schöne Strecke… die aber eigentlich nur zwischen Koblenz und Cochem so richtig Weltklasse ist.

Später gab es dann noch Bier im Pipers Corner… meine Blutgruppe ist ja eigentlich G (wie Guinness)… aber Murphys ist immerhin nicht untrinkbar und hatte mir heute auch nix geschadet… der Laden war gut besucht und auch hier dachte ich an das Offside etwa 15 Jahre früher… da wurde auch geraucht, Whisky war viel da (aber noch im Rahmen) und keine irische Dudelmusik… müsste ich jetzt hier leben, das Piper wäre eine Option für was Längerfristiges… Morgen geht es an die Lahn…

...fast ein Guinness... aber immerhin...

McLarsen an Rhein, Mosel und Lahn Tag 4 : An der Lahn

Der heutige Tag hat mich selbst zum Nachdenken angeregt ob ich zu mir selber eventuell etwas zu arrogant bin oder nur naiv… Ich hatte mir im Vorfeld folgendes Programm ausgesucht: 10 Uhr Start vom Koblenzer Hauptbahnhof, Burg Lahneck, Rhein-Lahn-Mündung, (dafür insgesamt 2 Stunden), Burg Nassau (eine Stunde), Kloster Arnstein & Goethepunkt Obernhof, Schloss und Stadt Diez… dann langsam zurück… Im Nachhinein muß ich drüber lachen… denn das schafft kein Mensch… aber gut, Station 1 : Burg Lahneck.

Burg Lahneck - Rokokozimmer mit altem Fritz an der Wand
Die Burg Lahneck in Lahnstein an der... genau... Lahn
In der Küche... wenns schnell gehen mußte wurde der Topf einen Zacken zugelegt...
Burgkapelle mit Marmorboden aus der Gegend

Von der Station Niederlahnstein ist es ein Fußmarsch von etwa 30 Minuten wobei die letzten paar hundert Meter steil aufwärts gehen (bekanntlich nicht mein Steckenpferd) Vor mir lief eine Familie mit Oma die auch nicht so schnell war… ich brauchte nicht zu überholen… war aber pünktlich 11 Uhr zur Führung oben. Die Burg Lahneck, strategisch günstig an Rhein und Lahn gelegen, wurde im 13. Jahrhundert errichtet. Im 30jährigen Krieg wurde sie beschädigt, aufgegeben und lange Zeit dem Verfall preisgegeben. Eine schottische junge Künstlerin soll 1851 auf dem Turm verdurstet sein da die morsche Treppe nach dem Aufstieg hinter ihr zusammengebrochen war. In der zweiten Hälfte des 19.Jh. wurde die Burg wieder flott gemacht und ist bis heute im Privatbesitz… zeitweise sogar bewohnt. Besichtigungen sind nur mit Führung möglich… diese war sehr gut und vor allem interessant.

Das Pendant zur Burg : Schloß Martinsburg am Rhein
Zusammenfluss von Rhein (oben) und Lahn... im Hintergrund Burg Stolzenfels

Danach wählte ich einen anderen Weg zurück nach Lahnstein in der Annahme noch ein paar gescheite Fotomotive zu erhaschen… dem war nicht wirklich so… erst als ich ganz unten am Rhein angekommen war wurde es wieder interessant. Da war das Schloss Martinsburg… damals vom gleichen Bauherren wie die Burg Lahneck als Zollburg am Rhein gebaut. Auf der anderen Rheinseite thront die Burg Stolzenfels… immer wieder ein schönes Motiv. Nach einem kleinen Picknick ging es dann zur Lahnmündung… verglichen mit der von der Mosel am deutschen Eck wirkt dieser Zusammenfluss zweier bedeutender Flüsse eher bescheiden. Plötzlich fiel mir auf das der Zug gleich kommt… einen Aufenthalt von einer Stunde bis zum nächsten war nicht zu akzeptieren, so das ich im Laufschritt (!) zum Bahnhof zurück bin… hat geklappt… aber nur weil der Zug Verspätung hatte, außerdem war ich auf dem falschen Gleis… was einen weiteren Sprint bedeutete… zum Glück ist Maskenpflicht im Zug, so das man nicht so gesehen hat wie ich hyperventiliert habe… Es war nun schon eh später als geplant und so wurde die nächste Station, Burg Nassau gleich mal gestrichen. Stattdessen stieg ich eine Station weiter in Obernhof aus.

Kloster Arnstein auf dem nächsten Berg
Romanik und Gotik vereint - Klosterkirche Arnstein

Dort war die Klosterkirche Arnstein das Ziel. Diese steht genau wie eine Burg auf einem Berggipfel und sieht vom weiten ziemlich imposant aus…bisschen wie der Limburger Dom in klein … gerade erst wieder bei normaler Atmung ging es zum nächsten Anstieg. Die Kirche, die mittlerweile ein griechisch orthodoxes Kloster ist war geöffnet, der Laden mit Kaffee, Kuchen und Erfrischungsgetränken leider nicht, da heute orthodoxer Karfreitag war… wieder bergab sah ich auf der Landkarte einen Goethepunkt… angeblich soll der junge Goethe mal da gewesen sein… es ist ein Aussichtspunkt… ziemlich weit oben. Wegweiser und digitale Karten widersprachen sich aber teilweise, so das ich unnötig weit und hoch war (lechts…), der richtige Punkt aber noch weit weg und nochmal 100m höher… ich hatte einen anderen schönen Aussichtspunkt mit einer kleinen Bank, taufte ihn Schillerpunkt und beließ es dabei. Wieder zurück im Tal hatte ich noch einige Zeit bis zum Zug und erreichte den rettenden Campingplatz… der hatte nämlich Bier… und ihr glaubt ja nicht wie das gezischt hat… 17.00 Uhr war ich dann zurück in Koblenz und frage mich wann ich die beiden anderen Stationen eigentlich hätte machen sollen… mal sehen ob ich morgen Muskelkater habe…

Aussicht vom selbsternannten Schillerpunkt
Der Wilhelm bei Nacht... der Regenbogen... keine Ahnung...

Abends gab es heute nichts neues zu erkunden… nachdem ich mich bei meinem alpinen Tagesprogramm ausschließlich von Mini-Wienern und Krautsalat von Aldi (Süd!) sowie Koblenzer Rohrperle aus meiner Trinkflasche ernährt hatte… musste nun etwas amtliches her… das amtliche Essen hatte mir am Dienstag im Brauhaus am besten gefallen, so kehrte ich heute da nochmal ein. Als ich den Laden betrat sah ich das es dermaßen knüppeldicke voll war das ich mir unsicher war ob das was wird… aber die Chefin persönlich organisierte mir einen (Not)platz nahe der Toiletten… als Einzelgast kann ich gut mit sowas leben… hab auch ein wenig drauf spekuliert das mir die Leute ein paar Münzen auf den Teller legen… Das Essen (Sauerbraten ist definitiv einer meiner Leibgerichte) war riesig und vollumfänglich gut, das Bier auch… das Partyvolk im Laden … hätte es bei uns garantiert nicht ansatzweise gegeben… wir wissen nur zu gut, warum wir Junggesellenabschiede und ähnlichen Quatsch nicht akzeptieren… bemerkenswert fand ich das niemand eingeschritten ist, egal wie laut und ordinär die waren… aber egal… ich hatte meinen Hunger deutlich überwunden und trinken wollte ich eh woanders… Erst mal mussten jedoch ein paar Nachtaufnahmen her… dazu kam ich bislang noch nicht… also nochmal ans Deutsche Eck und St.Kastor… naja… geht so… Dann musste ja noch der Eisenhaushalt aufgebessert werden und dafür ging’s ins Irish Pub… ich wollte ja da auch noch mal etwas selber bestellen was mir neulich nicht gelungen war 😉 …erkannt wurde ich trotzdem, trinken und auch bezahlen zum Glück auch… auch dort war Freitagsparty mit Partyvolk… das ist nicht schlimm… eher normal, aber nicht umsonst lege ich meine Städtereisen von Dienstag bis Freitag… Wochenende lieber im eigenen Pub… Spaß gemacht hat das im Irish Pub Koblenz trotzdem… die machen gute Arbeit… sind allerdings eher mit den großen Irish Pubs (Europacenter, Hackischer Markt etc.) von Berlin zu vergleichen…quasi Offside x 5 oder so. Jo… dann neigt sich die Ära Koblenz langsam dem Ende entgegen… aber morgen gehts erstmal nach Limburg…

...fast wie zuhause...

McLarsen an Rhein, Mosel und Lahn Tag 5 : Whiskyfair Limburg

Das letzte Kapitel der Reise ist schnell geschrieben… kurz nach 10 ging es mit dem gleichen Bummelzug wie gestern nach Limburg. Die Whisky Fair ist die bedeutendste Messe in Sachen Whisky in Deutschland seit vielen Jahren…2002 fand sie zum ersten mal statt, damals noch im wesentlich kleineren Rahmen in einem Ort nicht weit von Limburg. Parallel zur wachsenden Maltwhisky Begeisterung expandierte die Messe schnell und fand später in der gar nicht so kleinen Stadthalle in der Domstadt Limburg statt. Der Fokus liegt bei unabhängigen Abfüllern und Whiskygeschäften… die großen Industriefirmen wie Diageo oder Pernod-Ricard sind selbst nicht vertreten, ihre Produkte aber bei zahlreichen Händlern durchaus. Als ich vor fast 10 Jahren zum ersten mal in Limburg war, war ich schnell begeistert und seitdem ist diese Veranstaltung für mich Pflichtprogramm aus mehreren Gründen…natürlich hauptsächlich der persönliche Kontakt zu Kollegen und Herstellern, die einzigartige Atmosphäre in dieser knuffigen alten Stadt und… vielleicht das wichtigste… das Miteinander mit Gleichgesinnten zum Thema Whisky… vor Corona war ich zumeist zweimal im Jahr in Limburg weil hier auch traditionsgemäß das (Whisky)forumstreffen vom Cuts Sark Forum stattfand oder vielleicht auch wieder findet…meistens hat man sich im kleinen Kreis vorher getroffen und … wie auch immer… aber den Großteil der besten Whiskys die ich je im Glas hatte, erlebte in in Limburg. Nach zwei Jahren Pause war es heute wieder soweit… die Stimmung war gut, allgemein herrschte die Meinung das vor Corona mehr Lametta war… aber alle waren happy sich mal wieder zu sehen und sich mal wieder auszutauschen. Ich möchte mich an der Stelle sehr herzlich bedanken für die vielen leckeren Tropfen die in meinem Glas gelandet sind… sei es von den Ausstellern als auch von den Whiskyfreunden… (ich sage nur Port Ellen Sherryfass… Wuko und Bettina… oder Redreast 30y… Seb… Bunna Moinhe… Kerstin & Frank… es hat mir sehr viel Spaß gemacht. Der Rest vom Tag war unspektakulär… ich war noch was essen, hab noch ein paar Murphys im Piper gezogen und erwarte morgen das blaue Wunder namens Deutsche Bahn… meine Fahrkarte mußte wegen einer Fahrplanänderung umgebucht werden… der Sitzplatz ist damit weg… und wenn die Bahn schon selber ankündigt „Außergewöhnlich hohe Auslastung“… dann habe ich eine Vorahnung was mich morgen erwartet… schauen wir mal… ich werde das als Nachtrag mit einem kurzen Fazit in dem Blog ergänzen… das kann aber ein paar Tage dauern… bis dahin Danke fürs mitlesen… war ja auch begeistert das mich gefühlt jeder zweite auf der Messe darauf angesprochen hat 😉

Nachtrag

Nun war ich ja schon auf das Schlimmste vorbereitet… und es war schlimm… die Rückfahrt. Es begann mit einer halbstündigen Verspätung des ersten Zuges… Umsteigezeit war 13 min… ich bin dann gleich in drei Regionalzügen und einem IC weitergefahren, die waren zwar auch voller als sonst aber ich konnte immer sitzen… und wenn es an einem der drei WCs war, die verstopft waren. Im IC von Minden nach Gesundbrunnen bekam ich auch anstandslos einen Sitzplatz und freute mich wie Bolle… dann kam die Durchsage das es eine Weichenstörung gibt… dann waren es nochmal 55 Minuten Stillstand auf dem Bahnhof Bückeburg… immerhin mit Sitzplatz… neben uns hielt ein ICE nach Hamburg, der war derartig überfüllt… da hätte ich nicht sein wollen. Auch das ging vorbei und 20:30 war ich dann zuhause… macht 9,5 Stunden für den Rückweg.
Aber davon mal ab, es war ein wunderbarer Kurztrip. Es ist eine wunderbare Gegend mitten in Deutschland… Koblenz ist eine coole Stadt und ich hätte auch dort noch einige Läden abarbeiten (ob das das richtige Wort ist 😉 ) Im Juni geht es wieder auf Achse, diesmal wieder eher im Nordteil der Republik… bis dahin vielen Dank für den enormen Zuspruch über meine Notizen…

...bis zum nächsten Ausflug...

McLarsen in Lüneburg & Celle (März 2022)

Meine letzte Reise nach Halle (+Naumburg & Merseburg) ist mittlerweile fast ein halbes Jahr her… sie stand noch unter dem Zeichen der Corona-Pandemie… diese ist noch lange nicht vorbei aber die Schlagzeilen bestimmen die Sache mit dem Weltfrieden bzw. nach vielen Jahrzehnten… des Friedens in Europa… der Blog wird auch später zu lesen sein… eine Woche vor meinem Reiseantritt nach Lüneburg hat Putin die Ukraine überfallen… die Welt ist nicht mehr die gleiche wie damals bei meinem letzten Reisebericht… Corona…(?) …ist nach wie vor gefährlich und ich hatte auch das Vergnügen das selbst zu erfahren… schon auf dem Weg zu dieser Reise wurde mir klar, daß die Welt sich verändert hat… am Bahnhof Gesundbrunnen und besonders am Hauptbahnhof wurde fast ausschließlich ukrainisch gesprochen… die Stadt ist voller Flüchtlinge deren Zukunft im Ungewissen liegt… da kommt man sich selbst schon etwas affig vor wenn man Probleme hat wie : Ist der Zug pünktlich ?… ist mein Platz frei ?… nun gut, die Anreise war komplett planmäßig und 13:30 war ich in Lüneburg.

Ein zentraler Platz der Altstadt : Am Sande
Typische Lüneburger Gassenszene

Lüneburg… was weiß man darüber… Hansestadt in der Nähe von Hamburg, bekannt auch durch die Lüneburger Heide. Die Stadt wurde zur Hansezeit reich da es unter der Stadt einen Salzstock gab und dieses Salz brauchte man z.B. in Lübeck um den gefangenen Fisch zu konservieren. Die heute etwa 75.000 Einwohner Stadt hat eine gut erhaltene Altstadt welche von den Zerstörungen des zweiten Weltkriegs größtenteils verschont blieb.
Meine Unterkunft ist ein recht neues Hotel der Kette B&B unweit des Bahnhofes. Die Zimmer sind modern und funktionell… alles was man braucht. Nach dem Check-In ging es dann gut zwei Stunden zur Erkundung in die Altstadt, heute ohne irgendwelche Stationen mit Besichtigung. Die Altstadt ist in der Tat sehr reizvoll, viele gotische Häusergiebeln… häufig etwas windschief, sehr rustikales Kopfsteinpflaster, Marktplatz, Rathaus, Gassen, kleine Läden mit regionalem Gedöns neben den üblichen Verdächtigen (Karstadt, C&A und Co.) der republikweiten Fußgängerzonenlandschaften.

Blick vom Kalkberg v.l.n.r: Nikolaikirche, Michaeliskirche, Johanniskirche, Wasserturm
Der historische Lastenkran an der Ilmenau

Ein schöner Punkt war die Besteigung des Kalkberges, der eigentlich Gipsberg heißen müsste da jenes dort jahrhundertelang abgebaut wurde. Auf dem Rest des Berges hat man eine sehr schöne Aussicht auf die Stadt. Nach diesen zwei Stunden hatte ich den Großteil der Altstadt einmal durchlaufen… viel größer ist die Stadt nicht, von allen bis jetzt erkundeten Städten ist Lüneburg die kleinste. Am Ufer der Ilmenau steht ein alter Lastenkran aus der Zeit des Mittelalters, drum herum gibt es jede Menge Gastronomie… angeblich hat Lüneburg nach Madrid die höchste Kneipendichte Europas. Das Wetter ist diesmal auch fast schon sensationell… mußte ich bei meinen letzten Erkundungen immer erst nach der Wetter App planen um Fotos ohne Regen zu bekommen, so muß ich diesmal lediglich planen wann die Sonne gerade günstig steht… die Sammlung könnte ich blaues Album nennen.

Work in Progress... Bierbrauen im Mälzer
Ein grünes Bild im blauen Album... nicht im Bild : ein Topflappen fürs Bier

Nach einer Pause ging es dann etwa 18:00 Uhr los diese o.g. Kneipendichte zu testen… für heute hatte ich mir das Brauhaus Mälzer ausgesucht einer kleinen Hausbrauerei mit großen Kapazitäten für den Ausschank der eigenen Biere. Das schöne an solchen Brauhäusern (wie ich sie ja auch schon in Bamberg, Lübeck und Halle kennenlernen durfte) ist ja nicht nur leckeres Bier sondern auch zünftiges, bodenständiges Essen. Heute gab es Biergulasch mit Bratkartoffeln und Bohnen. Dazu wurde naturtrübes Pils (ähnlich unserem Eschenbräu), Märzen und IPA gereicht. Danach wollte ich noch etwas Champions League mit dem FC Liverpool schauen und suchte dazu ein Irish Pub namens Tir na nOg auf und hatte den besten Platz zum Fussball gucken ever… bis dann das Guinness kam… denn das war pisswarm. Der Barkeeper gab mir nach meiner Beschwerde zwar noch ein anderes, aber das war leider nicht besser… und warmes Bier… sorry, aber das geht bei mir garnicht… auch kein Guinness. Ich wußte von einem weiteren Pub und beschloss es dort zu versuchen.

Kalt aber teuer: Guinness im Dubliner

Beim Dubliner Irish Pub angekommen, sah ich als erstes das es kein Fußball gab, man erlaubte mir nicht an der Bar zu sitzen (ich war mittlerweile der einzige Gast), das Guinness was ich dann an einem großen Tisch in einer leeren Kneipe bekam war dann aber wenigstens kalt. Ich durfte auch gleich zahlen : 6,20€ für einen Pint Guinness… neulich mussten wir ja im Offside mal wieder die Bierpreise anpassen… auf 5,10€ und in diesem Laden 6,20€ ? …nein, da reicht eins. Damit war das Thema Irish Pubs zu Lüneburg abgeschlossen und es ging zurück ins Hotel… der Tag war dann auch vorbei.

Tag 2 in Lüneburg. Nach dem Frühstück und noch immer bei allerbestem Wetter hatte ich mir für heute einen weiteren Aussichtspunkt ausgewählt, bei dem die Sonne von Osten günstiger ist als es gestern Nachmittag gewesen wäre (ich denke ich werde mich bei zukünftigen Erkundungen mit schlechterer Wetterlage an diese Luxusüberlegungen zurückerinnern…) Der Wasserturm… fast vis-a-vis zu meinem Hotelzimmerfenster. Der Lüneburger Wasserturm wurde im neugotischem Stil erbaut und war mit der seinerzeit sehr modernen Technik von 1907 bis 1985 in Betrieb.Nach einigen Jahren des Verfalls wurde der Turm mit Spenden von einem Trägerverein saniert und dient heute als Aussichtspunkt, Galerie und Eventlocation. Der Spaß kostet 5€, man kann mit Fahrstuhl oder Treppe nach oben kommen und die Stadt liegt einem zu Füßen… ähnlich wie gestern vom Kalkberg, nur von der anderen Seite. Da ich mich naturgemäß treppauf etwas schwer tue, wählte ich hochzu den Aufzug und runter die Treppe um auch die interessant gestalteten Ausstellungsräumlichkeiten zu besichtigen. Fazit : tolle Arbeit, gutes Konzept… Respekt !

Der Wasserturm zu Lüneburg
St. Johannis aus halber Höhe vom Wasserturm
St.Johannis - Mittelschiff gen Westen

Nach dem Turmabstieg ging es nochmal durch die Altstadt… einfach eintauchen ohne bestimmtes Ziel und auch mal 10 Minuten auf einer Bank sitzen und nur die Szenerie genießen. Es folgte die Besichtigung der Johanniskirche, dem größten Sakralbau der Stadt. Es ist eine 5schiffige Hallenkirche bei der die Seitenschiffe ein eigenes Satteldach besitzen… nicht ganz handelsüblich… Der Turm ist knapp 110 Meter hoch und reichlich schief und verdreht… angeblich hatte sich der Baumeister nach Bemerkung des Fehlers vom Turm gestürzt, landete aber in einem Heuwagen und überlebte… freute sich dermaßen darüber das er sich dann so einen auf die Lampe gegossen haben soll und sich in dessen Folge das Genick gebrochen haben soll… nun ja… wer weiß was davon stimmt.

Marktplatz mit Markttreiben und Rathaus
Rathaus- Details

Um 14 Uhr hatte ich mir bereits im Vorfeld ein Ticket zur Rathausführung besorgt. Das Rathaus Lüneburg liegt in der Bewertung die Schönheit und künstlerischer Bedeutung in einer Rangliste deutscher Rathäuser sicherlich in der Top 5 (ich weiß aber garnicht ob es solche Listen gibt…) Die Führung war sehr gut, allerdings war fotografieren nicht erlaubt… was in diesem Falle echt schade ist, ich habe noch nie so viel Reichtum in einem Rathaus einer früher schon sehr reichen Stadt gesehen. Das Rathaus ist ein Gebäude mit vielfachen Erweiterungen… stets im Stil der Zeiten, von Gotik über Renaissance bis Barock. Die Führung dauerte eine Stunde und kostete lediglich 5€. Das Rathaus ist auch noch vollumfänglich in seiner Funktion. Anschließend gab es noch ein Brötchen auf die Hand und etwas Zeit im Hotel… schliesslich muss der Text hier ja auch geschrieben werden.

...lecker Speis und Trank im Brauhaus Nolte...

Für die Abteilung Gastronomie ging es dann in eine Gegend außerhalb der Altstadt, zum Braugasthof Nolte im Osten der Stadt. Der Hinweg kam mir vor wie die einzige Straße Norddeutschlands, die nur bergauf geht… nicht steil aber stetig. Endlich angekommen wurde ich aber nicht enttäuscht. Nolte ist eine Brauerei mit Ausschank und gutem Essen genau wie gestern das Mälzer… allerdings mit dem Unterschied das dieser Laden seit über 100 Jahren von einer Familie geführt wird, die sich auch ihren Stil erhalten hat… da waren keine Hipster sondern alles Leute aus der Gegend, häufig ältere Semester wie Siggi und seine Kumpels die über Dinge von Anfang der 70er Jahre plauschten und nebenbei Witze über Urologen machten… herrlich… das Essen war ebenfalls großartig, ein Jägerschnitzel wurde es heute… dazu wurden gereicht je zwei Helle, Märzen und Dunkle… meiner Meinung nach alle besser als gestern im hippem Mälzer. Rückzu ging’s bergab und nach nicht mal 20 Minuten war ich im Hotel… hab dann auch mal recherchiert wieviele hunderte Kilometer das waren… ähmn… nicht mal 2 km… Ich muß weiter trainieren… das werde ich auch morgen, aber nicht in Lüneburg sondern in Celle…

Das Celler Schloß von Süden

Tag 3 : Celle

Wie ich bereits erwähnte ist Lüneburg für drei Tage (und ich meine dann ja auch immer drei GANZE Tage) etwas zu klein… also überlegte ich mir im Vorfeld noch einen Tagesausflug in eine Stadt meines Interesses die in der Nähe und gut zu erreichen ist… and the winner was : CELLE ! Bemüht man die Einwohnerzahlen, so ist Celle mit 70.000 Einwohnern nur 5000 kleiner als Lüneburg… aber mit Gemeindereformen und weiß ich was ist die eigentliche Stadt… oder das was der Tourist McLarsen darunter versteht: die Altstadt… doch deutlich kleiner als die knapp 80 km entfernte Hansestadt Lüneburg. Lange Zeit verband die Städte im späten Mittelalter die Herrschaft der Welfen… als 1371 die Lüneburger Bürger jedoch die nervigen Adligen zum Teufel schickten, siedelten sich Teile der Herrschaftlichkeiten neben Hannover auch in Celle an. Mit etwas Steuervergünstigungen und anderem Rumgemauschel wurde die Stadt ein paar km nach Norden an die Aller verlegt und relativ gleichzeitig erbaut… nach Plänen… im Mittelalter. Da Celle das Glück hatte im Krieg nicht zerstört wurden zu sein, ergibt sich heute eine der besterhaltenen, umfangreichsten Fachwerkstädte Europas… etwa 500 Fachwerkhäuser sind erhalten, die Fläche ist nicht üppig, aber intensiv. Dieses quasi Freilichtmuseum und das Schloß war mein Reiseziel.

Stadtkirche und Altes Rathaus
Schloß vom Kirchturm aus
Die Dächer der Altstadt... im Hintergrund die Aller

Je nach Zugverbindung fährt man zwischen 40 und 70 Minuten via Uelzen mit dem Zug nach Celle. Vom Bahnhof ist es ein kleiner Fussmarsch bis ins Zentrum, aber nicht so weit wie gestern zum Braugasthof Nölte… Als erstes kommt man an Schloss und Schlosspark vorbei, unmittelbar dahinter öffnet sich das Meer der Fachwerkhäuser.
Mit knapp 14 Jahren hatte ich meinerseits die Prüfung für die Fähigkeit einer Schlossführung im Schloss Sanssouci abgelegt und diese auch viele Jahre meiner Jugend genossen… ganz sicher nicht nur zum Geld verdienen (als das Thema kam, erlernte ich einen Beruf…) Ich wollte heute auf jeden Fall auch eine Führung um etwas mehr Input zu bekommen als nur das Schloss zu besichtigen (was auch so für 1€ weniger möglich gewesen wäre). Neben mir interessierten sich nur 3 weitere Leute dafür, so wurde es eine kleine Gruppe. Die Schlossführerin hieß Cosima Bellersen Quirini, sie ist auch Autorin mehrerer Bücher und gestaltete ihre Führung sehr interessant und mit viel Leidenschaft besonders für die Sachen der Geschichte für die sie sich wohl am meisten interessiert: die Menschen hinter den gestellten Ölschinken, die an jeder Wand hängen… Es war sehr interessant zu erfahren wie bedeutend das Adelsgeschlecht der Welfen einmal war und wer letztlich alles davon abstammt… nun ja… bei der Inzucht damals jetzt auch kein großes Wunder… Ein absolutes Highlight war die Schlosskapelle die den Eindruck vermittelt das die Zeit darin seit dem 16. Jahrhundert stehen geblieben ist. Leider kann man nicht richtig rein sondern durch eine Glaswand schauen. Das Interieur stammt bereits aus den Zeiten nach der Reformation und in ihrer Üppigkeit ist eine Ausstattung in diesem Maße bei einer evangelischen Kirche sicher beispiellos.

Das Innere der Schlosskapelle
In der Stadtkirche St.Marien

Noch vor der Schlossführung nutzte ich die Möglichkeit auf den Turm der Stadtkirche zu steigen. Der Turm der im Kern mittelalterlichen, aber komplett barock umgestalteten Kirche ist gerade etwas über 100 Jahre alt, fügt sich in seiner neobarock gestalteten Form aber prima ins Stadtbild ein. Der Turm ist 74 Meter hoch und als ich die letzten Stufen zu der unteren Laterne erklimmte, musste ich aufpassen das ich nicht auf meine raushängende Zunge trete… Der Ausblick war natürlich großartig… besonders bei diesem immer noch sehr schonen Wetter. Die Kirche selbst wurde natürlich auch besichtigt, hier gibt es ebenfalls prächtigen Barock zu bewundern. Die Fachwerk Altstadt war ja das Hauptziel, ich ließ mich in ihr treiben und machte viele Bilder auch von netten Details. Kurz nach 17 Uhr ging dann der Zug zurück nach Lüneburg. Es war ein toller Tagesausflug in eine kleine, sehr charmante Altstadt mitten in Deutschland.

Fachwerkstadt Celle

Gastronomisch hatte ich mich für den letzten Abend noch nicht festgelegt. Ich entschied mich zum Essen nochmals das Mälzer zu besuchen (da gibts wenigstens kein Industriebier) und den Rest des Abends dann in einem Laden namens To Huus in dem verschiedene Ratsherrn Biere aus Hamburg probiert werden konnten. Das war es dann auch schon wieder, in den nächsten Monaten werden weitere Erkundungen folgen. Als letztes Bild vom blauen Album hier nochmal der Wasserturm am Abend… in blau und gelb mit Friedenstaube. Für die Ukraine.

Wasserturm am Abend

McLarsen an der Saale : Halle, Naumburg, Merseburg (Oktober 2021)

2021… das zweite Coronajahr lässt wieder keinen richtigen Urlaub zu, daher behelfe ich mich derweil mit Exkursionen in die deutschen Heimat… und finde immer mehr Gefallen daran, Städte oder Landstriche allgemein zu bereisen. Bamberg, Erfurt und Lübeck machten den Anfang, mit Halle an der Saale geht es weiter. …ja… warum Halle ?… Nun, ich war hier halt noch nie, hab gehört das es hier ganz nett ist und kann von hieraus noch die Domstädte Naumburg und Merseburg erkunden. Was weiß ich bis jetzt von Halle (?)… etwa 230.000 Einwohner… in der Nähe von Leipzig und Geburtsort von Georg Friedrich Händel und Hans Dietrich Genscher. „In Halle wer’n die Doofen nicht alle“ … diesen Spruch, im breitestem Sächsisch gesprochen, kenne ich noch aus meiner Leipziger Zeit… mal sehen was dran ist oder auch nicht…
Kommen wir mal zum Abenteuer Anreise per Bahn. Nachdem ich neulich in Lübeck großes Glück hatte das ich aus Versehen einen früheren Zug nahm und nur deshalb meinen Anschluß in Hamburg bekam, hatte ich heute weniger Glück. Das erste was ich auf der Anzeigetafel vom Gleis 7 meines Heimatbahnhofes Berlin Gesundbrunnen las, war „Zug fällt aus“. Tja… dann also erstmal zum Hauptbahnhof und zum Glück halten ja diverse Züge gen Süden in der Saalestadt. Beim ersten Stopp am Südkreuz gab es dann schon die erste Auszeit… man warte auf den Lokführer, der hatte sich verspätet weil er mit der Bahn unterwegs war… verrückt. Bis Halle lief dann alles gut, danach sollte der Zug dann umgeleitet werden damit er quasi drehen kann, der Triebwagen hatte einen Defekt… ob er irgendwann in München angekommen ist weiß ich nicht… es konnte mir auch egal sein.

5 Türme und Händel...
Der Hallmarkt ist der Markt hinter der Marktkirche vom Marktplatz... sehr marktant...

Der Hallenser Hauptbahnhof liegt etwas östlich vom Stadtzentrum. Davor gibt es ziemlich große Straßen… und überhaupt… so richtig schön ist anders… es gibt einen Fußweg ins Zentrum, bei dem man ständig aufpassen muß das man nicht von der Straßenbahn erwischt wird… vorbei an vielen Läden die man nicht braucht zum Hotel Schweizer Hof am Waisenhausring. Das Haus scheint familiengeführt zu sein und ist alt aber sauber und ordentlich… so zumindest der erste Eindruck. Nach kurzer Pause hörte es dann auch endlich auf zu regnen und die erste Erkundungstour konnte starten. Bereits nach wenigen Schritten war ich im Zentrum der Altstadt… der Marktplatz mit den 5 Türmen… die 4 Türme der Marktkirche und der profane Rote Turm, den mal irgendwelche reichen Bürger der Stadt gebaut haben… im 15. Jahrhundert war das… wohl eine Art Statussymbol…Die Marktkirche hat deshalb 4 Türme, weil sie aus zwei Kirchen hervorging welche dicht hintereinander standen. Die sogenannten Hausmannstürme kann man besichtigen bzw. besteigen… 7€ kostet der Spaß, Führung inklusive. Da das Wetter gerade schön (wenn auch etwas wechselhaft) war, beschloss ich die Besteigung gleich zu machen… wer weiß was morgen für Wetter ist… was ich habe (damit meine ich schöne Bilder) habe ich.

...so sah das mit zwei Kirchen plus einem externen Turm aus...
...und aus zwei mach eine... (plus Turm)

Recht bemerkenswert fand ich das da ganz oben die Wohnung eines Türmers war, der letzte seiner Art lebte von 1886 bis 1916 mit Frau und 5 Kindern (mit der zweiten Frau dann noch zwei Blagen)… auf etwa 20 qm. Zwischen den Türmen ist eine Brücke und die Aussicht kann sich auf jeden Fall sehen lassen… guter Einstieg um die Stadt kennenzulernen. Die dazugehörige Kirche habe ich später auch besichtigt…bzw. das was man derzeit sehen kann… das ist etwa ein Drittel, der Rest wird gerade restauriert.

Aprilwetter in etwa 50 m Höhe..., mit den anderen beiden Kirchtürmen...
...über den Dächern von Halle...

Nach ein paar Streifzügen durch die Altstadt gab es dann ein kleines Päuschen bevor der Artikel „Gastronomie in Halle“ eröffnet wurde… Für den hungrigen Bauch gab es Einkehr ins Lokal „Zum Brotkasten“, eine kleine aber feine Gaststätte gleich um die Ecke. Es gab Schnitzel mit Pfifferlingen und Bratkartoffeln mit zwei dunklen Hasserödern für etwa etwas über 20 Euro… es war lecker und sehr nett… empfehlungswert allemal…. dann hatte ich mir im Vorfeld gleich nebenan noch ein Nantes Pub gespeichert… das ist da zwar noch irgendwie… aber zappenduster, also Plan B : Fiddler’s Pub in der großen Ullrichstraße, etwas entfernt aber für die gewohnten Berliner Verhältnisse geradezu um die Ecke. Das Fiddlers ist ein Pub was man durch einen langen Hausflur auf einem Hinterhof erreicht. Das Guinness war so wie es sein muß, das Publikum an diesem Abend hauptsächlich Studenten erstes Semester, ein paar Langhaarige meines Alters (…ja… ist schon typisch Irish Pub… kann ja nix dafür…) und sonst nix besonderem. Auf dem Rückweg noch ein paar Experimente mit der Kamera und schon ist der Tag vorbei… aber eigentlich wird Halle erst am zweiten Tag richtig erkundet…

Fiddler's Pub... Barhocker im Hockerformat und Relikte aus Raucherzeiten... die einzige Raucher(in) war die Bedienung
...warum der Rote Turm so heißt... er wird nachts rot angestrahlt...

Tag 2 – Halle ordentlich zu Fuß

Ich informiere mich ja durchaus im Vorfeld solcher Reisetrips über Dinge die man laut irgendwelcher Leute gesehen haben sollte, dann google ich auch mal über verwegene Foto Hotspots die gar keiner kennt… dann gibt es manchmal Bekannte die auch schon mal hier waren oder sogar öfters sind… Aus diesem Mix (natürlich nur die Sachen die mich auch interessieren) habe ich heute meinen Rundgang durch Halle zusammengestellt. Ich bin im Besitz eines guten Orientierungssinnes und benutze Navigationssysteme erst wenn ich mir extrem unsicher bin… vorher auf der Karte gucken muß reichen… Also, nach dem Frühstück und nach dem Verschwinden des Hochnebels ging es bei allerbestem Wetter los… erstmal Richtung Marktplatz um von dort aus zum Dom und der Moritzburg zu kommen.

...dem Bischof sein Privatdom...
...und sein Home... sein Castle... Moritzburg

Der Dom öffnete erst 11 Uhr und so lange wollte ich nicht warten… also wird wohl die Zahl der in Halle besichtigten Kirchen bei etwa 0,30 bleiben (etwa so viel kann man in der Marktkirche sehen) …interessant ist das mit dem Dom aber trotzdem… eigentlich stand (und steht) der Dom des Bistums in Magdeburg, aber der damalige Fürstbischof bevorzugte Halle als Wohnort und richtete sich seinen Freizeitdom nebst Neuer Residenz ein…dann kam Luther und die Reformation, der Bischof ging nach Mainz und hinterließ einen gigantischen Schuldenberg… der Vorteil ist… was gebaut war war gebaut und zeichnet Halle heute aus. Gewohnt hat der Bischof in der nahegelegenen Moritzburg welche es in Teilen schon vorher gab… diese große Burganlage wird seit etwa gut 100 Jahren nach Jahren des Verfalls als Museum und Kunst-Hotspot genutzt… Ruhetag : Mittwoch… (quasi heute)… aber nicht schlimm, ein Museumsbesuch war eh nicht eingeplant. Vorbei an der Leopoldina (vielleicht erinnert sich der eine oder andere… die hatten in Coronazeiten… ähmn… quasi jetzt… wissenschaftliche Empfehlungen an die Bundesregierung gegeben, dafür gibt es sie), ging meine Wanderung über eine Insel mit Park direkt an der Saale… das alles bei Kaiserwetter (im Oktober) und stationierte an der Giebichensteinbrücke.

Giebichensteinbrücke mit Burg Giebichenstein
Burgenroman(t)ik an der Saale

Dort gab es den Insidertipp mal durch einen geschlossenen Biergarten zu laufen und die Brücke mit Burg Giebichenstein zu fotografieren… ging gut… ein weiterer Fototipp war von der Petruskirche des Ortsteils Kröllwitz… auch das war super… leider alles gegen die Sonne, aber egal… dann gab es die Burg(Ruine) noch zur Besichtigung… für läppische 4 Euro konnte das Gelände besichtigt werden, inklusive Aufstieg des Turmes… wonach ich dann glaub ich auch etwas rot im Gesicht war… aber sehr lohnenswert, der Ausblick.

Blick vom Turm der Burg Richtung Innenstadt von Halle
...vom Rest der Burg gibts nicht mehr viel..

Über einen Park namens Reichardts Garten ging es zurück in Richtung Innenstadt, mit einem Schlenker ins Paulusviertel, deren Zentrum jene Paulskirche ist, in der vor gut einer Woche noch Bundeskanzlerin und Landesfürst*innen die deutsche Einheit gefeiert hatten. Die Kirche ist neugotisch und nicht weiter interessant, aber das Viertel um diesen kreisrunden Rathenauplatz auf dem die Kirche steht, ist schlicht traumhaft… überwiegend Bauten aus der Gründerzeit machen das Viertel zu dem wohl beliebtesten Kiez der Stadt… ich kann das vollumfänglich verstehen… Von dort aus ging es dann über den Joliot-Currie Platz mit dem Opernhaus erstmal kurz ins Hotel, die Blase drückte und ich hatte mir unterwegs etwas zu essen eingefangen… zu der Zeit standen auch deutlich über 10 km auf dem Tacho.

Pauluskirche
...im Paulusviertel mit Blick zum Wasserturm...
Park Sanssouci ?... Nö... Joliot-Curie Platz mit Opernhaus

Nach einer Stunde Pause ging es weiter zum Stadtgottesacker… einer der berühmtesten deutschen Friedhöfe überhaupt. Es ist ein Ort der Renaissance… die Friedhöfe mussten nach der Pest ausserhalb der Stadtmauern sein und so wurde im italienischem Stil eine Anlage aus Arkaden gebaut, wie es nördlich der Alpen einzigartig ist. Der Friedhof ist nicht irre groß und hat eher lokale Prominenz zu liegen (außer Händel seinem Vater kannte ich keinen…und Händels Vater im Prinzip auch nicht…), aber sehr, sehr schön… genau wie auch das Gerichtsgebäude im wilhelminischen Stil ganz in der Nähe… nun ja noch paar Bilder hier und da… dann qualmten die Socken…

...knapp 100 Arkaden gibt es auf dem Stadtgottesacker...
...drinnen teils sehr alte Grabsteine, aber auch neuzeitliche Sachen sind möglich...
Das Landgericht

Abends gab es dann Bauernfrühstück und lokales Bier im Halleschen Brauhaus kurz hinterm Markt… sehr lecker… beides… auf meiner App stehen für heute 27.000 Schritte und 31 Stockwerke… reicht erstmal… morgen geht es zu Eckaaat und seine Frau Uta…

Bier im Halleschen Brauhaus... skøl
...insgesamt ein toller Tag mit super Wetter in Halle...

Tag 3 : Naumburg

Für zwei Tage war Halle prima zu erkunden… vielleicht hätte ich auch für einen dritten Tag irgendwas zum besichtigen gefunden… aber ich dachte mir… wenn ich schon mal in der Gegend bin, besichtige ich auch die mittelalterlichen Kathedralen in Naumburg und Merseburg.
Ab zum Bahnhof und mit den Regio Richtung Jena nach Naumburg… vorbei an der Heimat der Plaste und Elaste aus Schkopau und durch die riesige Industriewüste der Leunawerke… irgendwie bin ich immer wieder froh, wenn ich solche Landschaften wieder verlassen habe… irgendwie gruselig… immerhin stinkt es nicht mehr wie zu DDR Zeiten, da wurde mir nämlich immer schlecht. Nach gut einer halben Stunde hielt der Zug in Naumburg und ich lief ein ganzes Stück auf recht trister Straße Richtung Innenstadt. Ich hatte für 14:00 Uhr eine Führung im Dom gebucht und hatte vorher Zeit die Stadt etwas zu erkunden.

Markt mit Stadtkirche St.Wenzel
Hildebrandt-Orgel in der Stadtkirche

Naumburg hat etwa 30.000 Einwohner und die Hauptattraktion ist natürlich der Dom, aber auch die kleine Altstadt mit Bürgerhäusern überwiegend aus der Zeit der Renaissance und ein ziemlich großer Marktplatz ist sehenswert. Leider gibt es auffällig viel Leerstand besonders in den eher abgelegenen Teilen der Fußgängerzonen. Eigentlich hatte ich hier auch eine Turmbesichtigung geplant, aber das war zu umständlich… ich hätte erst in ein Museum gemusst und Zeitfenster und was weiß ich noch… das hätte zu lange gedauert bis 14:00 Uhr… außerdem war das Wetter heute nicht so schön sondern eher ungemütlich… es ist halt Herbst. Der Turm den ich besteigen wollte ist der Turm der Stadtkirche St.Wenzel am Marktplatz. Der Turm wird übrigens seit Jahrhunderten von der Stadt verwaltet, er hatte noch bis in die 1980er Jahre eine Türmerin. Die Kirche selbst konnte ich besichtigen. Es ist ein seltsamer Bau mit ungewöhnlichen Maßen und Grundrissen. Die Ausstattung stammt überwiegend aus der Zeit des Barock. Überregional bekannt ist die Hildebrandt-Orgel, welche vom berühmten Orgelbaumeister Georg Silbermann (das war der Lehrer vom Hildebrandt) und Johann Sebastian Bach höchstselbst abgenommen und bespielt wurde. Nach ein paar Streifzügen durch die Altstadt und einer Suppe in einer Fleischerei für 3,70€ schlenderte ich langsam Richtung Dom.

nette Details in der Altstadt
Das Renaissance Rathaus

…Der Naumburger Dom ist eine der bekanntesten Sakralbauten Deutschlands und ein Ort den ich schon immer mal besuchen wollte. Seine Geschichte kürze ich mal in der gewohnten unkonventionellen Art und Weise folgendermaßen ab : Ekkehard I., der mächtige Markgraf der Gegend gründete um 1000 eine Burg in der Nähe vom heutigen Dom (Neweburg, Nuwenburg… der Name Naumburg war das Ende der stillen Post…), seine Söhne Ekkehard II. und Hermann bauen eine kleine Kirche und 1028 wird das Bistum Zeitz einfach mal nach Naumburg verlegt weil Ekkehart und sein Bruder das wollten und konnten… mit päpstlicher Genehmigung… bald wurde ein erster Dom gebaut, an der gleichen Stelle… nur viel kleiner als der heutige. Etwa 200 Jahre später war die Kathedrale im nationalen (…ok, was war damals schon national… aber ich sehe es mal bezogen auf das heutige Deutschland) als auch internationalen Kathedralenstandard nicht mehr standesgemäß, also wurde ein neuer Dom um den alten drum herum gebaut… viel größer freilich… bei Baubeginn sprechen wir noch von Spätromanik, weiter fortgeschritten bereits von der Gotik… das kann man tatsächlich von Joch zu Joch im Kirchenschiff nachvollziehen.

Dom - Ostchor von außen
Westchor von innen

Der Naumburger Dom hat zwei Chöre… im Westen und Osten… die Mitte was man sonst als Langhaus bezeichnet war fürs Fußvolk, die Enden für die … nennen wir es mal Theologen… Das Besondere dabei ist das beide Lettner (Schranken, Trennwände) noch heute stehen… das hat der Dom exklusiv… gen Osten eine einfache Wand mit zwei kleinen unauffälligen Türen und Kruzifix oben drauf, der Westlettner absolute Weltklasse an Bildhauerarbeit den der Naumburger Meister (…jeder Historiker wüsste gerne mehr über ihm… ein Name z.B.) Jener Naumburger Meister muß auch als Architekt gewirkt haben, denn die weltberühmten Stifterstatuen im Westchor stammen auch von ihm und die können nicht einfach geklaut werden, denn sie sind Bestandteil der Gewölbestreben… quasi Teil der Statik… nicht schlecht… wenn man bedenkt das sie bereits seit Mitte des 13.Jh dort stehen… Ekkehard II. und seine Frau Uta… die Stars der Kirche, der Stadt und Uta warscheinlich das Topmodell des gesamten Mittelalters… nun ja… wie die wirklich aussahen… konnten auch die Künstler nicht wissen, denn die Personen waren zur Zeit der Erschaffung bereits über 200 Jahre tot… egal, aber es sind wirklich Meisterwerke, wenn man sie sieht, denkt man man könnte diese Personen irgendwo her kennen… vielleicht aus einer Mittelalter Spielgruppe. 1532 wurde der Dom Opfer einer Brandstiftung… die Beseitigung der Schäden zog sich bis ins 19. Jahrhundert… viele Einrichtungsstücke wurden unwiderruflich vernichtet. …Reformation… 1542 wurde Naumburg protestantisch und Nikolaus von Amsdorf wurde erster evangelischer Bischof… in Naumburg und… weltweit (!)… Kurze Zeit war dann die Erfolgsstory des Domes vorbei, das Bistum wurde aufgelöst und der Dom war Kirche der Domgemeinde… Seit 2018 ist der Dom zu Naumburg Unesco Weltkulturerbe. Heute ist der Dom im Besitz einer öffentlich rechtlichen Stiftung.

Meisterwerke aus Kalkstein am Westlettner
Stifterfiguren v.l.: Hermann, Reglindis, Ekkehart und Uta

Die Führung war gut… aber ich hätte gerne noch mehr erfahren… aber dann reichen einfach nicht ein oder zwei Stunden um ein Bauwerk mit solcher Bedeutung und Vergangenheit zu erkunden…
Danach ging es zurück nach Halle… Pause und ab in die Gastronomie… ich hatte mir ja viele Orte notiert, aber da bleiben deutlich mehr Baustellen als bei den letzten besuchten Städten… sprich: wenn ich auch geschrieben habe das Halle für zwei Tage ok ist… meinte ich nicht die Abende bzw. Nächte damit… davon könnte ich nämlich noch ein paar bestücken… heute wählte ich für die feste Nahrung „Die Schnitzelwirtin“ gleich um die Ecke… super, relativ neues, geschmackvoll ausgestattetes Restaurant mit guter Organisation, nettem Personal und einem schweinegeilen Schnitzel Zigeuner Art… Danach musste noch Guinness… Anny Kilkenny Irish Pub hieß die erwählte Lokalität… 2G (für die Nachwelt : Genesen oder/und Geimpft)… ich kam rein und der Kellner erzählte mir was vom Doppeldecker-Donnerstag… also bestell ein Guinness und du bekommst zwei… ich dachte kurz ich bin tot und im Paradies… war aber nur die erste Runde (alles andere wäre ja auch wirtschaftlich ziemlicher Quatsch) … der Laden ist Teil der Kette die ich letztes Jahr schon in Erfurt kennenlernen durfte… ist bisschen wie MotelOne… man weiß was man kriegt… Überraschungen aber eher selten… ich fand’s gut. Morgen ist zwar Abreisetag aber diesmal habe ich mir was einfallen lassen, das der Rückreisetag auch noch was kann…

Dom von Westen

Tag 4 : Merseburg

Bereits für 11 Uhr hatte ich vor einiger Zeit eine Führung im Merseburger Dom gebucht und außerdem für 14 Uhr eine Turmführung am gleichen Ort. Das bedeutete heute etwas schneller in die Puschen zu kommen… Frühstück, Sachen packen, Auschecken, zum Bahnhof latschen, Tasche ins Schließfach, Fahrkarte ziehen und ab mit den Zug nach Merseburg… Fahrzeit : 9 Minuten.

Der Tausendjährige Dom zu Merseburg
Aus der romanischen Basilika wurde eine spätgotische Hallenkirche

Vom dortigen Bahnhof läuft man nochmal etwa 10 Minuten und dann ist man da… beim 1000jährigen Dom… am 01.10.1021 wurde er (bzw. sein Vorgängerbau) geweiht, Kaiser Heinrich II und seine Frau Kunigunde waren anwesend. Es war eine romanische Basilika mit vier Türmen… viel ist davon heute nicht mehr zu sehen, der heutige Bau stammt größtenteils aus der Zeit von 1510 und 1517 im Stil der Spätgotik. Der Dom steht nicht alleine in der Landschaft sondern ist quasi der vierte Seitenflügel des Schloss Merseburg, ein großer Bau im Stil der Renaissance der als Fürsten(Bischof)sitz gebaut wurde. Zur anderen Seite hat der Dom einen Kreuzgang mit Kapitelhaus… wegen des Jubiläums konnte man eine Ausstellung besichtigen, in der es viel um die berühmten Merseburger Zaubersprüche geht… deren Bedeutung sich mir persönlich nicht ganz erschließt.

Der Dom ist quasi der vierte Flügel vom Schloss... das ist heute Kreisverwaltung.

Von der Saale aus ist die Anlage nur 20 Meter entfernt auf einem Felsen gebaut… was von unten beeindruckend aussieht… aber die Türme selbst sind glaub ich keine 50 Meter hoch… Zwischen der Führung und der Turmführung hatte ich Zeit ein wenig die 33.000 Seelenstadt zu erkunden, war davon aber etwas enttäuscht, die Stadt war Ziel vieler Luftangriffe im zweiten Weltkrieg, schließlich war auch damals schon reichlich Industrie in der Gegend, die man ja treffen wollte. Neben einem Rathaus im Renaissancestil und ein paar alten Häusern ist die Altstadt deutlich von Nachkriegsbauten geprägt. Ein kleiner Spaziergang an der Saale unterhalb des Schloss-und Domberges brachte auch ein schönes Fotomotiv… es ist ganz am Ende des Berichtes zu sehen. Kurz vor 14 Uhr ging es dann zurück zum Dom, ich hatte ja eine Turmführung gebucht… von der war man vor Ort allerdings überrascht… wegen Bauarbeiten (eine neue Glocke wird eingebaut) finden diese Führungen gerade nicht statt… da ich aber nicht der einzige war der das im Voraus gebucht hatte, ging die Domführerin dann exklusiv mit zwei Mann auf den Turm, mit Spaziergang auf den Gewölben und an den Glocken vorbei. Leider war das Wetter auf dem Turm gerade recht stürmisch, so das die Sache nach ein paar Minuten wieder abwärts ging… gelohnt hat sich das eher so mittel… hatte ich doch die Heimreise nach dem Termin geplant… und so bestand der Rest des Tages in einiger Zeit des Wartens auf Bahnhöfen und dann schließlich die Rückfahrt. 19:30 hatte mich der Gesundbrunnen zurück.

...über den Dächern der Stadt...
...und der Domresidenz

Es war eine schöne Reise, ich hatte nicht viel von Halle erwartet und habe viel von der Stadt bekommen. Speziell das Flair der Studentenstadt hat mir gefallen, besonders die Gastronomie hat noch viel mehr zu bieten als ich es in der kurzen Zeit erkunden konnte. Ich würde Halle mal als Geheimtipp bezeichnen… mit dem großen Vorteil, das die Stadt nicht zu überlaufen ist. Das Hotel Schweizer Hof war prima, die Landlords sehr nett und das ganze auch recht preiswert wenn man bedenkt das es eine prima Lage hat. Wer also gerne mal ein Wochenende außerhalb von Berlin erleben will aber nicht so weit weg… fahrt doch mal nach Halle… für 30 € mit dem ICE, etwa 90 Minuten Fahrt in eine schöne Stadt, die Spaß macht wenn man sie entdecken will…

Schloss und Dom in Merseburg von der Saale aus gesehen... ein wirklich schönes Motiv...

McLarsen in Lübeck (September 2021)

14.09.2021… alle Jahre wieder kommt von diesem Blog im September ein Reisebericht… meistens aus Schottland. Seit die Corona Pandemie die Weltherrschaft übernommen hat ist halt alles ein wenig anders. Sicher wäre eine Reise nach Schottland möglich gewesen, aber es würde sich irgendwie falsch anfühlen. Bereits im vergangenen Jahr bin ich auf Reiseziele ausgewichen die leichter beherrschbar sind… nämlich sehenswerte Städte in Deutschland die ich noch nicht kenne. Bamberg und Erfurt waren die ersten Ziele, fast ein Jahr später geht es nunmehr in den Norden der Republik in die Hansestadt Lübeck. Mein Fokus liegt wie immer auf den Bereichen Geschichte, Architektur und Gastronomie… Fotografie nicht zu vergessen.
Meine Erwartung im Voraus (?) : eine gut erhaltene Altstadt, Unesco Welterbe, riesige Backsteinkirchen und schöne kleine Details in den Gassen der mittelalterlichen Altstadt. Das Wetter scheint nur am Anreisetag mitzuspielen… aber schauen wir mal…

Ankunft mit dem Motiv vom 50 Mark Schein und dem Turm auf den es gleich hoch geht

Teil dieser Reiseserie ist die Anreise mit der Bahn, was ja häufig schon einen Touch von Abenteuer einstreut… heute nicht… alles nach Plan und ohne Probleme via Hamburg gelaufen… und das bei bestem Wetter. Die Sache mit dem Wetter scheint bei diesen Reisetrips auch ein gewisses Schema zu haben: mindestens ein Sonnentag und ein kompletter Regentag. Sonne war heute und laut App wird es morgen den ganzen Tag regnen. Mit diesem Wissen wusste ich das es heute vom Vorteil wäre Fotos bei schönem Wetter zu machen. Vom Hauptbahnhof ist es nicht weit zum Hotel, am berühmten Holstentor vorbei direkt an der Trave liegt meine Unterkunft. Nach dem Einchecken kurz frisch gemacht ging es dann auch gleich los… einmal die Altstadt von oben nach unten und rechts nach links vermessen und einige schöne Bilder geknipst.

Das Motiv vom letzten Bild, nur andersrum... Holstentor von St.Petri. Das Haus im Vordergrund (2. links vom Bus) ist mein Hotel.
Blick auf Rathaus, Marktplatz und Marienkirche... bisschen seltsame Architektur (Vordergrund) darf auch dort nicht fehlen...

Am Anfang ging es erstmal auf den Turm der St. Petrikirche, die hat nämlich einen Fahrstuhl und in der Höhe von etwa 50 Metern hat man eine tolle Rundumsicht und auch eine Übersicht über die Größe der Altstadt… und die ist kompakt aber übersichtlich.

Blick über die Trave zur Altstadt mit Marienkirche und Petrikirche
Blick zum Dom

Diese Altstadt ist ja das was Lübeck so berühmt gemacht hat… die Hanse hatte hier ihre Hochzeit und machte viele Bürger reich, was dann auch in Kirchen- und Profanbauten investiert wurde. Heute leben nur 7% der etwa 200.000 Einwohner Lübecks in der Altstadt… Touristen in zahllosen Beherbergungsstätten machen das wieder wett. Als die Sonne dann schon ganz schön tief stand ging es erstmal zurück ins Hotel und kurze Zeit später zu Essen und Bier.

Zwickelbier im Brauberger zu Lübeck

Für heute hatte ich mir die Brauereigaststatte Brauberger zu Lübeck ausgesucht, sie liegt nur wenige hundert Meter vom Hotel entfernt. Ich wurde nicht enttäuscht, das Zwickelbier war so lecker das ich ein paar mehr nehmen musste… und auch das Schnitzel Balkan Art konnte sich sehen lassen… und geschmeckt hat es auch. Der Laden (ziemlich groß, auf mindestens 3 Ebenen und Biergarten) war Top organisiert… mit einem Einlass wo wirklich auch die 3G Regeln kontrolliert wurden und auch Registrierung. Es war einiges los… ich saß am Tresen (mal was anderes 😉 und hatte Spaß den Jungs und Mädels zuzuschauen. Auf dem Rückweg machte ich noch ein paar Nachtaufnahmen von Holstentor und Altstadtblick… wie ich finde auch gelungen dafür das ich nur mit dem iPhone fotografiere… (ok nachts aber mit Ministativ). Danach ließ ich es genug sein für heute… morgen ist auch noch ein Tag… wenns regnet, dann sind morgen Gebäude von innen dran… hier gibts ´ne Menge große Kirchen und Museen…

Holstentor bei Nacht
Der Dom... mit dem langen...Langhaus

Tag 2… gut geschlafen, gut gefrühstückt und der Regen war auch noch nicht da… also gleich los bevor Petrus die Schleusen öffnet… Zuerst ging es zum Dom… der zweitgrößten Lübecker Kirche. Der Dom ist die älteste Kirche Lübecks. Sie war vor der Reformation Bischofssitz, Heinrich der Löwe gab etwas Geld für den Bau dazu. Die erfolgreichen Bürger, Kaufleute und Patrizier der Hansezeit konnten mit dem Bischof und seinem Dom wenig anfangen, die Kathedrale lag etwas abseits vom bunten Treiben der Hansestadt im Süden der Altstadtinsel im Domkapitel, die Hanseaten bauten bald ihre eigenen Kirchen, allem voran die Marienkirche in Bestlage. Der ursprüngliche Dom war eine romanische Basilika im Stile ihrer Zeit… in Zeiten der Gotik wurde sie mehrmals umgebaut und erweitert, u.a. die mächtige Westfront mit den heute 115 Meter hohen Türmen und auch das Langhaus wurde… (Tada…) verlängert… auf 130 Meter… damit in der Rangfolge der längsten deutschen Kirchengebäude ganz weit vorne. Nach der Reformation wurde der Dom und das ganze Domkapitel von der Stadt einkassiert und  heute von der Nordkirche genutzt. Wie viele andere historische Gebäude Lübecks (ein Fünftel der Altstadt) wurde auch der Dom bei einem Bombenangriff Ende März 1942 schwer zerstört. Der Wiederaufbau dauerte Jahrzehnte… zum Glück wurden viele Inventarstücke ausgelagert, so das man heute noch viele Kunstwerke bewundern kann… u.a. ein 17 Meter hohes Triumphkreuz von 1477 oder einen Lettner mit Kirchenuhr aus der Renaissancezeit.

Dom Inneres gen Osten mit Triumphkreuz
...damit man weiß was die Stunde geschlagen hat... Uhr im Dom

Der Ostteil des Doms kann derzeit nicht besichtigt werden da dort gebaut wird. Nach der Besichtigung regnete es noch immer nicht und ich schlenderte etwas durch die Stadt, vorbei an vielen kleinen Gassen und Häusern die gerne mit Weinstöcken und Kletterrosen verziert sind. Für 12:30 hatte ich mir eine Führung in der Marienkirche geplant und hatte nun noch etwas Zeit und besichtigte in der Zwischenzeit die Jakobikirche.

Der interessante Turm der Jakobikirche
Die berühmte Stellwagen Orgel

Im Vergleich zu Dom und Marienkirche wirkt diese Kirche beinahe klein… ist sie aber nicht wirklich. Die Jakobikirche ist eine dreischiffige Hallenkirche aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts… sie wurde für die Fischer und Seefahrer gebaut (deswegen dreischiffig…haha…quatsch…). Der Turm ist 112 Meter hoch und hat eine interessante Version der Turmspitze… so mit Kugeln und so… 2019 machte der Turm von sich reden als der Zeiger einer Turmuhr plötzlich und unerwartet vom Turm segelte… und zum Glück kam niemand zu Schaden. Diese Kirche wurde im Krieg nicht zerstört, so das man ihre reichhaltige Ausstattung heute noch bestaunen kann. In Kreisen der Orgelfans soll die kleinere der beiden Orgeln, gebaut vom berühmten Orgelbauer Friedrich Stellwagen (1603-1660) eine der berühmtesten Orgeln Europas sein… steht bei Wikipedia. In einer kleinen Seitenkapelle steht übrigens der Rest eines Rettungsbootes der 1957 gesunkenen Segelschiffs Pamir. Der Raum erinnert mit vielen Exponaten an die 80 ertrunkenen Seefahrer.

Marktplatz mit Rathaus und Marienkirche

Danach sollte eigentlich die größte Kirche der Stadt, die Marienkirche besichtigt werden. Zweimal pro Woche gibt es öffentliche Führungen… laut Website der Kirche… stattdessen fand zu dieser Zeit eine Kirchenmusik Veranstaltung statt und die Führung zog warscheinlich mit den Teilnehmern des Events los als die Interessenten außerhalb noch draußen warteten das sich die Türen öffnen… mittlerweile im Regen… drinnen wußte man von nix und ließ uns dort ewig warten bis sich aufklärte das die Führung fast fertig ist… gut… 45 min rumgestanden für nix… aber egal, ich habe die Kirche dann selbst erkundet. Die Marienkirche gilt als die Mutter aller großen nordischen Backsteinkirchen. Ihre Größe und ihre (ehemalige) Ausstattung zeug(t)en vom Wohlstand und Erfolg der Hanse. Die Erbauer und Finanzierer der Kirche müssen viel Freude gehabt haben als sie das hochgotische Flaggschiff zwischen 1277 und 1351 errichteten… dem Bischof seinen Dom einfach mal klein aussehen lassen… so hat der Dom zwar mit seinen 130 Metern besonders lang… aber St. Marien mit 39 (!) Metern Gewölbehöhe mächtig hoch… auch die Türme sind mit 125 Metern höher… außerdem wurde die Kirche auf dem höchsten Punkt der Altstadtinsel gebaut und liegt direkt am Markt und dem Rathaus… da konnte der Bischof nur noch gucken… Leider hatte es die Marienkirche in der Bombennacht von 1942 ziemlich böse getroffen, so das der Innenraum im Vergleich zu den anderen Lübecker Kirchen sehr schlicht ausfällt. Das besondere an diesem Sakralbau bleibt die schiere Größe… zum ersten mal wurde ein fast 40 Meter hohes Gewölbe aus Backsteinen gebaut… einer musste sich das ja erstmal trauen… an Nachfolgern sollte es dann nicht mangeln… siehe die ebenfalls sehr großen Kirchen in Wismar, Rostock und Stralsund.

...ganz schön hoch...
...Gewölbe der Marienkirche

Nach drei Kirchen war dann erstmal gut… es regnete inzwischen ohne Unterlass, also erstmal eine kleine Pause, dann noch ein weiterer Spaziergang… der dann bei dem Wetter auch nix getaugt hat… Kaufhäuser waren auch langweilig… also erstmal ins Hotel und in die Tasten für diesen Bericht gehauen …dann irgendwas essen… nach dem Riesenschnitzel gestern gab es heute vegetarische Kost beim Kartoffelspeicher direkt ein Haus weiter… dann natürlich Bier… im Mac Thomas… es war heute sehr lecker (das Guinness).

Der zweite Tag war vom Wasser geprägt... von oben und manchmal von unten

Tag 3: Das Wetter heute verspricht weitestgehende Trockenheit ohne Sonne… aber wer braucht die schon (?)… es ging auf die Piste mit erstem Ziel: Museum Behnhaus-Drägerhaus. Ich bin ja eigentlich nicht der große Museumsgänger aber als ich gelesen habe was dort alles so rumhängt hatte ich mal Lust drauf. Es handelt sich um zwei benachbarte Bürgerhäuser aus dem 18. Jahrhundert in denen man u.a. original erhaltene Zimmer dieser Zeit besichtigen kann und gleichzeitig ist es eine große Kunstausstellung. Es gab Bilder von Caspar David Friedrich, Friedrich Overbeck, Edvard Munch und Max Liebermann (u.v.a.), Skulpturen von Ernst Barlach und Gerhard Marcks und jede Menge über die wohl berühmteste Lübecker Familie seiner Zeit… die Manns zu sehen, hören, lesen. Jedes Exponat hatte gute detaillierte Beschreibungen beiseite und es gab reichlich Möglichkeiten mit QR Codes interaktive Sachen zu erleben… toll gemacht und sehr umfangreich.

Im Museum Behnhaus-Drägerhaus
...wohnen wie bei feine Pinkels...

Weiter ging es zum Heiligen-Geist-Hospital, ein mittelalterliches ehemaliges Spital. Derzeit kann nur der Raum der Kirche direkt an der Straße besichtigt werden… es war auch eine Doku-Ausstellung für modernes Wohnen zu sehen… was ich allerdings nicht weiter beachtet habe. Danach ging ich kurz zum Burgtor (das deutlich unbekanntere Pendant des Holstentores) und noch einen Abstecher ins Willy Brandt Haus. Die Besichtigung ist gratis und bietet einen interessanten Einblick in Leben und politischem Werk Brandts… er ist ja gebürtiger Lübecker.

Das Heiligen-Geist-Hospital

Im Anschluss besichtigte ich noch ein Gebäude was Kirche und Museum gleichzeitig ist… nämlich die Katharinenkirche… gepredigt wird dort schon seit Napoleons Zeiten nicht mehr, es ist ein Museum… errichtet um 1300 im Stile der Backsteingotik aber im Gegensatz zu den anderen Lübecker Kirchen ohne Turm. Das Hauptexponat, das Gemälde „Erweckung des Lazarus“ von Tintoretto war leider gerade hinter einem Gerüst versteckt. Besonders sehenswert ist die Kirche wegen ihrer Schlichtheit und dem lichtdurchfluteten Innenraum. Danach gab ein Fischbrötchen und eine kleine Pause.

Katharienkirche gen Osten
Katharienkirche - Ausgestellte Kunst

Eine Kirche fehlte mir noch in meiner Raupensammlung… die Aegidienkirche… dran vorbei gelaufen war ich schon mindestens zwei mal… drinnen noch nicht.
Das änderte sich dann am Nachmittag. Die Kirche und das ganze Viertel war damals für die kleinen Leute… heute ist es ein sehr begehrtes Wohnviertel. Die Kirche selbst ist ebenfalls im Stile der Backsteingotik… wie so vieles hier… das Innere ist recht dunkel… Kriegszerstörungen gab es kaum, so kann man heute noch eine reichhaltige Ausstattung bewundern.

Aegidienkirche - Turm (86 Meter hoch)

Danach gab es ein Pausenbier in dem Lokal Im alten Zolln… eine Kneipe die es seit 1589 gibt. Sie haben ein eigenes Bier was recht süffig war und wirklich sehr nettes Personal. Ich hätte noch stundenlang dort sitzen können… dann wäre der Tag aber bald vorbei gewesen… stattdessen ging es erstmal ins Hotel, dann Essen im Brauberger und Guinness im „Pub If“ mit einem Gandalf-ähnlichen Wirt und zum Schluß nochmal bei Marta im MacThomas… was definitiv mein Wohnzimmer wäre, wenn ich hier wohnen würde… überhaupt… die Lübecker sind alle ziemlich gut drauf. Die Stadt ist quicklebendig, Fahrräder und Scooter so viele wie in Berlin, viele junge Leute und natürlich Touristen Ü60 mit Camp David Klamotten… aber da kann ja die Stadt nix für… Fazit : auf jeden Fall eine Reise wert… ich war bestimmt nicht zum letzten mal da… und in diesem Sinne… Danke für die Aufmerksamkeit.

Berlin Gesundbrunnen … Spurensuche auf historischen Landkarten

In diesem Abschnitt soll es um einen Teil vom Gesundbrunnen gehen… der Teil in dem ich wohne, arbeite und lebe. Der Teilbereich des ehemaligen Bezirks Wedding wird begrenzt von Badstraße, Osloer Straße und der Bahntrasse zwischen den  Bahnhöfen Bornholmer Straße und Gesundbrunnen. Die Badstraße wird später einen eigenen Platz bekommen, mir soll es hauptsächlich um deren Nebenstraßen östlich gehen : Bellermannstraße, Eulerstraße, Grüntaler, Stettiner, Jülicher Straße,  Behmstraße etc. Der Blog wird ständig ergänzt und bearbeitet (Stand : April 2021)

1757

Beginnen wollen wir aber mit einer Karte die bei uns im Offside hängt… jemand hat sie uns gespendet, vorher hing sie wohl im ehem. Rathaus Wedding. Zur Orientierung sollte man beachten das der Plan keine Nord/Südausrichtung hat, dafür gibt es aber einen Pfeil im linken unteren Bereich.

28.12.1757 - Plan der Gegend zwischen Kgl. Vorwerk Wedding und der Gräfl. Preuß. Papier Mühle zu Anlegung des neuen Gesund Brunnen

v.l.n.r: Das Vorwerk Wedding (im Bereich der heutigen Reinickendorfer/Weddingstraße) Weg von Oranienburg nach Berlin (in etwa der Verlauf der heutigen Gerichtstraße/Gartenstraße)… dann kommt die Panke, damals noch mit zwei Armen….nördlich von der Panke (etwa entlang der heutigen Koloniestraße) entstand kurze Zeit darauf eine Maulbeerplantage welche von Einwanderern aus Böhmen betrieben wurde. Linksseitig der Panke ist noch etwas Wald erhalten, der Rest der vormals üppigen Berliner Stadtheide, hauptsächlich Kiefern und Eichen wuchsen dort… ihr Holz steckt noch heute in den Häusern Berlins (soweit sie noch stehen). Wir erfahren die Besitzer diverser Grundstücke : wüstes Sand-Land gehört dem Magistrat; Wiese zum Amt Schönhausen gehörig (etwa Brunnenplatz vorm Amtsgericht); Vorwerks Acker; das erste Feld, das Mittel Feld; St.Georgen Hospital Acker. Gesund Brunnen… Dazu gibt es demnächst ein Extrakapitel. 

Der Friedrichs Gesundbrunnen um 1760

 

Holländische Mühle… bereits in der ersten urkundlichen Erwähnung Weddings um 1251 wurde eine Pankemühle genannt, 1541 wurde erwähnt, das die Mühle nicht mehr in Betrieb ist… 1708 wird der Bau einer Wassermühle beschlossen, 1731 wird die Mühle an der Panke zur Papiermühle umgebaut und war Arbeitsplatz für 60 Arbeiter (Auf dem Wedding lebten 1748 ganze 72 Einwohner). Auf der Karte neben Brunnen und Mühle: Bürger Craatz Wiese… ich durfte noch einen Nachfahren dieses Bürgers kennenlernen, er verstarb vor ein paar Jahren im hohen Alter und war in der lokalen SPD aktiv. Am rechten Rand der Karte dann „vormaliger Fasanen- und Kaninchengarten der jetzt einem Bürger gehört, der eine Meierei daraus machen will“ (sinngemäß) …da sind wir etwa in dem Bereich von Prinzenallee, Bellermannstraße, Grüntaler Straße. Der Kaninchengarten wurde an einer Strecke angelegt, die der preußische Adel als Verbindung der Schlösser Charlottenburg und Niederschönhausen nutzte. Kronprinz (und späterer Soldatenkönig) Friedrich Wilhelm I. nutzte ihn zum jagen und zur Übung mit der Schußwaffe… und so entstand der Name Prinzenallee… der Weg an diesem  Fasanen- und Kaninchengarten, welcher 1712 angelegt wurde und etwa 10 Jahre Bestand hatte.

1802

1802 - Originalausschnitt "Plan von Berlin nebst denen umliegenden Gegenden im Jahr 1802'' (*historicmaps)

Wir tauchen ein in die Vergangenheit mit Hilfe von historischen Landkarten. Der Ausschnitt ist stets der gleiche wie bei der Karte siehe oben. Es gibt sehr gute Webseiten die dieses Material kostenlos zur Verfügung stellen*. Man kann mit Hilfe eines Reglers die historische Karte in die Gegenwart pausen. Das wird bei den ersten Karten nötig sein, da noch nicht viel Orientierungspunkte vorhanden waren.

*Historicmaps

*Berliner Stadtplansammlung

 

1802 - Ausschnitt mit Orientierungshilfe "Plan von Berlin nebst denen umliegenden Gegenden im Jahr 1802'' (*historicmaps)

1802 : An dieser Stelle ist die Blaupause mit der heutigen Karte durchaus wichtig, denn viele Orientierungspunkte gibt es noch nicht. Fixpunkte sind das Vorwerk Wedding und der Gesundbrunnen an der Panke, welche damals noch zwei Arme hatte. Ganz oben links, heute die Gegend der Reinickendorfer Straße / Osloer Straße befand sich einer der vielen Exerzierplätze der ja sehr militärisch geprägten preussischen Residenzstadt Berlin (bzw. in diesem Falle ihres Umlandes). Dieser hier war der Exerzierplatz der Artillerie.

Romantik pur… Gesundbrunnen mit dem Poetensteig um 1800

Nur westlich und nordwestlich von Wedding und Gesundbrunnen gab es noch Wald, der größte Teil der ehemaligen Stadtheide wurde in den zurückliegenden Jahrzehnten gefällt, verbaut und nicht wieder aufgeforstet. Man kann sich vorstellen das der Teil östlich vom Gesundbrunnen eine relativ kahle Landschaft war, mit etwas Landwirtschaft und Sandbergen. Apropos Berge… Im Bereich des heutigen Volkspark Humboldthain sind folgende Erhebungen eingezeichnet : Grenardierberg, Brunnenkappe und Langer Berg.

Der Verlauf der späteren Brunnen- und Badstraße ist grob zu erkennen, es war der Weg aus dem Berliner Stadtzentrum… was er ja heute auch noch ist. Der Weg von oben nach unten ist der Verlauf der heutigen Prinzenallee/Pankstraße… der Weg  verband Wedding und Gesundbrunnen mit Pankow und dem Schloß Niederschönhausen. Des Weiterem gibt es einige Wege, die man wohl bestenfalls mit Trampelpfaden vergleichen kann… ein Pfad lief auch durch den oberen Teil der Jülicher Straße, gekreuzt von einem Wassergraben welcher von der Panke kommend in Höhe der Osloer/Bornholmer Straße. Das östliche Ende des kreuzenden Wassergrabens endet dort wo heute die Gartenkolonie Wiesengrund liegt… ich vermute mal, das es damals eine sumpfige Wiese war… etwas weiter nördlich fließt der Eschengraben, dessen Wasser noch dazu kommt…

Stand der Einwohner : Im Wedding lebten 150 Personen in 17 Haushalten und im Gesundbrunnen 105 Personen in 23 Haushalten. Diese Haushalte waren bereits damals teilweise Ausländer. Preußen war ja sehr tolerant was Einwanderung betraf (natürlich nicht ganz uneigennützig) und so förderte bereits Friedrich II. (…jeder nach seiner Fasson…) die Ansiedlung von Kolonisten in den Bereichen Reinickendorfer-/Uferstraße und… genau… Koloniestraße…

1816

1816 - Originalausschnitt "Topographischer Plan der Gegend um Berlin ca. 1816" (*historicmaps)
1816 - Ausschnitt mit Orientierungshilfe "Topographischer Plan der Gegend um Berlin ca. 1816" (*historicmaps)

1816 : 14 Jahre später ist nicht viel passiert… der Brunnen heißt seit 1809 Louisenbad der Ort Louisenbrunnen, benannt nach der populären Königin Luise, welche um die Jahrhundertwende einige male vor Ort gewesen war und die Umbenennung der Quelle genehmigte. Unweit der Brunnenanlage ist eine Meierei verzeichnet, mutmaßlich jene, die ein Bürger auf der Karte von 1757 beim ehemaligen Kaninchengarten errichten wollte. 1811 wurde die Mühle an der Panke stillgelegt, 1825 wird sie abbrennen. Vermutlich existieren die Waldstücke nordwestlich der Panke nun auch nicht mehr.

1840

1840 - Originalausschnitt "Urmesstischblatt "Berlin (Nord)" um 1840" (*historicmaps)
1840 - Originalausschnitt "Urmesstischblatt "Berlin (Nord)" um 1840" mit Orientierungshilfe (*historicmaps)

…auch 24 Jahre nach dem letzten Kartenausschnitt hat sich nicht viel getan… man muß schon genauer hinsehen : Die Straße nach Oranienburg heißt seit 1827 Pankstraße. Wedding und Gesundbrunnen bekamen eigene Kirchen (Nazarethkirche & St. Paul), beide von Karl Friedrich Schinkel entworfen und 1835 eingeweiht. Die rote Linie welche mit einem Bogen von oben rechts nach unten links führt stellt den Trassenverlauf der Berlin-Stettiner Bahn dar. Die Strecke wurde an dem hier ersichtlichen Abschnitt 1842 in Betrieb genommen. Bis 1897 fuhr die Bahn quasi neben der Grüntaler Straße und querte die Badstraße an einem beschrankten Übergang. Zwei Ziegeleien sind zu sehen… eine an der Stelle des heutigen Bahnhof Gesundbrunnen und eine an der Stelle der heutigen Eulerstraße/Klever Straße.

1855

1855 - Originalausschnitt aus dem "Plan von Berlin mit dem Weichbilde und der Umgegend bis Charlottenburg" (*historicmaps)
1855 - Ausschnitt mit Orientierungshilfe aus dem "Plan von Berlin mit dem Weichbilde und der Umgegend bis Charlottenburg" (*historicmaps)

…auch die Karte von 1855 zeigt uns das dieser Fleck Erde noch weit davon entfernt ist, eine Großstadt zu werden… auf dieser Karte ist ganz gut zu erkennen, daß die Bebauung kleine ebenerdige Kolonistenhäuser mit Gartengrundstück sind. Ab 1850 siedelten sich nördlich vom Luisenbrunnen an der Panke Gerber an, die es mit dem (damals sicher eh noch nicht sehr strengen) Umweltschutz  nicht so genau nahmen und die Abwässer in den Fluß leiteten was vor allem auf die Luftqualität negativen Einfluss hatte und zum GESUNDbrunnen nicht passen wollte…die Panke wurde zur „Stinkepanke“ und ein berühmter Spruch dieser Zeit war: „Wo die Panke mit Gestanke durch den Wedding rinnt“… Die Straße Richtung Reinickendorf heißt jetzt Schwedenstraße… im Bereich der heutigen Bellermannstraße, etwa Ecke Grüntaler Straße gibt es erste Wohnhäuser und die Ziegelei Johl. Die Stelle an der später die Bornholmer Straße die Bahn überqueren wird ist als Anhöhe zu erkennen.

1866

1866 - Originalausschnitt aus "Neuester Situationsplan von Berlin" (*historicmaps)
1866 - Ausschnitt aus "Neuester Situationsplan von Berlin" mit Orientierungshilfe (*historicmaps)

1866 haben Grüntaler und Stettiner Straße einen Namen, ebenso die Bellermannstraße welche aber nur von der Prinzenallee bis zur Bahntrasse der Stettiner Eisenbahn geht, danach geht der Verlauf als Trampelpfad weiter. Kurz hinter den Schienen geht ein Weg nach links zur Ziegelei von Eduard Johl, es ist keine offizielle Straße aber er wird der Johlsche Weg genannt. In seinem Verlauf wird später die Eulerstraße entstehen. Der Verlauf der späteren Behmstraße ist bereits zu erkennen, nach einer Weile zweigt von ihr die Schwedter Straße ab… an der Stelle wo heute die Behmstrassenbrücke und der Schwedter Steg ist… kleiner Zwischenstand der Bevölkerungsmenge von 1866 : 17.000 Einwohner

1874

Originalausschnitt aus "Neuester Plan von Berlin mit den Königl. Preuss. Standes- und Amtsbezirks-Superintendentur- und Parochie-Grenzen 1874" (*historicmaps)
Ausschnitt von "Neuester Plan von Berlin mit den Königl. Preuss. Standes- und Amtsbezirks-Superintendentur- und Parochie-Grenzen 1874" mit Orientierungshilfe (*historicmaps)

1874… und jetzt geht es aber ab hier… was für ein großer Sprung gegenüber der 8 Jahre zuvor erschienenen Karte von 1866… allerdings mit viel Theorie, denn vieles was wir hier sehen, ist der Plan wie es einmal werden soll. Wir sehen zwei neue Bahnhöfe… von denen 1874 noch keiner fertig war : Gesundbrunnen und Nordbahnhof. Der Bahnhof Gesundbrunnen war seit 1872 Haltepunkt der gerade in Betrieb genommenen Berliner Ringbahn, der Ausbau zum überregionalen Bahnhof folgte erst nach und nach in den folgenden 15 Jahren. Der Nordbahnhof ist nicht mit dem Stettiner Bahnhof zu verwechseln (an dessen Stelle befindet sich heute die S-Bahn Station Nordbahnhof) sondern der Zielbahnhof der Berliner Nordbahn die 1877 von hier aus Richtung Neubrandenburg startete. Wenig später wurde die Strecke für den Personenverkehr dann aber doch zum Stettiner Bahnhof verlegt und der Nordbahnhof wurde zum reinen Güterbahnhof. Vom Nordbahnhof ist wenig erhalten, an seiner Stelle befindet sich heute der Mauerpark. Am berühmten Gleimtunnel über der Gleimstraße kann man noch erahnen, wie viele Schienen dort verliefen. Die beiden Bahnstrecken kreuzten an der Stelle einander, wo heute die S-Bahnbrücke über die Grüntaler Straße verläuft. Auch der künftige Straßenverlauf unserer Gegend deutet sich an… Basis dafür war der Hobrecht-Plan von 1862, der aus den zahlreichen bewohnten Flecken von Berlin und Umland ein grobes System schuf (das ist jetzt mal gaaanz vereinfacht gesagt…) Die heutige Osloer- und Bornholmer Straße wird angedeutet und etliche Straßen haben jetzt einen Namen. Der nördliche Teil der Grüntaler Straße, welcher noch von der Stettiner Eisenbahn getrennt wird hatte auf der linken Seite einen eigenen Namen : Völkerstraße (bis 1910). Etwas Kultur hat auch Einzug gehalten: Weimanns Volksgarten an der Badstraße (da wo heute die Bastianstraße ist) öffnete 1851 und existierte bis 1905… neben Restauration war der Volksgarten Schauplatz von (u.a. jüdischen) Volksfesten. 1889 wurde Weimanns Volksgarten von der benachbarten Adler Brauerei in der Hochstraße gekauft. Die Brauerei produzierte ab 1864 Bier im bayerischen Stil. Im Laufe der Jahre hieß die Brauerei auch Brauerei Karl Gregory und Phönixbrauerei. Etwa 1920 war dann Schluß mit der Brauerei… heute steht ein großes Hotel an dieser Stelle.  Der Humboldthain wurde auch erschlossen…als Parkanlage ohne Bunker. Unten links an der Reinickendorfer Straße nahe der Ringbahn war bereits damals die Feuerwehr stationiert. …dann steht da noch „Der kleine Wedding“… ok, das Vorwerk Wedding mit seinen angrenzenden Ländereien lag etwa an der heutigen Ecke Reinickendorfer-/Weddingstraße und war in dem Sinne der große Wedding. Ein weiterer Hof, etwas kleiner und mit anderen, ständig wechselnden Besitzern lag am Anfang der Reinickendorfer Straße, an der (heutigen) Tristesse namens Weddingplatz.

1882

Originalausschnitt vom "Sineck Situations-Plan von Berlin 1882" (*historicmaps)
Ausschnitt vom "Sineck Situations-Plan von Berlin 1882" mit Orientierungshilfe (*historicmaps)

Die Karte von 1882 zeigt ein wenig was ich bei der letzten von 1874 meinte… viel Planung, wenig Tatsachen. Ein paar mehr Wohnhäuser sind es aber dennoch an Badstraße und Prinzenallee… der Soldiner Kiez (bzw. die Gegend die heute so heißt) bildet sich auch langsam und auch rechts und links der Bellermannstraße ist Zuwachs zu verzeichnen. Noch fährt die Stettiner Bahn mit der Grüntaler über die Badstraße, aber das Gelände um den Bahnhof Gesundbrunnen deutet an, das etwas größeres entsteht… Der Anschluß der Berlin-Wetzlarer Bahn, welche im Volksmund Kanonenbahn hieß und für militärische Zwecke errichtet wurde, spielte nur kurz eine Rolle, bis zur Fertigstellung vom Bahnhof Charlottenburg. Auf dem Gelände das heutzutage der Schwedter Steg überquert, befand sich ein halbringförmiger Lokschuppen. Ein Gleis führt vom Bahnhof Gesundbrunnen um den Humboldthain herum zum Viehmarkt südlich des Humboldthain… wo wenige Jahre später eine der größten Industriestandorte Berlins entstehen wird. Eine Schule befand sich an der (heutigen) Osloer Straße zwischen Freienwalder- und Wrietzener Straße, in der Pankstraße zwischen Gericht- und Wiesenstraße und eine weitere in der zweiten Reihe der Ecke Pank-/Badstraße, etwa da wo heute die Bastianstraße verläuft.

1895

Originalausschnitt vom "Straube Plan von Berlin 1895" (*historicmaps)
Ausschnitt vom "Straube Plan von Berlin 1895" mit Orientierungshilfe (*historicmaps)

Etwas weniger ins Detail geht der Straube Plan von 1895. Die roten Flächen deuten Bebauung an, schraffierte rote Flächen Bahngelände. Gut zu erkennen ist die Entwicklung  des sogenannten „tiefen Wedding“, das ist  der Gegend die heute Brunnenviertel genannt wird. Auf dem Gelände es ehemaligen Viehmarktes westlich der Brunnenstraße entstand ab 1894 mit dem AEG Werk eine der größten Berliner Industriestandorte mit zeitweise 14.000 Beschäftigten… viele von denen wohnten auf der anderen Seite der Brunnenstraße… und das nicht wirklich in komfortabler Art… nein, es waren größtenteils Zustände die wir uns heute kaum noch vorstellen können. Im Jahr 1900 stieg die Einwohnerzahl von Wedding und Gesundbrunnen auf 160.000 Einwohner… 1866 waren es noch 17.000 Einwohner. …zu den Details: Die heutige Osloer Straße bekam 1892 den Namen Christianastraße… benannt nach der norwegischen Hauptstadt und als sich diese 1925 in Oslo umbenannte, änderte man das 1938 auch bei dieser ja sehr großen Straße. Es gab zwei neue Gotteshäuser : die Himmelfahrtskirche von August Orth am Humboldthain (im Krieg zerstört) und St. Sebastian für die katholische Gemeinde am Gartenplatz (knapp unterhalb unseres Kartenausschnittes.)

1905

Originalausschnitt vom "Sineck Situations-Plan von Berlin 1905" (*historicmaps)
Ausschnitt vom "Sineck Situations-Plan von Berlin 1905" mit Orientierungshilfe (*historicmaps)

Beim Sineck Situations-Plan von 1905 kann man gut unterscheiden was schon steht und was geplant ist, letzteres wird rot dargestellt und gerade im östlichen Bereich von Grüntaler und Bellermannstraße ist da einiges rot, genau wie im Nachbarbezirk Prenzlauer Berg… Berlins Einwohnerzahl ging zu dieser Zeit immer weiter in die Höhe… die Leute kamen vom Land wegen der Arbeit in die Stadt und brauchten dringend Unterkunft. Die Gleise der Stettiner Bahn wurden 1897 in das Gleisbett der anderen Bahnen am Gesundbrunnen verlegt. Die Badstraße wurde somit ihre lästige, unfalllastige Bahnschranke los. Im gleichen Jahr wurde das Empfangsgebäude des Bahnhofs erbaut… mittlerweile hielten neben der S-Bahn auch Vorortszüge und Fernverkehr am Berliner Nordkreuz. 1905 wurde die Swinemünder Brücke über den Gleisanlagen des Bahnhofs fertiggestellt. Die Brücke ist mit 228 Metern 100 Meter länger als die ähnliche, deutlich bekanntere Glienicker Brücke zwischen Berlin und Potsdam. Auf Grund ihrer ausufernden Baukosten (…ja, sowas gabs auch früher schon) heißt sie im Volksmund Millionenbrücke.

Millionenbrücke 1906 (Foto von Max Missmann) Im Hintergrund die unbebaute Gegend nördlich der Behmstraße, rechts die Behmstraßenbrücke. Die Häuser auf der linken Seite sind in der Wriezener Straße, die Stephanuskirche an der Soldiner Straße und die Häuser etwas weiter rechts gehören zur Grüntaler Straße. Vom linken Brückenbogen verdeckt ist der Schebera Sportplatz welcher seinerzeit bereits von Hertha angemietet war.

Auf dem Brunnenplatz zwischen Panke und Pankstraße entstand das Amtsgericht Wedding im neogotischen Stil… nicht gerade bescheiden wirkend. An der Rückseite des Gerichtes, auf der anderen Pankeseite lag das große Straßenbahndepot, erst für Pferdebahnen, später für elektrische Bahnen. Das fabrikähnliche Gelände wird heute hauptsächlich von Künstlern genutzt (Uferhallen/Uferstudio). Die 1833 gegründete Tresorfabrik von Simon Joel Arnheim siedelte sich Anfang der 1890er Jahre an der Badstraße 40-41, direkt an der Panke an. Für den Bau der Fabrik wurde der westliche Pankearm zugeschüttet und ein markantes Backsteinhaus an der Badstraße wurde als Wohnhaus für Mitarbeiter der Firma errichtet. Nicht auf der Karte verzeichnet aber seit 1890 in der Osloer Straße 12 ansässig war die Maschinenfabrik Albert Roller welche Maschinen für die Herstellung von Zündhölzern herstellte (heute Kindermuseum und Nachbarschaftsetage). Eine neue evangelische Kirche entstand bis 1904 an der Kreuzung Prinzenallee/Soldiner Straße. Für die Stephanuskirche war ursprünglich war als Bauplatz das nunmehr freie Gelände der Stettiner Bahn an der Grüntaler Straße vorgesehen… das zerschlug sich aber. Auch die Katholiken bekamen ein neues Gotteshaus in der Bellermannstraße… die Petruskirche wurde 1906 eingeweiht.

1914

Originalausschnitt vom "Baedeker, Großer Streifenplan von Berlin, 1914" (*historicmaps)

…ab hier braucht es keine Orientierungshilfen mehr… die städtebauliche Situation entspricht im Wesentlichen der heutigen…

…das erste was man zum Jahr 1914 in Bezug auf unsere Geschichte a la map erwähnen sollte, ist die Einwohnerzahl von Wedding und Gesundbrunnen… eben noch (1900) bei 140.000 Einwohnern, liegen wir 14 Jahre später bereits bei 251.000 Einwohnern… nur mal zur Erinnerung… 1820, also weniger als 100 Jahre davor, lebten 350 Einwohner in diesem Gebiet… Das Haus in dem ich gerade diesen Blog schreibe, die Jülicher Straße 4 wurde 1910 erstbezogen, gemeinsam mit dem asymmetrischen Zwilling Eulerstraße 8. Der Rest der Straße wird erst einige Jahre später bebaut, es ist Krieg und danach das Geld knapp… das Gebiet östlich der Jülicher Straße sollte genauso erschlossen werden, man sieht wie die Straßen projektiert waren, aber dazu kam es nicht mehr.  1914 wurde das jüdische Krankenhaus zwischen Exerzier- und Schulstraße vollendet. Aus dem Kraftwerk Golpa-Zschornewitz in Sachsen führte ab 1914 eine Hochspannungsleitung durch See- und Osloer Straße. In der Osloer Straße (welche damals noch Christianastraße hieß) 116a wurde hinter einer Wohnhausähnlichen Fassade die Fabrik von Hasse und Wrede errichtet. Die Firma stellte Maschinenbauteile her und später auch Rüstungsgüter. In dem Komplex ist heute ein Hotel. Nicht mit verzeichnet sind die Sportplätze am Bahnhof Gesundbrunnen und die Schule in der Ellerbecker Straße… obwohl durchaus zu der Zeit bereits existent…Der erste Weltkrieg stoppte die rasante Entwicklung der Gegend, gebaut wurden hauptsächlich noch bereits begonnene oder geplante Projekte.

1920

Kiessling Grosser Verkehrs-Plan von Berlin 1920 (*historicmaps)

Nach dem Ende des ersten Weltkriegs gingen die Stadtteile Wedding und Gesundbrunnen in den Großberliner Bezirk 3 namens Wedding auf. Der Bezirk war inzwischen eine Großstadt in der Großstadt… mit  361.074 Einwohnern war Wedding so groß wie damals Stuttgart und nach Kreuzberg der einwohnerreichste Stadtbezirk. Das wichtigste neue Bauwerk ist die Hindenburgbrücke welche die Bornholmer Straßenteile von Wedding und Prenzlauer Berg verbindet. 1916 wurde die Brücke fertiggestellt. Sie heißt seit 1948 Bösebrücke und wurde 1989 weltberühmt als dort als erstes die innerdeutschen Grenzschranken fielen. Sie hieß zu keiner Zeit Bornholmer Brücke.

1933

Ausschnitt vom Silva Stadtplan von Berlin 1933 (berliner-stadtplansammlung.de)

Die politische Landschaft im Wedding lag 1931 noch etwa so : Kommunisten : 42%; Sozialdemokraten :  28%; Nationalsozialisten : 8,8%… der Wedding war also nicht braun sondern rot, leider spielte das nach der Machtergreifung Hitlers keine Rolle mehr. Der Silva Stadtplan von 1933 zeigt letztmalig viele Details, auch von Eisenbahnstrecken und Industrieanlagen. Diese Details wurden später ausgespart um den Kriegsgegnern nicht unnötig viele Informationen zu bieten. Neu ist die U-Bahn Gesundbrunnen – Neukölln (heute U8). Ursprünglich als Schwebebahn geplant, setzte sich dann aber die Variante der Untergrundbahn durch. Durch die zusätzliche Option wurde der Bahnhof Gesundbrunnen einer der größten und wichtigsten Berliner Bahnhöfe. Auf der Karte sind nun auch die Fußballplätze von Hertha und NNW zu sehen. Die Brauerei Groterjan in der Prinzenallee entstand und produzierte Malzbier.

1942

Ausschnitt vom Silva Stadtplan von Berlin 1942 (berliner-stadtplansammlung.de)

…von der Sache her ist 1942 fast alles wie 1933… wie bereits erwähnt fehlen wichtige Informationen zur Infrastruktur, etwa der Güterbahnhof der Nordbahn und das AEG Industrieareal an der Brunnenstraße. Noch vor Kriegsbeginn wurde die Nordsüd S-Bahn fertiggestellt und brachte mit Bornholmer Straße und Humboldthain zwei neue Bahnstationen in den Bezirk. Im Herbst 1940 gab es erste britische Luftangriffe mit Zerstörungen im Weddinger Gebiet. 1941 bis 1942 wurden im Humboldthain zwei große Hochbunker mit Flakturm errichtet. Ab 1943 häuften sich intensive Luftangriffe auf Berlin und legte auch große Teile von Wedding und Gesundbrunnen in Schutt und Asche. Ab April 1945 kamen zu den Bomben nun auch noch Granaten und Straßenkampf dazu. Neben tausenden Todesopfern und Schwerverletzten war die Infrastruktur komplett zerstört… von daher ist die Karte bereits bei Erscheinung nur noch ein Rückblick auf vergangene Zeiten.

1948

Ausschnitt vom Patent-Stadtplan mit Darstellung aller Teil- und Totalzerstörungen Berlin (berliner-stadtplansammlung.de)
Legende vom Patent-Stadtplan mit Darstellung aller Teil- und Totalzerstörungen Berlin (berliner-stadtplansammlung.de)

Der Falk Patentplan von 1948 unterscheidet unzerstörte, teilzerstörte und totalzerstörte Gebäude. Besonders im Bereich des Humboldthain ist viel rot zu sehen, was besonders am Flakturm lag aber auch an den nahen Industrieanlagen an der Brunnenstraße. Im Humboldthain gab es keinen Meter Holz mehr, alles wurde in der Not verheizt. Der Verlust der Grünanlage bot als neue Möglichkeit die enormen Massen von Trümmerschutt zu sammeln. Der Hochbunker ließ sich nur zum Teil sprengen, mit Rücksicht auf die wichtigen Bahnanlagen blieb ein Teil davon stehen und wurde mit Trümmern aufgeschüttet und später begrünt. Wedding und Reinickendorf wurden zur französischen Besatzungszone.

Humboldthain 1950... der Hochbunker wird mit Trümmerschutt aufgefüllt, im Hintergrund der Bahnhof Gesundbrunnen, die zerstörte Millionenbrücke, links daneben das Herthastadion, die Schule in der Ellerbecker Straße und das NNW Kasino. Sammlung Berliner Unterwelten

1954

Ausschnitt vom Schwarz Stadtplan von Berlin 1954 (berliner-stadtplansammlung.de)

1954 ist Berlin geteilt aber noch nicht vermauert. Die Grenznähe macht die Gegend um den Bahnhof Gesundbrunnen zum wichtigen Warenumschlagplatz für Waren aller Art, auch der Schwarzmarktgeschäfte. Die Badstraße ist eine der größten Einkaufsstraßen Berlins, manche nennen sie den „Ku-Damm des Nordens“. Der Humboldthain ist wieder aufgeforstet, ein Freiluftbad wurde im Park errichtet. Der heutige Luise Schröder Platz hieß noch Oskarplatz und die Seestraße bog bis 1957 an dieser Stelle Richtung Reinickendorf ab (heute Reginhardstraße). Rechts und links des Bahnhof Bornholmer Straße befinden sich die Endhaltestellen der Straßenbahnlinien 3. Die U-Bahnlinie 8 endet am Bahnhof Gesundbrunnen.

Markt am Bahnhof Gesundbrunnen. Im Hintergrund die Häuser der Behmstraße. An dieser Stelle befindet sich seit 1997 das Gesundbrunnencenter. Foto ca. 1960 (Postkartenmotiv)

1975

Ausschnitt vom Schwarz Stadtplan von Berlin 1975 (berliner-stadtplansammlung.de)
Stadtbezirk Wedding (Ostgrenze) Mauerverlauf (dicke pinkfarbene Linie). Ausschnitt vom Schwarz Stadtplan von Berlin 1975 (berliner-stadtplansammlung.de)

Um die Veränderungen in unserer Gegend gegenüber der Karte von 1954 richtig verstehen zu können, muß man etwas über die Grenzen des bislang abgebildeten Gebietes hinausgehen… wobei das Wort Grenze dabei eine große Rolle spielt… Ab 13.08.1961 war unsere Gegend von einem zum anderen Tag eine völlig andere. Die Mauer wurde errichtet (obwohl laut Ulbricht ja knapp zwei Wochen davor ja bekanntlich niemand die Absicht hatte) Der Stadtbezirk Wedding, der ja immer mitten in der Stadt lag war plötzlich das Ende der Welt… im Amtsdeutsch Westberliner Sektorenrandgebiet. Im zweiten Kartenausschnitt ist gut zu erkennen, das die Mauer etwa ein Viertel der Grenze des Stadtbezirks Wedding ausmachte… rechnen wir das auf den heutigen Ortsteil Gesundbrunnen runter (um den es ja hier geht), so kommen wir auf etwa die Hälfte. Das hatte natürlich Auswirkungen auf das ganze Leben im Bezirk… wo gerade noch Einkaufsmeilen und Märkte blühten war jetzt tote Hose… die gesamte Gegend fiel in einen fast 30jährigen Dornröschenschlaf. Der sonst so wichtige Bahnhof Gesundbrunnen hatte nunmehr die Funktion einer wenig genutzten S-Bahnhaltestelle… nur die U-Bahnlinie 8 hatte noch größere Bedeutung… die Bahnhöfe im Ostsektor waren Geisterbahnhöfe, aber die Linie Neukölln- Gesundbrunnen lebte und war wichtig… so das sie erweitert wurde… 1977 bis zur Osloer Straße, wo auch ein Jahr früher die U-Bahnlinie U9 Richtung Steglitz in Betrieb genommen wurde. So entstanden völlig neue Infrastrukturen in der geteilten Stadt.

1990

Stadtbezirk Wedding (Südostgrenze) Mauerverlauf und neuen Grenzübergängen (rote Punkte). Ausschnitt vom Stadtplan von Berlin (West) vom VEB Tourist Verlag 1990 (berliner-stadtplansammlung.de)

Genau so plötzlich wie die Mauer kam, ging sie auch wieder… und zwar genau in unserem Kartenausschnitt am Grenzübergang Bornholmer Straße wurde am 09.11.1989 Geschchte geschrieben… die Mauer fiel und die Grenze war wieder geöffnet. Die Karte von 1990 stammt von einem Verlag aus der DDR und zeigt die Situation nach Mauerfall vor der deutschen Wiedervereinigung am 03.10.1990. Wir sehen Grenzübergangsstellen an der Bornholmer Straße, Bernauer Straße und Chausseestraße… etwas nördlicher wäre noch Wollankstraße (außerhalb des Ausschnittes). Der Geisterbahnhof Bernauer Straße (U8) ist noch nicht wieder in Betrieb verzeichnet (was aber noch im Laufe des Jahres geschah), der S-Bahnhof Bornholmer Straße ist hier ebenfalls noch nicht wieder im Betrieb und die S-Bahnhöfe der Ringbahnlinie haben auch noch einige Jahre Dornröschenschlaf vor sich…

2021

2021... OpenStreetMap.org

Willkommen in der Gegenwart. Vor 20 Jahren gab es eine Berliner Bezirksreform, unsere Gegend heißt wieder Gesundbrunnen, den Bezirk Wedding gibt es nicht mehr und verwaltungstechnisch gehören wir zum Bezirk Mitte. Der Ortsteil Gesundbrunnen hat derzeit eine Einwohnerzahl von etwa 94.000… das ist etwa so viel wie Schwerin, Gera oder Flensburg… allerdings auf einer Fläche von etwa 6,13 qkm… macht dann etwa 15,5 Tausend Einwohner pro Quadratkilometer… damit einer der am dichtesten besiedelten Gebiete Berlins und auch der Migrationsanteil ist hoch… 38,1% (Einen Migrationshintergrund haben 64,2 % der Einwohner von Gesundbrunnen) (Quelle: Wikipedia) Seit 1995 fährt wieder die Straßenbahn über die Bornholmer Straße Richtung Seestraße, die Ringbahnlinie wurde 2002 wiedereröffnet. Der Bahnhof Gesundbrunnen ist wieder einer der wichtigsten Bahnhöfe der Stadt und bekam bis 2016 ein neues, offenes Bahnhofsgebäude. Direkt am Bahnhof liegt das 1997 eröffnete Gesundbrunnen-Center mit etwa 25.000 qm Verkaufsfläche.

 

…wird ergänzt und fortgesetzt…

Die Gaststätte in der Jülicher Straße 4​

Am 01. Juni 1910 wird die Straße 5a / Abteilung IX in „Jülicher Straße“ benannt. Zu dieser Zeit entstehen die Häuser Jülicher Straße 1 und 2 (heutige Tankstelle und Neubau aus den 1990ern) und Jülicher Straße 30 (gegenüber)… etwas weiter Richtung Bahnhof Gesundbrunnen entstehen die asymmetrischen Häuser Jülicher Straße 4 und Eulerstraße 8, welche mit einem Seitenflügel miteinander verbunden sind. Bauherr ist die Norden Terraingesellschaft Berlin. Das Haus Jülicher Straße 4 wird das erste Haus der Straße, was bezogen werden kann. Der Rest der Gegend dürfte recht kahle Sandlandschaft gewesen sein… mit vielen Baustellen von den wachsenden Stadtvierteln Gesundbrunnen, Wedding und Prenzlauer Berg (…das waren auch damals nur wenige hundert Meter… erst ab 1916 mit Brücke über die Bornholmer Straße…) Die Berliner Adressbücher von 1911 verzeichnen die ersten Einträge  für das Haus Jülicher Straße 4. Es werden 10 Mieter und Gastwirt Friedrich Wehrhahn aufgelistet. Da die Adressbücher stets die Daten des Vorjahres publizieren, darf 1910 als die Geburt der Gaststätte Jülicher Straße 4 vermerkt werden.

1910 Friedrich Wehrhahn wird erster Gastwirt der Jülicher Straße. Wehrhahn betrieb bis 1909 ein Lokal in der Augustastraße 19 (heute Blissestraße) in Berlin Wilmersdorf.  Das Lokal dürfte in der noch dünn besiedelten Gegend mit vielen Baustellen eine Oase gewesen sein. Friedrich Wehrhahn verstarb warscheinlich 1916, im Adressbuch von 1917 ist die Witwe Ernestine Wehrhahn (geb. Knüppel) als Gastwirtin notiert… die kommenden zwei Jahre gibt es zumindest in den Adressbüchern keine Auskunft über das Lokal. Die Anwohner werden es für die kurze Zeit verschmerzt haben… die Jülicher Straße hatte 1918 sechs bewohnte Häuser… von denen hatte immerhin die Hälfte eine Kneipe… Hedwig Reimann in der Jülicher Straße 1, Emil Bock in der Nummer 2 und Franz Schwarzkopf in der Jülicher Straße 8. Weitere Möglichkeiten gab es freilich in der Eulerstraße und der Grüntaler Straße. Man muß wissen das die Kneipe damals einen ganz anderen sozialen Stand hatte als heutzutage… die Menschen hausten in der Regel in völlig überfüllten Wohnräumen… mit Kind und Kegel, in Stube und Küche… da verbrachte man doch lieber die wenige Freizeit in der Gastwirtschaft.

Die Kneipen der Jülicher Straße und ihrer Nachbarstraßen hatte neben dem Tagesgeschäft noch ein Ass im Ärmel: sie lagen nur einen Steinwurf vom Zentrum des Berliner Fußballs entfernt. Seit 1902 verpachtete der Gastwirt Josef Schebera Flächen am Bahnhof Gesundbrunnen an Sportvereine… es begann mit einer Eisbahn, dann kam BFC Hertha 1892 (heute Hertha BSC) und später die seinerzeit etwa gleichstarken „Nordens“… der heutige SV Norden-Nordwest (NNW). In den 1920-30er Jahren waren also gleich zwei Fußball Schwergewichte auf den Sportplätzen der Ecke Behmstraße/Bellermannstraße/Jülicher Straße zuhause. Der Glanz von NNW erlosch bereits in den 1930ern, Hertha dagegen feierte die deutschen Meisterschaften 1930 und 1931 zünftig vor Ort und spielte lokal gesehen noch bis Mitte der 1970er Jahre eine Rolle in der Gegend… das Ass im Ärmel der Wirte waren natürlich die durstigen Massen der Zuschauer vor und nach den Spielen… Zeitzeugen berichteten mir das kurz auf Sicht ordentlich vorgezapft wurde um den Ansturm zu bewältigen…

1919 übernimmt Wilhelm Puhle die Schankwirtschaft, er hatte vorher ein Lokal in der nahen Stettiner Straße 36.

In den kommenden Jahren wurde die Jülicher Straße weiter erschlossen, die Gesellschaft für Bahnen & Tiefbauten (ein Vorläufer der heutigen Gesobau AG) baute bis 1930 die Häuser Jülicher Straße 3 und 3a auf der einen , sowie 20 bis 29 auf der anderen Straßenseite (12 Aufgänge), die Reichsbank (ein Vorgänger der heutigen Bundesbank) baute die Häuser Nr. 7, 9 und 9a, die Gemeinnützige Märkische Baugenossenschaft errichtete die Häuser Nr. 6 und 6a… auch in den Nebenstraßen wurde fleißig gebaut… Das Gelände östlich der Jülicher Straße was heute im Besitz der Kolonie Sandkrug ist, sollte ursprünglich ebenfalls bebaut werden… Wirtschaftskrise und zweiter Weltkrieg verhinderten das.

Die Jülicher Straße um 1930 mit Tram. Neben der Litfaßsäule die Gastwirtschaft.

 

Seit 1933 wurde die Gaststätte unter dem Namen Berta Puhle betrieben. Berta führte das Lokal wie vorher ihr Mann Wilhelm – 14 Jahre unter ihrer Regie. In ihrer Zeit regierte Nationalsozialismus und zweiter Weltkrieg. Wedding und Gesundbrunnen waren zu dieser Zeit eher als Hochburg der Kommunisten bekannt (Roter Wedding)… über diese Zeit in Bezug auf die Gaststätte ist mir (bis jetzt) nichts bekannt. Erwin Puhle ist von 1948 bis 1953 verzeichnet… In welcher Konstellation die Puhles standen ist mir nicht bekannt, es sollte mich aber nicht wundern, wenn Erwin der Sohn von Wilhelm und Berta war… Fakt ist… das die Gaststätte mindestens 34 Jahre von der Familie Puhle geführt wurde… das ist mal eine Hausnummer… und nicht zu vergessen : in dieser Zeit war der zweite Weltkrieg und Berlin danach ganz tief am Boden…

Gastwirtschaft Berta Puhle in der Jülicher Straße 4 am 07.06.1942

Die Gegend um den Bahnhof Gesundbrunnen wurde im Krieg stark beschädigt. Viele Luftangriffe galten den Industriestandorten in der Brunnenstraße. Der Hochbunker mit Flakturm am Volkspark Humboldthain zog die Zerstörungen ebenfalls an. Viele Gebäude wurden zerstört und später durch Neubauten ersetzt. Die Jülicher Straße kam vergleichsweise glimpflich davon. Nur die Häuser Nr. 1 und 2 wurden Opfer des zweiten Weltkriegs. Auf den Grundstücken der zerstörten Häuser befand sich viele Jahre ein Gewerbehof für Brennstoffe, also Kohlen und Heizöl… aber auch ein Fuhrunternehmen der Brennstoffhändlerin Käthe Heinrich und ein Stand für Obst und Gemüse. In den 1970ern wurde eine Shell Tankstelle eröffnet und in den 1990ern wurde ein neues Wohnhaus auf der Fläche errichtet.

In der Nachkriegszeit gab es neben unserer Schultheißkneipe in der Jülicher Straße noch eine Gastwirtschaft in der Nummer 8 sowie das Hertha/NNW Kasino in der Nummer 14.

Ab 1954 war Frieda Ziegan als Gastwirtin verzeichnet. Unter der Adresse Jülicher Straße 4 firmierte anfangs ebenfalls ihr Ehemann Paul Ziegan mit seiner Schneiderei. Nach Aussagen eines ehemaligen Gastes war die Gaststätte im hinteren Bereich zu einer Schneiderei umfunktioniert worden… wer also auf die Toilette wollte, ging durch einen schweren Vorhang der den Laden abtrennte und lief durch die Schneiderei zum WC. Ziegan führte die Gastwirtschaft bis 1960.

Bis zum Mauerbau 1961 war die Gegend um den Bahnhof Gesundbrunnen ein sehr lebendiges Viertel, besonders rund um die Bad- und Brunnenstraße. Viele Einwohner aus dem nahen Ostsektor nutzten die zahlreichen Einkaufsmöglichkeiten am Gesundbrunnen… der Bahnhof war ein Drehkreuz von Personen und Waren Berlins und des Umlandes… die Badstraße wurde sogar als „Ku-Damm des Nordens“ bezeichnet… Das alles änderte sich ab dem 13.08.1961 schlagartig, die Mauer wurde gebaut und besonders der östliche Teil des Gesundbrunnens rund um die Jülicher Straße wurden zum Stadtrandgebiet… offizielle Bezeichnung : Westberliner Sektorenrandgebiet… und das sollte die Gegend für die nächsten 40 Jahre prägen…

1961 – 1968 ist Maria Höpfner als Gastwirtin verzeichnet. Quellen dazu sind die Berliner Adressbücher und Telefonbücher… 1969 und 1970 fehlen (zumindest derzeit) Aufzeichnungen über Besitzer des Lokals. Die Jülicher Straße war zu dieser Zeit eine kleine unbedeutende Straße nahe der Berliner Mauer. Der Bahnhof Gesundbrunen war nur noch Haltepunkt von U- und S-Bahn (ohne Ringbahn).

Wer ab 1971 die Telefonnummer 030-4619311 wählte, der wurde mit der Gaststätte von Günter und Rosemarie Kaßan verbunden. Das Ehepaar was auch in der Jülicher Straße wohnte, führte die Schultheiß-Kneipe 10 Jahre lang.

Bauern Stube Silvester 1983-84

1981 entstand ein Mietvertrag zwischen dem Vermieter Peter Haltenhoff und Horst Siebrand, welcher die Gaststätte bis 1999 verpachtete.
1981 bis 1996 wurde die Schankwirtschaft an Monika John verpachtet, die letzten ca. 2 Jahre an deren Sohn Michael John.

Am späten Abend des 09.11.1989… es war ein stinknormaler Donnerstag… kurz vorm Schließen der Kneipe, kamen plötzlich Leute aus dem Ostteil in den Laden… gerade war die Mauer an dem Grenzübergang Bornholmer Straße gefallen… die erste Kneipe die auf dem Weg in die neue Freiheit von der Bornholmer Straße aus zu sehen war, war die Gastwirtschaft von Monika John… quasi erste Kneipe der Freiheit (!)… ich habe noch viele Leute kennenlernen dürfen, die von einer rauschenden Nacht berichteten…

In den 1990er Jahren zog der Dartsport in die Bauernstube ein. Es gründeten sich verschiedene Mannschaften für den traditionellen Steeldart, es gab häufig Turniere, einige Gäste spielten in der Bundesliga. Das Lokal hieß „Bauernstube“ und war immerhin auch 15 Jahre Familienbesitz…  danach folgten einige kurze Gastspiele :

1997 Rita und Herbert Tomberger
1998 Silvia Hoffmann
1999 Jürgen Wiek und Andreas Herrmann. Unter letzteren entstand der Name „Offside“ und die Weichen von der Schultheiß-Kneipe zum Pub wurden gestellt… Fußballübertragungen wurden eingeführt.

Das Offside im Jahr 2000. Die Außenreklame stammt noch vom Vorgänger.

2000 : Am 01.03.2000 übernahm Lars Pechmann (…ja, das bin ich)…das Lokal. Die ersten Jahre wurde versucht Livemusik zum erfolgreichen Repartoire zu machen, was aber nicht gelang… auch wegen Ärger bezüglich der Lautstärke…  Steeldart war weiterhin beliebt aber nur noch just for fun… Die ersten 10 Jahre waren wirklich keine Erfolgsgeschichte, trotz des Mauerfalls war die Gegend wenig attraktiv, der Laden ein paar hundert Meter weiter Richtung Prenzlauer Berg wäre sicher erfolgreicher gewesen. Zum Glück ändern sich die Dinge in einer Stadt wie Berlin auch ab und zu mal… der Bahnhof Gesundbrunnen wurde mit Ringbahn und Fernverkehr wieder zum beliebten Verkehrsknotenpunkt und viele Leute bemerkten, das es sich in unserer Gegend auch gut und vor allem zentral leben lässt… und so änderte sich die Zusammensetzung der Einwohner und das vor allem zum Vorteil des Pubs. Der Name Offside wurde 2003 mit „Pub & Whisky Bar“ ergänzt… Whisky wurde zu einem neuen Schwerpunkt. Es etablierten sich Whiskytastings und ein Whisky Stammtisch. 2015 wurde das Offside mit dem Titel „Germanys Best Whisky Bar“ ausgezeichnet.

...2015 gabs eine Auszeichnung für die Whiskysammlung...

Noch vor den Feierlichkeiten des 10jährigen Jubiläums wären hier beinahe die Lichter ausgegangen… zum Glück trat Nina, meine heutige Ehefrau auf die Bildfläche und mit nunmehr gemeinsamer Arbeit konnte das Projekt gerettet werden. Seitdem laufen einige Sachen anders und vor allem erfolgreich. Inzwischen sind wir ein Team von 6 Leuten… Xander ist sogar schon über 10 Jahre dabei…eine Ewigkeit in der Branche…

Die Jülicher Straße liegt nun nicht mehr am Stadtrand… man kennt sie hauptsächlich als Durchfahrtsstraße zwischen der Bornholmer Straße und dem Gesundbrunnencenter. Vom Wesen her hat sie sich wenig verändert, außer vorne rechts… das ehemalige Hertha/NNW Kasino wurde nach Jahrzehnten des Verfalles zum Hostel umgebaut. Auf den Fundamenten einer Bauruine aus den 1990ern entstand daneben ein Hotel und ein Haus mit Studentenapartments… nicht die schlechteste Option für das Umfeld.

Am 01.03.2020 konnte das 20. Jubiläum gefeiert werden… wenige Tage später kam die Coronakrise und das Lokal mußte über mehrere Monate geschlossen werden. Seit Juni 2020 ist das Offside auch offiziell Nichtraucher Bar. Im Juni 1921 ging der Barbetrieb mit strengen Corona Auflagen weiter. 2023 mußte das Offside an mehreren Wochen zwei Tage  schließen da ein akuter Personalmangel bestand. Vorläufig (Stand Ende 2023) bleibt mit Montag ein fester Schließtag bis auf weiteres erhalten.

Musik 2021

BEST OF 2021 - TOP 10

PLATZ 10 : IDLES  „Crawler“

…auch der Nachfolger vom letztjährigem Album „Ultra Mono“ hat es wieder in meine Top 10 geschafft… diesmal nicht ganz so offensiv und weniger politisch, trotzdem fast durchgängig rabenschwarze Stimmung mit richtig dröhnenden Bässen. Mit der Single „The Beachland Ballroom“ kommt sogar etwas Soul ins Spiel und man staunt wie Joe Talbot singen kann…

PLATZ 09 : DEAN WAREHAM „I Have Nothing To SayTo The Mayor Of LA“

Die Stimme von Dean Wareham verfolgt mich mittlerweile auch schon gut mein halbes Leben… erst bei Galaxie 500, vor allem mit Luna aber auch zusammen mit seiner Frau Britta Philipps… nun solo, aber natürlich mit Band und so klingt auch alles sofort vertraut. Warehams Stimme gibt einen ein heimeliges Gefühl und „Cashing In“ ist ein Popsong für den viel bekanntere Musiker töten würden…

PLATZ 08 : QUIVERS „Golden Doubt“

Quivers sind Australier… zwei Frauen, zwei Männer : Schlagzeug, zwei Gitarren, Bass und jeder singt… sie haben das Album „Out Of Time“ von R.E.M. als Ganzes gecovert… nicht die schlechteste Wahl was Einflüsse der Band angeht, viel näher aber stehen Quivers in der Tradition einer anderen australischen Band : The Go-Betweens. Das wiederum war immer eine meiner liebsten Bands… schön das sich noch jemand um diese Musik kümmert…

PLATZ 07 : SOPHIA KENNEDY „Monsters“

Ein Album was man schwer mit einem Satz erklären kann… Beats, Jazz, Cabaret, Electronic, Pop ?… irgendwie von allem etwas, manche Stücke sind spooky dunkel, bei anderen wippt das Tanzbein… tolle zweite Platte der Deutschamerikanerin.

PLATZ 06 : INTERNATIONAL MUSIC „Ententraum“

Für mich das beste deutschsprachige Album 2021… viel gaga, aber coole Musik… wer braucht noch Tocotronic ?

PLATZ 05 : MASTODON  „Hushed And Grim“

Kaum eine Band von der eher harten Seite des Rock begeistert mich in den letzten Jahren wie Mastodon. Ihr aktuelles Doppelalbum ist freilich keine leichte Kost und will Stück für Stück erkundet werden… und das lohnt sich, alle vier sind sehr gute Musiker, Songwriter und Sänger… am Ende passt das auch gut zusammen… irgendwo auf halben Weg zwischen Progrock und Metal.

PLATZ 04 : MOGWAI  „As The Love Continues“

Vieles was gerade von Mastodon geschrieben wurde trifft auch irgendwie auf Mogwai zu… nur sind die eher im Postrock zuhause und Gesang kommt bei der Band eher selten vor… entscheidend ist der Sound, die Atmosphäre… was sie live fast unsterblich macht. Ein weiterer Meilenstein in der Discographie der Schotten…

PLATZ 3 : KILBEY KENNEDY  „Jupiter 13“

Steve Kilbey muß ich glaube ich an dieser Stelle nicht erst vorstellen, schließlich ist er seit 40 Jahren Frontmann meiner Lieblingsband The Church. Die Band pausiert derzeit, neues Material (es soll wohl die letzte Platte werden) soll 2022 kommen. Das Konzeptalbum „Jupiter 13“ was er mit Martin Kennedy (All India Radio) aufgenommen hat, ist aber kein bisschen schlechter als ein The Church Album.  Es gibt eine Story welche man in diesem Video erfahren kann… aber keine Angst… es ist nix abgedrehtes oder irgendwas was einem überfordern könnte… nur gewohnt sehr gute Songs. Im Titelstück spielt mein Freund Stefan Horlitz ein Pianosolo… es ist der einzige Song mit Überlänge und er bringt vieles von der Platte auf den Punkt.

PLATZ 02 : DEAFHEAVEN  „Infinite Granite“

Deafheaven kannte ich bereits vom Hörensagen… hab auch mal hie und da in die Alben reingehört… da war vieles gut und interessant von der Musik her… nur das Gegröhle des Sängers war dann schon zu viel für mich… war halt Black Metal mit einem Hauch Shoegaze… Als drei Vorabsongs vom neuen Album veröffentlicht wurden war ich dann verblüfft… nach ein paar Takten fing jemand an ganz normal zu singen… und das zu bester Dreampop / Shoegaze Mischung mit nur noch kleinen Klecksen von Metal. Man nehme eine Mischung aus Slowdive, Ride und Mogwai… und heraus kommt „Infinite Granit“… die Metalfans waren übrigens weniger begeistert… für mich war es die zweitbeste Platte des Jahres.

PLATZ 01 : FRØKEDAL & FAMILIEN  „Flora“

Auf Anne Lise Frøkedal stieß ich 2018 zum ersten mal im Autoradio, es lief die Single „Believe“ bei radioeins (wo sonst…), schnell fand ich Gefallen an der poppigen Folknummer und auch Jahre später noch ist dieser Song der meistgespielte Song im Offside. Weitere Singles wie „I Don’t Care“ oder „Treehouse“ wurden ebenfalls Offside Playlist-Hits. Anfang dieses Jahres kam nach über zwei Jahren endlich ein Lebenszeichen der Norwegerin, die Single „Søn“… sie passte in die Zeit, der zweite Lockdown war im vollen Gange, das Offside im Dornröschenschlaf und draußen alles grau und dunkel… etwa wie in Norwegen zu dieser Jahreszeit auch… nur war dieses Jahr nicht das Wetter das Problem… „I’m letting go to the sunlight“… musikalisch recht nahe am Stil ihrer Band I Was A King… Gitarrenpop a la Teenage Fanclub oder Robyn Hitchcock… mit beiden ist man freundschaftlich verbunden und musiziert gelegentlich zusammen.

Gut einen Monat später kam das zweite Stück des Albums raus, es heißt „Takedown“ und war bei mir Liebe auf dem ersten Takt… viel ruhiger als „Søn“, aber filigraner und die absolute Illustration des Lockdowns… zumindest in meinem Kopf. Das Video dazu zeigt die Band (man nennt sich neuerdings Frøkedal & Familien) bei der Aufnahme des Songs… alle Stücke wurden live im Studio in 10 Tagen eingespielt. Bereits im März war ich der Meinung nach „Takedown“ kann dieses Jahr eigentlich nix mehr kommen… mit dem Lied bin ich eingeschlafen und wieder aufgewacht… warscheinlich war es die ganzen Nächte an…

Wieder einen Monat später (mittlerweile April) kam das dritte Lied in die Öffentlichkeit : „Set Your Spirit Free“… und siehe da… draußen wurde Frühling und ein Ende der dunklen Zeit schwebte am Horizont… das Lied selbst sprüht auch nur so von Optimismus… es ist recht folkig und steigert sich von Strophe zu Strophe zu einer Mitsinghymne… in einer gerechten Welt wäre der Song ein Hit in den Charts… Kurz darauf kam dann im Juni das Album… ich war mir eigentlich sicher das mit den drei Mega Vorabstücken schon alles erzählt ist… aber es gab dann tatsächlich noch einen Song darauf, der mich nochmal genau so mitgenommen hat wie „Takedown“… es ist das Titelstück „Flora“. Beim ersten Durchlauf fiel mir noch nicht einmal auf, das hier norwegisch gesungen wird… der Song hat eine wunderbare Leichtigkeit und Frische… man hört jedem Musiker die Spiellaune an… plötzlich stand der Sommer vor der Tür und der blöde Lockdown war nach 7 Monaten zu Ende. Das Album „Flora“ hat 10 Songs… davon sind 3 Stücke Monsterhits (leider nur in meinem Kopf)… aber auch der Rest kann sich hören lassen… „Treasure“ zum Beispiel… ein etwas bluesiges Stück mit einer Mords-Orgel… oder „Lonely Robot“… was nicht weit von „Set Your Spirit Free“ entfernt ist und mit Bläsern aufwartet… „Familiar“ ist eine E-Gitarren betonte flotte Indie-Rocknummer… der Rest eher ruhigere Folkmusik. Ich höre das Album jetzt im Dezember immer noch häufig und seit Jahren gab es keine Platte mehr, die sich den Titel „Album des Jahres“ mehr verdient hat. Vielen Dank für musikalische Ausnahmebegleitung in diesem zweiten Seuchenjahr Anne Lise Frøkedal & Familien. Tusen takk.

Mixtape 21*Chosen (Best Of 2021)

Zum Jahreswechsel nochmal eine Best Of Compilation aus den 6 21’s Choice Samplern…

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Mixtape 21's Choice # 6

Nummer 6 schließt den 21er Reigen mit vielen neuen Acts sowie ein paar schon fast vergessenen Protagonisten der 1980er… oder wer hätte schon gedacht das Tears For Fears noch ein neues Album bringen (was aber erst 2022 erscheint)… oder Midnight Oil… eine meiner Lieblingsbands dieser Zeit… The Fixx dagegen hatte ich fast völlig vergessen da ich sie damals eher am Rand wahrgenommen habe, aber „Wake Up“ ist ein starker neuer Song den ich ihnen garnicht zugetraut hätte. Musa Dagh ist eine Art Supergroup deutscher Indie Musiker z.B. von Blackmail oder Beatsteaks… ziemlich durchschnittliches Album… toller Song („Plural Me“). Dann gibt es Vorboten auf Alben die Anfang des kommenden Jahres anstehen wie z.B. Blood Red Shoes, Superchunk und Johnny Marr. Am Ende geht es in Richtung Dreampop mit den Schweden Makthaverskan und Blushing (unterstützt von Lush’s Miki… und das hört man…) bevor uns Beach House ganz warm und flauschig aus dem Jahr entlassen. Es wird noch eine Best Of der 6 Sampler geben, die dann aus den 126 Songs die besten 21 filtern… Titel : „21’s Chosen“

…ob ich nächstes Jahr mit 21 oder 22 Songs weitermache weiß ich noch nicht… aber die Serie geht weiter…

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Mixtape 21's Choice # 5

…#5 ist ein schönes Stück Herbstmusik geworden… beginnen tut es mit einem kleinen Herbststurm… Public Service Broadcasting mit einem Koffer in Berlin, Alex Lahey mit einem zackigen Stück Powerpop, Biffy Clyro und My Morning Jacket mit recht rockigen Stücken… danach wird es ruhiger, Dreampop und 60’s influenced Gitarrenpop übernimmt das Ruder… es gibt neues von Film School, den The National nahestehenden The Slow Show und herrliche Melancholie von Dean Wareham (ex-Galaxy 500, Luna, Dean & Britta)… der Song erinnert an die seligen Go-Betweens, als würde Robert Forster einen Song von Grant MacLennan spielen… Es folgt ein Cover von Televisions „Days“ von Real Estate. Keine 21’sChoice ohne Anne Lise Frøkedal, diesmal zusammen mit ihrer Band I Was A King die, weil sie es können, mal ihr Archiv plündern und dabei Stücke wie dieses oder auch Songs die sie mit Robyn Hitchcock und Norman Blake vom Teenage Fanclub aufgenommen haben zu Tage fördern … wer hat der hat… ähnlich herbstlich geht es auch mit Neuheiten von von Shout Out Louds und Band Of Horses weiter. Hearts Hearts sind eine Neuentdeckung aus Österreich, dann neues von Mitski und Tori Amos. Loma ist ebenfalls eine Neuentdeckung… Brian Eno soll großer Fan sein…, dann wird es etwas elektronisch mit den Australiern von Black Cab und dann wieder rockig mit Johnossi, den ewigen Guided By Voices, Frank Carter & The Rattlesnakes und Mostodon… den Schlußpunkt setzen Madrugada aus Norwegen mit einem gewohnt majestetisch erhabenen Song, gesungen wie immer von ihrem Ausnahmesänger Sivert Høyem… danach kann nichts mehr kommen… dicke Socken an, Kamin anfeuern, Wein und Whisky auf den Tisch und während diesem Sampler die Blätter vom Baum fliegen sehen… so würde ich es zumindest empfehlen…

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Mixtape 21’s Choice # 4

…schon ist der Sommer wieder so gut wie vorüber… zu den beiden bisherigen Kandidaten für das Album des Jahres (Frøkedal & Kilbey Kennedy) kommt nun noch ein weiteres Album… das aktuelle Album der Ex- Black Metal Band Deafheaven ist eine Platte wo ich fast die Vermutung habe : da wussten welche, was ich gerade gerne hören möchte… und das alles mit Gesang statt dem früheren Gebrüll… Los geht es aber mit einem hymnischen Auftakt von (British) Sea Power, deren Album kommt allerdings erst nächstes Jahr… auch sie lassen die elektrischen Gitarren in den Himmel wachsen… guten Flug…

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Mixtape 21's Choice # 3

…Mixtape Nummer 3 dieses Jahres ist für mich ein wenig nach dem Motto „Wenn die Nacht am tiefsten ist ist der Tag am nächsten“ (frei nach Ton Steine Scherben)… quasi nach all den dunklen Wochen von Lockdown und Stillstand ist ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen… Ende Mai konnten wir erst den Aussenbereich, kurz später auch den Innenbereich des Offside öffnen… für mich sogar Grund den berüchtigten Coronabart abzunehmen… Musikalisch wieder eine schöne Mischung… mittlerweile sind die Alben von Frøkedal und Kilbey Kennedy so groß geworden, das sie aus der Top 5 des Jahres kaum noch zu verdrängen sein dürften… Viel Spaß beim Nachhören…

 

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Mixtape 21's Choice # 2

…man sollte eigentlich denken das die Pandemie unendlich viel Zeit für unglaublich viel neue Musik bietet… nun ja, von der möglichen Zeit mag das auch sein… aber von der Magie definitiv nicht. Wenn ich die letzten Jahre und Jahrzehnte zurückblicke so fällt auf, das die erfolgreichsten Sachen um irgendwelche Ereignisse oder spezielle Zeiten gebaut sind… Urlaub, Reisen, Personen… in der Regel alles mit Alleinstellungsmerkmalen. In Zeiten von Corona gibt es das nicht… Zuhause, Garten, das seit 6 Monaten geschlossene Geschäft… Musik ist da, aber unterlegt nur den eher tristen Alltag. Am besten spiegelt das derzeit ein Song der von mir sehr geschätzten norwegischen Singer/Songwriterin (Anne Lise) Frøkedal wieder : „Takedown“ spricht mit allem genau das aus und ist dazu noch der Song der abends beim einschlafen noch da ist und dann den nächsten Morgen freundlich guten Morgen wünscht… Die Künstlerin trifft nicht zum ersten mal in die Vollen… in meinem Kopf …der Song hat gute Chancen auf den Titel „Song des Jahres“… auch wenn er erstmal wie eine gewöhnliche Folkballade daher kommt. Neues kommt von alten Bekannten… Piroshka (ex-Lush), Teenage Fanclub, The Coral, Dinosaur jr. die ewigen Guided By Voices (33. Studioalbum und jedes davon hat etwa 20 Songs…), einiges neues von Künstlerinnen wie Ziegenmädchen und Mädchen in Rot…  und Dinge aus dem Umfeld meiner Lieblingsband The Church : Moat ist ein Projekt von Marty Willson-Piper (Gitarrist von 1981-2012), hinter Iris Doe steht Neumitglied Jeffrey Cairn (ex- Remy Zero) und hinter Kilbey Kennedy natürlich Boss Steve Kilbey und Martin Kennedy (ex- All India Radio). Ausgewählt habe ich den Titletrack des neuen Albums „Jupiter 13″… ein Song mit einem ziemlichem Pink Floyd Einschlag… neuneinhalb Minuten lang und in der Mitte ein Pianosolo von meinem guten Freund Stefan Horlitz… für die Whiskyfreunde die hier mitlesen : das ist auch der Künstler der letzten Offside Whiskyabfüllungen bzw. deren Labels… endlich mal verdienter Ruhm mit großer Musik…

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Mixtape 21's Choice #1

…neulich beim aufräumen… oder nennen wir es lieber rumkramen (weil besser sieht es noch immer nicht aus…) fand ich eine Schachtel voller Papier. Es war eine Sammlung mit hunderten Notizzetteln, die ich ca. …hmmm etwa 15 Jahre geschrieben und gesammelt habe… für Musik die ich für andere Leute aufgenommen habe… Mixtapes… später auch MixCD’s (das Wort gabs glaub ich nicht)… ich habe für manche Leute die vielen Zettel zusammengeklammert… manche hab ich in Briefumschläge mit Namen der Empfänger gesteckt… ich wollte halt nicht, das ich Songs doppelt verteile. Es gab so einige Leute, die mochten meine Sampler sehr gerne, mit manchen habe ich mich auch gegenseitig ausgetauscht, aus manchen Mixtapetauschereien wurden langjährige Freundschaften, es entstanden sogar Liebschaften, an manche Leute kann ich mich heute aber auch nicht mehr erinnern… in jedem Falle hatte mir das verdammt viel Spaß gemacht. Als die Zeit der Musikkassette vorbei war und ich noch keinen Sinn für Computer hatte (wir reden von Mitte der 1990er), kaufte ich mir einen Audio CD Brenner… ich hatte 2 CD Player und ein Mischpult zum geschmeidigen Überblenden der Songs… irgendein kreatives Cover musste es in der Regel auch sein… ach hätte ich damals schon einen Computer gehabt… da wären bestimmt super Sachen bei rausgekommen… Irgendwann änderten sich die Zeiten, Tonträger braucht heute kein Mensch mehr (ich rede nicht von Vinyl… ich weiß das ist wieder etwas besonderes)…,  zumindest im Alltag nicht… und mir fehlt es manchmal, mich mit einem Bier (…eins ist natürlich quatsch…) und einem Dram mit Kopfhörer hinzusetzen und jemanden ein neues Mixtape mit den neuesten Errungenschaften aufzunehmen… 2021 hat man jede Neuerscheinung auf der Streamingplattform seiner Wahl und man muß nicht erst in ein Geschäft gehen und für viel Geld eine Single oder ein Album kaufen… vor 25 Jahren ein Traum… geblieben ist eine Wand im Zimmer mit ca. 2 x 4 m CDs und Vinyl… trennen werde ich mich davon nicht…

…kennen die wenigsten… ein Teil meines Zimmers…

 

Im Prinzip ist es ja heute einfacher als je zuvor ein Mix(tape/CD) zu erstellen, für jedermann mit Internetempfang erreichbar… ok nicht mehr so individuell, schließlich hab ich ja früher schon drauf geachtet was der Empfänger mag oder auch nicht… ich hab heute mal eine Auswahl von Sachen getroffen, die gerade erst erschienen sind und die ich gerade täglich höre… sogar mit Cover… ein Tribut an das gute alte Mixtape…

…damit man bei dem Cover nicht nur etwas zum anschauen hat, gibts auch was auf die Ohren… und zwar hier:

…oder hier :

https://music.apple.com/de/playlist/21choice-1/pl.u-LdbqEAqCxXDW7rG

…passt theoretisch auf eine CD und zwei Kassetten…